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#Fasanenjagd der Herzen

Fasanenjagd der Herzen

Wenn Regisseure sich ihrer Geschichte und ihres Könnens sehr sicher sind, gehen sie das Risiko ein, am Anfang des Films schon das Ende zu verraten. So ließ Billy Wilder in „Boulevard der Dämmerung“ einen Toten im Pool schwimmen, der aus dem Jenseits erzählt, wie er dahin gekommen ist, und begann den Noir-Thriller „Frau ohne Gewissen“ mit dem genreuntypischen Mordgeständnis eines Versicherungsvertreters. Der chilenische Regisseur Pablo Larraín führt diese Technik in seinen Filmen gern ins Abstrakte, setzt also mit ersten Bildern Leitmotive, die nicht nur den Ton vorgeben, sondern zumeist auch die Resultate der Geschichten verraten, die hier erzählt werden.

So zieht in „The Club“ ein Priester mit seinem Hund endlose, enge Kreise am Strand, die schon den Höllenkreis vorwegnehmen, in den er aufgrund seiner Vergehen stürzen wird, und in „Ema“ schaut eine junge Frau genüsslich zu, wie eine Ampel in Flammen aufgeht, nur um wenig später die traditionellen Vorstellungen von Liebe und Familie niederzubrennen. Und so liegt nun in Larraíns neuestem Film „Spencer“ ein Fasan auf einer Landstraße, während Militärfahrzeuge über den toten Vogel hinwegbrettern, um die Zutaten für das Weihnachtsessen der königlichen Familie auf Schloss Sandringham anzuliefern, und der Vogel ist ein Omen fürs Schicksal der Prinzessin Diana, von der die darauf folgenden 116 Minuten handeln. Die amerikanische Schauspielerin Kristen Stewart, die Diana mit perfektem Upper-Class-Englisch verkörpert, wird irgendwann einem noch lebenden Fasan im Schlosspark mitleidig hinterhersehen und mit der dianatypischen, leicht gepressten Stimme hauchen: „Ein schönes, aber dummes Geschöpf.“ Der Chefkoch, dem sie das sagt, antwortet: „Wenn sie nicht erschossen werden, überfährt sie ein Wagen.“ Lakonischer könnte man den von Paparazzi verursachten tödlichen Unfall Dianas in Paris nicht andeuten.

Suche nach dem Ort als Suche nach der eigenen Identität

„Spencer“ setzt jedoch den Bildern, die alle Welt von der Prinzessin im Kopf hat, eigene, völlig neue entgegen. Diana, die im offenen Porsche durch die englische Landschaft rast und verärgert eine Karte am Lenkrad studiert: „Wo zum Teufel bin ich?“, die Suche nach dem Ort als Suche nach der eigenen Identität. Die Auflehnung gegen die starren Regeln, mit denen das Leben im Kreis der Royals reglementiert ist, macht das Drehbuch von Steven Knight mit präzisen, knappen Dialogen deutlich; etwa, wenn Diana die Vorauswahl ihrer Kleider durch das Hofprotokoll boykottiert. Ein lindgrünes Kostüm zum Dinner lehnt sie ab: „Es passt nicht.“ Auf die Nachfrage der Zofe, ob sie es schon probiert habe, fügt sie spitz hinzu: „…zu meiner Stimmung.“ Schwarz hätte es sein sollen. Allerdings nicht der Depressionen wegen, sondern, um die dicken Perlen besser zur Geltung zu bringen, die Prinz Charles ihr zu Weihnachten geschenkt hat, ohne dabei zu bemerken, dass es die gleiche Kette ist, die auch seine Geliebte auf einem Paparazzifoto trägt. Diana ist hier keineswegs Opfer; unter der zum Zerreißen gespannten Oberfläche steckt eine Frau, die sich im Spiel der kleinen Gesten bestens auskennt und für ihre eigenen Signale zu nutzen weiß.

„Historische Filme muss man immer im Kontext der Zeit sehen, in der sie entstanden sind“: Regisseur Pablo Larraín und Hauptdarstellerin Kristen Stewart


„Historische Filme muss man immer im Kontext der Zeit sehen, in der sie entstanden sind“: Regisseur Pablo Larraín und Hauptdarstellerin Kristen Stewart
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Bild: EPA

„Spencer“ soll kein klassisches Biopic sein. „Es ist eine Fantasie unserer Kultur, zu denken, man könnte das Leben einer Person eins zu eins in einem Film abbilden“, sagt Regisseur Larraín im Gespräch mit dieser Zeitung. Seinem Film hat er, weil er so denkt, den Hinweis vorangestellt, es handle sich um eine „Fabel nach einer wahren Tragödie“. Die Handlung findet an drei aufeinanderfolgenden Weihnachtstagen auf Schloss Sandringham irgendwann zu Beginn der Neunziger Jahre statt (jener Zeit also, in der Dianas Entscheidung für die Scheidung und gegen ein Leben im Kreis der Royals fiel), die fabeltypische Darstellung von Menschen durch Tiere übernimmt symbolisch der Fasan, der sich als Metapher für die Figur Diana durch den ganzen Film zieht (deshalb muss auch der letzte Aufstand der Prinzessin gegen die königliche Familie während der traditionellen Fasanenjagd stattfinden). Und was die moralische und gesellschaftskritische Diskussion angeht, die zu dieser Erzählform gehört, so durchzieht sie den Film sanft, aber unübersehbar wie die Nebelschwaden, die hier über den Parkanlagen um das Schloss hängen und es manchmal in die Kulisse eines Gothic-Schauermärchens verwandeln. Larraín folgt allein seiner Hauptfigur und seziert durch den Blick Dianas scharfsinnig Begriffe wie Tradition, Monarchie und Mutterschaft.

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