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#Im Himmel spielen sie seine Filme

Im Himmel spielen sie seine Filme

Peter Bogdanovich hat das Kino so sehr geliebt, dass man sich seinen Himmel wohl wie eine immerwährende Late Show vorstellen muss, ein Double Feature nach dem anderen, erst ein großer, teurer Film, dann ein kleiner, billiger, was ja oft das noch schönere Vergnügen ist. Und wenn dabei auch ein paar brave, nicht ganz so aufregende Filme wären: Umso besser für Bogdanovich, für den so ein Kino ja nicht nur der Ort zum Sehen war. Sondern ein halbdunkles Zwischenreich, nicht mehr ganz Wirklichkeit, noch nicht Fiktion, in dem nicht nur die Schaulust befriedigt wurde, wie man in der „Letzten Vorstellung“, seinem besten und vielleicht persönlichsten Film, gleich am Anfang sehen konnte. Ins Kino kommen die Teenager auch deshalb, weil man hier ungestraft erste Küsse und Berührungen austauschen kann.

Der Mythos des Peter Bogdanovich handelt davon, dass er als Kritiker begonnen habe, so wie das ein paar Jahre zuvor die jungen Franzosen der Nouvelle Vague, Truffaut und Godard vor allem, ihm vorgemacht hatten. Daran ist richtig, dass auch große Liebe nicht unbedingt blind machen muss – ein junger Mann, der mindestens vierhundert Filme im Jahr ansah, verstand fast zwangsläufig ziemlich viel von dieser Kunst. Aber Bogdanovich, dessen Leidenschaft auch im Alter niemals erloschen ist, blieb immer mehr Fan als Analytiker – er verehrte und pries und interviewte wieder und wieder die großen Männer, Orson Welles vor allem und dann Howard Hawks und John Ford, deren Genie allein er fürs Gelingen der Filme verantwortlich machte. Frauen, so kommt es einem heute vor, waren aus dieser Sicht vielleicht so kühn und unerschrocken wie Cybill Shepherd in der „Letzten Vorstellung“, so mutig und komisch wie Barbra Streisand in „Is was, Doc?“. Es war aber die Aufgabe der Männer, den Mut und die Schönheit dieser Frauen zu inszenieren.

Zweimal komplett bankrott

Dass Bogdanovich so ein Mann werden wollte, lag in der Logik seines Denkens – und wenn man sich sein Leben als Film vorstellen wollte, dann gäbe es in diesem Biopic nicht nur die komischen Momente. Zweimal in seinem Leben war er komplett bankrott, was nicht nur eine Frage des Geldes war. Er, der doch Anfang der Siebziger als Wunderkind gefeiert worden war und manchem Kritiker als bester Regisseur der Welt und wahrer Nachfolger von Orson Welles gegolten hatte, verstand ein Jahrzehnte später überhaupt nichts mehr: nicht die Studios, die ihn gängelten, nicht das Publikum, das nicht mehr kam, obwohl es ihn doch so geliebt hatte.

Und vermutlich verstand er auch sich selbst manchmal nicht mehr und begann am eigenen Glauben zu zweifeln: am Glauben daran, dass Filme, wenn sie nur die Inszenierungstiefe von Orson Welles hätten, die narrative Ökonomie von Howard Hawks und die emotionale Integrität von John Ford, auch dreißig, vierzig Jahre später, in einer ganz anderen Welt, gültige Aussagen machen, die richtigen Gefühle evozieren und die Gedanken der Betrachter verzaubern könnten.

Und dann wäre da noch die Geschichte mit Dorothy Stratten, Playmate des Jahres 1980, der Bogdanovich eine Rolle in „Sie haben alle gelacht“ gab. Er verliebte er sich in sie, was leider nicht von langer Dauer war. Ihr verlassener Mann kam nach Los Angeles und erschoss erst sie, dann sich selbst. Woraus tatsächlich ein Film wurde, „Star 80“, inszeniert von Bob Fosse.

Noch immer schockiert

Aber den Anfang darf man sich schon sehr komödienhaft vorstellen. Bogdanovich schrieb für „Esquire“ und tat alles, dass er zu Filmpremieren eingeladen wurde, wo er die richtigen Leute kennenlernen wollte. Was ihm tatsächlich gelang: Roger Corman, der Meister der B-Pictures, sprach ihn an auf einen Artikel, bot ihm einen Job als Regieassistent an, zeigte ihm, wie es ging. Und Bogdanovich erzählte später, er habe in drei Wochen den Weg von der Aushilfe zum Regisseur gemacht. „Targets“ hieß einer der Filme, die er für Corman drehte: ein schlank inszeniertes, noch immer zeitgemäßes Drama über einen verzweifelten Mann, der loszieht und Leute erschießt.

Es waren dann aber drei Filme am Anfang der Siebziger, „Die letzte Vorstellung“, „Is was, Doc?“ und „Paper Moon“, mit denen Bogdanovich alles, was er wollte, zu gelingen schien. Anders als seine Altersgenossen zerstörte er die alten Erzählformen nicht, er baute sie nur neu zusammen, und er führte vor, dass sie sehr gut dafür taugten, den hitzigeren Gefühlen, den schärferen Konflikten, den dunkleren Gelüsten dieser Zeit eine erzählbare Gestalt zu geben. „Die Letzte Vorstellung“ kam 1971 heraus, spielte im Texas der Fünfziger – und ist kein bisschen gealtert. Man ist noch immer schockiert, vor allem von den Frauen in diesem Film. Und von deren erotischer Risikobereitschaft.

Peter Bogdanovich, Sohn eines serbischen Vaters und einer österreichisch-jüdischen Mutter, hatte, bevor er sich ganz der Schule des Kinos hingab, in New York eine Schauspielschule besucht. Und als es mit dem Filmemachen nicht mehr so gut lief, zeigte er, wenn er gerade nicht die Filmgeschichte studierte oder Interviews mit Filmemachern führte, dem Publikum eben vor, was für ein interessanter Schauspieler er war: Neurotisch, klug, mit geradezu ansteckender sophistication spielte er in der Serie „Sopranos“ den Dr. Elliot Kupferberg – der in einer atemberaubenden Szene verrät, wer der geheimnisvolle Patient von Dr. Melfi ist. Man möchte das immer wieder sehen.

Am Dreikönigstag ist Peter Bogdanovich gestorben. Er wurde 82 Jahre alt. Er wird als großer Liebender in unserem Gedächtnis bleiben.

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