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#„Macht ganz einfach, was ihr wollt“

„„Macht ganz einfach, was ihr wollt““

An die Unterhaltung in der Kabine erinnert sich Günter Netzer heute noch „als wäre es gestern gewesen“. Er sagte zu Franz Beckenbauer: „Wenn wir weniger als fünf Stück bekommen, wäre das für uns ein großartiges Resultat.“ Der Kapitän murmelte nur schicksalsergeben: „Ja mei.“ Ihre Klubs hätten „immense Probleme gegen englische Mannschaften gehabt“, erinnert sich der 77 Jahre alte Netzer. „Außerdem war Wolfgang Overath verletzt. Sonst hätte ich gar nicht gespielt.“

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Doch dann inszenierten die kongenialen Strategen von Borussia Mönchengladbach und Bayern München einen „Swingrhythmus“, wie Bundestrainer Helmut Schön schwärmte, der im Wembley-Stadion zum ersten Sieg einer deutschen Nationalmannschaft im Mutterland des Fußballs führte. Deutschland siegte in London 3:1 durch Tore von Uli Hoeneß (26.), Netzer (85./Elfmeter) und Gerd Müller (88.) nach dem Ausgleich zum 1:1 von Francis Lee (77.). Das Datum des historischen Triumphs: vor fünfzig Jahren am 29. April 1972.

Nach diesem Hinspiel im Viertelfinale der Europameisterschaft (Rückspiel 0:0 in Berlin) habe es nie eine Nationalmannschaft mit größerem Selbstbewusstsein gegeben, behauptet der jahrelange ARD-Experte Netzer. „In die Endrundenspiele in Belgien gingen wir mit der absoluten Gewissheit, dass uns nichts passieren konnte.“

Die Bestätigung im Juni: 2:1 im Halbfinale in Antwerpen gegen den Gastgeber, 3:0 im Endspiel in Brüssel gegen die Sowjetunion. Der Bundestrainer verzichtete bei einer Mannschaftssitzung auf Vorgaben für seine beiden Protagonisten. „Schön entwickelte das feine Gespür, uns alle Freiheiten zu lassen“, erzählt Netzer. „Als er seine Taktik an die Tafel zeichnete, drehte er sich plötzlich um und sagte: ‚Ach, das ist doch alles überflüssig – macht ganz einfach, was ihr wollt.“

Das verwirrende Wechselspiel zwischen Beckenbauer und Netzer war einzigartig. Die Engländer mit dem Weltmeister-Trio von West Ham United, Bobby Moore, Martin Peters, Geoff Hurst, wurden überrascht. Wenn sich Netzer nach hinten zurückfallen ließ und seinen englischen Sonderbewacher mitzog, hatte Beckenbauer nach vorn den Raum für seine offensive Virtuosität. „Ich habe Günter unterstützt“, erinnert sich der 76 Jahre alte Beckenbauer. „Denn im Mittelfeld konnte einer allein gegen die kampfstarken Engländer keine Dominanz schaffen.“ Sobald der Libero seine Position wieder eingenommen hatte, startete Netzer zu seinen mitreißenden Sololäufen.

Die beste Nationalelf der Geschichte?

Begeistert schrieb der damalige Londoner Korrespondent und spätere Feuilleton-Chef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Karl Heinz Bohrer: „Der aus der Tiefe des Raumes plötzlich vorstoßende Netzer hatte ‚thrill‘. ‘Thrill‘, das ist das Ereignis, das nicht erwartete Manöver, das ist die Verwandlung von Geometrie in Energie, die vor Glück wahnsinnig machende Explosion im Strafraum, ‚thrill‘, das ist die Vollstreckung schlechthin, der Anfang und das Ende. ‚Thrill‘ ist Wembley.“ Seine „langen Läufe von hinten nach vorne“ habe Bohrer „in diese tolle Sprache umgesetzt“, sagt Netzer. Einschließlich des WM-Endspiels 1966 (2:4 nach Verlängerung) hatte Deutschland keines der insgesamt zwölf Länderspiele seit 1908 gegen England gewonnen.

Die Revanche für die Final-Niederlage durch das umstrittene „Wembley-Tor“ war allerdings bereits im Viertelfinale der Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko mit dem 3:2-Sieg nach Verlängerung gelungen. Der überragende Europameister von 1972 – mit Maier, Höttges, Breitner, Schwarzenbeck, Beckenbauer, Wimmer, Heynckes, Hoeneß, Müller, Netzer, Erwin Kremers im Finale (beim 3:1 in Wembley spielten Grabowski und Held anstelle von Heynckes und Erwin Kremers) – wurde auch Weltmeister 1974 im eigenen Land. Freilich bei weitem nicht so beschwingt und derart souverän.

„Das Team spielte ganz anders“, schildert Netzer den Stilwandel. „Ich selbst stand nicht mehr auf dem Platz, wobei ich anerkennen muss, dass Wolfgang Overath auf meiner Position der bessere Nationalspieler war.“ Dennoch: Für manchen Historiker und jeden Nostalgiker spielte 1972 dank dem „Ramba-Zamba“ (Wortschöpfung der „Bild“-Zeitung) von Franz Beckenbauer und Günter Netzer die wohl stärkste deutsche Nationalmannschaft ihrer Geschichte.

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