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#Maskenpflicht und Frauenquote

Maskenpflicht und Frauenquote

Die vertrauten Kollegen fort, die gewohnten Diensträume wegen Bauarbeiten durch Container ersetzt, und dann heißt es noch unentwegt: „Hände desinfizieren und Abstand halten.“ Während irgendwo draußen ein Neonazi auf Jobsuche den nächsten Personalchef abknallen will, der statt seiner einen Ausländer einstellt. Das sind selbst für einen alten Haudegen wie Erich Bo Erichsen (Armin Rohde) nicht gerade optimale Voraussetzungen für einen ruhigen Dienst.

Ursula Scheer

Als dem Veteranen vom Hamburger Kriminaldauerdienst zu Beginn seiner „Nachtschicht“ zwei Fremde vom Chef Ömer Kaplan (Özgür Karadeniz) vor den Latz geknallt werden, ist die Freude gar nicht groß. Aber da sind sie nun: Tülay Yildirim (Idil Üner), ehemals Judo-Meisterin und vom LKA abkommandiert, um Erichsens Vorgesetzte zu werden, und Lulu Koulibaly (Sabrina Ceesay), frisch von der Uni mit summa cum laude, ein wandelndes Rechtsbelehrungslexikon. „Frauenquote“, sagt Kaplan knapp und fügt aufmunternd hinzu: „Neue Räume, neues Team, neuer Team-Spirit!“

Damit ist die Herausforderung, der sich der Regisseur und Drehbuchautor Lars Becker in der siebzehnten Folge seiner „Nachtschicht“ gestellt hat, schon umrissen. Jedes Jahr gönnen er und das ZDF sich eine Episode der die Geschehnisse einer Nacht abbildenden und nachts gedrehten Polizeifilme. Über die Zeit sind immer wieder Figuren und Schauspieler hinzugekommen oder ausgeschieden, doch gab es neben Erichsen doch stabile Pfeiler im Gefüge: Barbara Auer als Kriminalpsychologin Lisa Brenner gehörte lange dazu, Minh-Khai Phan-Thi als Polizistin Mimi Hu und zuletzt Tedros Teclebrhan als Polizist Elias Zekaries. Jetzt wird mit einem Schlag umgebaut. Und dann noch Covid-19: Gedreht wurde im vergangenen Sommer unter Pandemiebedingungen, und Lars Becker mit seiner Lust am Authentischen wäre nicht er selbst, hätte er die veränderten Gegebenheiten nicht gleich mit eingebaut.

Wenn er keinen Vertrag bekommt, drückt er ab

So werden munter Masken an- und abgezogen (beim Reden, des Schauspiels wegen, aerosol-unlogisch eher ab), ohne dass der Begriff Corona überhaupt fiele oder die Story von dem Virus gekapert würde. Denn in der geht es um etwas ganz anderes: Männer und Frauen mit Waffen, die aus Hass, Frust, Notwehr oder einfach, weil sie den Kitzel der Macht fühlen wollen, um sich schießen – einmal mit tödlichem Ausgang.

Da wäre also Kevin Kruse (Aurel Manthei), Lieblingssatz: „Ich bin Koch“, werdender Vater, nebenbei allerdings auch mit NS-Chiffren tätowierter Ex-Hooligan, Mitglied des titelgebenden „Grill“-Bundes „Blut und Eisen“ sowie Sicherheitsmann einer rechten Partei. Seine Verbitterung über erfolglose Bewerbungen gießt er in ein Online-Drohvideo: Bekommt er als „Patriot“ heute Abend beim Burgerbrater keinen Vertrag, drückt er ab.

Ebenso absurd und wie wahrhaftig

Kevins Parteifreunde jedoch laden Pistolen zurzeit lieber nur zum Schützenfest im Wald, wollen sie doch Roland Herzog (Bernhard Schir) in den Landtag einziehen sehen und geben sich im Wahlkampf zivil. Frisch aus dem Knast fährt dagegen der schwere Junge Dexter Herold (Tristan Seith) eine ganz andere Strategie.

Wie immer fern davon, noch die miesesten Typen zu dämonisieren, mischt Lars Becker charakterlich Helles wie Dunkles munter durch und schafft ebenso absurd und wie wahrhaftig wirkende Situationen: Ausgerechnet ein Neonazi und ein Türke kutschieren, zur Komplizenschaft gezwungen, mit Leiche im Kofferraum durch Hamburg und üben Integration in einer Kneipe voller Rechtsextremer – vergeblich.

Vorerst bleibt er der Platzhirsch

Die Stärke des Drehbuchs, solche Wendungen zu schaffen, zeitigt aber auch Schwächen. Ein Toter wiegt nicht wirklich schwer, und wären alle bewaffneten Extremisten so trottelig wie Kruse, müssten wir uns keine Sorgen machen. Statt hasserfüllte Killer stellt uns Becker eine verirrte Dumpfbacke und einen schmierigen Rassisten vor Augen, der als Politiker nicht daran glaubt, dass man mit Nationalismus in fünf Jahren noch Stimmen holen kann, doch auf dem Revier von einem „Deutschen“ verhört werden will. Kaplan, Yildirim, Koulibaly und Erichsen routinieren das gelassen, aber in der Sache knallhart.

Einen Bonus oder Malus qua Hautfarbe oder Geschlecht hat hier niemand. Stattdessen folgt Becker fast unsichtbaren Spuren des Ressentiments oder des Gefühls von Unterlegenheit. Warum scheut Kaplan, den rechten Politiker wegen Waffenbesitzes und möglicher Verwicklung in ein Verbrechen hochgehen zu lassen? Weil er ein türkischstämmiger Deutscher ist? Die Frauen im Team sind furchtloser. In „Blut und Eisen“ scheint auf, dass selbst vermeintliche Machos wie Kruse oder Kaplan mindestens das weibliche Regiment zu Hause fürchten. Im Falle der Neonazi-Braut Mabel Kruse (Marleen Lohse) gerät das etwas platt. Dafür unternimmt Tülay Yildirim als toughe Ermittlerin und Mutter erste Schritte, ihre Stärke auch auf dem Revier auszuspielen. Lulu Koulibaly muss als Figur dafür noch mehr tun, als den juristischen Nerd zu geben. Vorerst bleibt Erichsen der Platzhirsch, so sehr, dass sogar Mübariz Pettekaya (Kais Setti), der Personaler von der Burgerkette, den typischen Erichsen-Sound draufhat. In der „Nachtschicht“ werden alle schnell Teil der Familie.

Nachtschicht: Blut und Eisen, an diesem Montag um 20.15 Uhr im ZDF

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