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#Ein unheiliger amerikanischer Prediger

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Ein unheiliger amerikanischer Prediger

Aufgedunsen und obszön wie Elvis, frech wie John Lennon und, wie jeder richtige Amerikaner seit Doc Holliday, den ganzen Tag besoffen: Aber statt sich damit zufriedenzugeben, musste er auch noch Rimbaud und Artaud, Blake und Baudelaire, Nietzsche und Freud sein, alle in einem, einer in allen. Das war, neben den Unmengen an Bier, Schnaps, LSD und zuletzt sogar noch Heroin, dann doch etwas viel; und so starb dieser selbsternannte Eidechsenkönig am 3. Juli 1971 in Paris, vermutlich in der Badewanne, ohne Quietscheentchen, aber mit einem kaputten Herzen.

Jim Morrison, mit dem die Psychedelik-Blues-Rock-Band The Doors sechs Jahre und sieben Platten lang meistens mehr schlecht als recht lebte und starb, ist unter den vielen Dichtern und Denkern, neben denen er auf dem Pariser Friedhof begraben liegt, jedenfalls nicht der größte. Auch zum Rockopernkomponisten, der er so gerne hatte sein wollen, reichte es am Ende nicht. Die nur live überlieferte „Celebration of the Lizard“, neben der sich „The End“ fast schon schlicht ausnimmt, ist wahrscheinlich das lyrisch Anspruchs- und Reizvollste, was er überhaupt fertiggebracht hat, aber als Rockstück viel zu lang und, wie manches andere, zu predigerhaft.

Was geht uns dieser „American Prayer“ (so der Titel einer Nachlassplatte mit spoken words) eigentlich noch an? Ungefähr alle zehn Jahre gibt es eine Jim-Morrison- und damit auch eine Doors-Wiederbesinnung: zuerst gleich nach dem Ableben; dann Anfang der Achtziger, als vergessenes Livematerial herauskam. Bei späteren Gedenktagen ging und geht es vor allem um die Todesumstände. Dazwischen liegt, als Dokument von eigenem künstlerischen Rang, Oliver Stones „The Doors“ (1991). Dieser Spielfilm hielt eine doppelte Überraschung bereit: zum einen, wie täuschend echt der Sänger in Aussehen, Habitus und Stimme (durch Val Kilmer) imitiert werden konnte; zum anderen, dass man es hier mit jemandem zu tun hatte, der auf sich selbst reingefallen ist, alle anderen dann natürlich mit ihm. Wozu hatte er schließlich Nietzsche gelesen? Der wusste natürlich, dass man in so einem albernen Zarathustra-Kostüm höchstens eine Saison herumlaufen kann und sich dann wieder vernünftig anziehen sollte. Jim Morrison aber spielte die Narrenrolle des unheiligen Erlösers je länger, je lieber.

Manchmal richtig abstoßend

Oliver Stone war einer der Ersten, die ihn durchschaut haben, obwohl er seinen Film, der wahrscheinlich das genaueste Künstlerporträt ist, welches das Kino hervorgebracht hat und von dem danach veröffentlichten authentischen Material im Wesentlichen bestätigt wurde, so sicht- wie hörbar als Ehrerweisung angelegt hat. Dank der sorgfältigen Recherche, in die auch zwei von den überlebenden Bandmitgliedern einbezogen waren, und trotz des manipulativen Zugs, der seinen Arbeiten auch sonst anhaftet, bekam eine über ergebene Fankreise weit hinausgehende Öffentlichkeit einen ernüchternden Einblick in Leben und Werk eines Musikers, der wohl wirklich glaubte, sein Publikum von gesellschaftlichen Zwängen und persönlichen Hemmungen befreien, ihm wohl gar zu einem letzte Erkenntnisgrenzen sprengenden Leben verhelfen zu können.

Man muss einen Künstler aus seiner Zeit heraus verstehen. Wenn es damals vielen Bands, zumal an der amerikanischen Westküste, zufiel, Hippie-Klischees wichtig erscheinen zu lassen, dann haben es Jim Morrison und die Doors wohl am weitesten gebracht. Dabei war das mit der Bewusstseinserweiterung in dieser penetranten Großspurigkeit und jenseits herkömmlicher, drogeninduzierter Trips einfach nur Quatsch; auch andere haben es ja versucht, mit seriöseren Mitteln. Die ganze Geheimniskrämerei, der Kult, den Jim Morrison mit dem Dionysischen, mit den verbotenen Wonnen des Abseitigen veranstaltete, konnten intellektuell gar nicht anders, als unausgegoren zu wirken. Obwohl also das meiste von dem, was er sich in den Kopf gesetzt hatte, im Sand verlaufen ist wie ein Tropfen auf den heißen Strand von Venice Beach, an dem die Doors sich 1965 fanden, darf man festhalten, dass er sich als Dichter und Filmemacher eher zu sehr verwirklicht hat – es sei denn, man legt Wert auf Lyrik, die Tiefsinn meistens nur vortäuscht und im Grunde nicht viel mehr ist als ein Ausdruck spätpubertärer, unbeherrschter Verzweiflung, oder auf Filmbilder, die ohne Sinn und Verstand zusammenmontiert wurden.

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