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#Malerin Koller-Pinell in Wien: Rot auf Schwarz auf Weiß

Wieder einmal war eine Frau vom Radar der Kunstgeschichte verschwunden. Nun entdeckt das Belvedere die um 1900 gefeierte Malerin Broncia Koller-Pinell neu.

Die Malerin Broncia Koller-Pinell reüssierte auf der Weltausstellung in Chicago 1893, wirkt aktiv an der Gründung der Neuen Secession Wien und des Sonderbunds mit und ist eine durchaus bedeutende Malerin in den Jahren der Vormoderne um 1900, weltbekannt ist sie aber nur in Österreich. Was schade ist, fehlt doch damit den talentierten Malerinnen ein weiteres Mosaiksteinchen in ihrer vom Mittelalter an bis heute nahtlosen Kunst-Geschichte.

Als Grund gegen einen bleibenden Platz in der Kunstgeschichte von Bedeutung wurde oft ihre stilistische Heterogenität angeführt, mit einem solchen windelweichen Argument müsste jedoch auch Picasso als inkonsistent und zu wenig konsequent abqualifiziert werden.

Erinnerung an eine Reise an die französische Riviera

Nach dem Zweiten Weltkrieg wird das Werk der 1934 verstorbenen Jüdin kaum mehr erinnert. Eine kurze Rekapitulation ihrer Vita schadet nicht: 1873 im galizischen Sanok geboren heiratet sie den wohlhabenden Wiener Industriellen Hugo Koller, späterer Leiter von Elektrobosna, einem der Marktführer für Karbid-Derivate, die die Welt und insbesondere die Städte zum Leuchten bringen. Mutter und Kinder sind sehr gebildet und belesen, Broncia lässt sich in der bayerischen Hauptstadt zur Malerin ausbilden und von der damals einflussreichen Münchner Schule und hier vor allem durch Fritz von Uhde inspirieren; die Familie reist viel, besonders gern in das Licht des Mittelmeers. Im Jahr 1902 siedelt man endgültig nach Wien über, es entsteht mit dem pointillistischen „Orangenhain“ ein frühes Hauptwerk, aus der Erinnerung einer Reise an die französische Riviera entstanden.

Das pointillistische „Orangenhain“, ein frühes Hauptwerk von 1902


Das pointillistische „Orangenhain“, ein frühes Hauptwerk von 1902
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Bild: Belvedere

Immer weitere dieser lichtdurchtanzten Bilder entstehen, sie vernetzt sich immer mehr in der Wiener Kunst- und Kulturszene und lässt die Familien-Villa von Koloman Moser, der 1903 bereits das spektakulär modern-kubische Grabmal in Granit ihrer Familie Pineles auf dem jüdischen Friedhof gestaltete, sowie vom sogenannten Quadratl-Hoffmann ausstatten, den Hauptvertretern der Wiener Werkstätten, der Edelschmiede eines stärker geometrischen Jugendstils österreichischer Prägung und vor allem des guten und teuren Geschmacks.

Als Mäzenin ist sie für nachrückende Jungkünstler von großer Bedeutung und prägt auch ihre Tochter Silvia in der Malerei. Sie selbst kann durch die finanzielle Unabhängigkeit wesentlich freier malen als andere, die von Aufträgen abhängig sind.

Mädchen im leuchtend roten Kleid

Die beiden letzteren Punkte finden auf harmonischste Weise in ihrem ungemein modernen Porträt „Die Tochter Silvia mit Vogelkäfig“ von 1907/08 zusammen, auf dem das Mädchen im leuchtend roten Kleid sich über eine weiß lackierte Voliere beugt – natürlich aufs Edelste von den Wiener Werkstätten gestaltet und mit einer Karoverschlussplatte von Josef Hoffmann auf der uns zugewandten Vorderseite versehen –, um ihre sechs bunt gefiederten Vögel darin zu bewundern.

Während das Motiv mindestens seit Goya altbekannt ist, ist doch die Umsetzung erfrischend avantgardistisch – Silvias kirschrotes Kleid bleibt absolut flächig und hebt sich kontrastiv vom schwarz gefliesten Boden mit seinen weißen Mörtelfugen ab, die in Fluchtpunktperspektive nach hinten ziehen und konterkariert werden von den wesentlich enger getakteten Gitterstäben des Vogelkäfigs.

Um das von den Wiener Werkstätten eingeimpfte Geometrie-Fieber wieder etwas zu brechen, lässt Koller-Pinell um die abgewinkelten Füße der Kleinen ebenfalls eine weiße Kontur umlaufen, als würden sich in Einsteinscher Raumkrümmung die Mörtelfugen des pechschwarzen Fußbodens um die Füße des Töchterchens herumbiegen.

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