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#Absolut offensichtlich undurchschaubar

Christopher Walken, vor achtzig Jahren geboren in der großen Stadt New York als Sohn einer schottischen Mutter und eines deutschen Vaters, ist ohne Zweifel ein sehr amerikanischer Schauspieler, einer der besten, einer der intelligentesten, in manchen Filmen sogar einer der liebenswertesten – aber das Amerikanischste an ihm (diese Steigerung muss, ausnahmsweise, hier sein) ist sein Talent fürs Unamerikanische, seine Präsenz, die alles negiert und dementiert, was amerikanische Kinohelden sonst zu Männern macht, all die Härte, die Entschlossenheit, die Stärke der Muskeln und der Nerven, die man, als Zuschauer, ja mit guten Gründen bewundern kann.

Und die doch steril, ein bisschen dumm und provinziell wirkten, wenn nicht immer wieder einer käme, und am besten kann das eben Christopher Walken, der diese Rollenvorschriften ignoriert, der, offenbar mit großer Lust und ohne Furcht vor den männlichen Männern, sich weich und androgyn, gefährlich sinnlich, dekadent, ironisch und ziemlich undurchsichtig dagegenstellte.

Er ist der Autor seiner Rollen

Wenn das Können ist, schauspielerische Brillanz, dann muss man eigentlich ein paar ganz andere Linien durch die Filmgeschichte ziehen. Deren Heldensagen werden ja fast immer entlang der Lebensläufe und Karrieren der Regisseure und der Produzenten erzählt. Aber Walken wäre dann selbst der Autor seiner Rollen, nicht der Plots und der Dialoge vielleicht – aber doch der Erfinder einer Figur, die, von dem sensiblen Rekruten Nick Chevotarevich in „The Deer Hunter“ über den Supergangster Max Shreck in „Batman Returns“ bis zum sizilianischen Mafioso in „True Romance“, mehr gemeinsam hat, als das den Anhängern einer Autorentheorie der Regisseure lieb sein kann. Zu den Legenden, die man sich über Quentin Tarantinos Drehbuch zu Tony Scotts „True Romance“ erzählt, gehört auch die, dass die Schauspieler, also zum Beispiel Walken und Dennis Hopper, auf hohe Gagen verzichtet hätten, solange sie Tarantinos Dialoge sprechen durften.

Christopher Walken in „Pulp Fiction“ (1994)



Bilderstrecke



Ein Glück fürs Kino
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Filme mit Christopher Walken

In der Szene, die beide gemeinsam haben, weiß Hopper, dass er nicht überleben wird, und Walken weiß, dass er Hopper erschießen wird, und so geht es nur darum, welche Gemeinheiten Hopper noch sagt und mit welcher Miene Walken das erträgt, bevor er seine Pistole zieht. Und heute, dreißig Jahre später, sieht man auch, dass es das große Glück Tarantinos, ja geradezu der Anstoß war, den seine Karriere damals brauchte. Wenn Tarantino dafür bezahlt hätte, dass Walken seine Dialoge spricht (und die Legende von ihrer Unwiderstehlichkeit verbreitet), dann wäre das nur verständlich gewesen.

Sein Striptease ist ein Hit bei Youtube

Christopher Walken hat schon gespielt, da konnte er das Wort Schauspielschule kaum schreiben, als kleiner Junge, in Werbefilmen und Fernsehshows, und eine weitere Legende besagt, dass ihm, nach einem kurzen Auftritt neben Dean Martin und Jerry Lewis, von beiden eine große Zukunft vorausgesagt worden sei. Es war dann, fünfundzwanzig Jahre später, aber „The Deer Hunter“, was ihm Ruhm und einen Oscar einbrachte. Es war die Szene im vietnamesischen Gefangenenlager, das Russische Roulette, das Spiel von Angst, erbärmlicher Verzweiflung, schließlich Mut in seinem Gesicht, das, im Film, sogar den harten Robert De Niro zum Weinen bringt.

Fast genau so eindrucksvoll war die Kneipenszene am Anfang des Films, wenn die Männer, noch in Amerika, Bier trinken und Billard spielen. Und dann kommt „Can’t Take my Eyes off You“ aus den Lautsprechern, alle grölen mit und lassen sich zu einem gewissen Körperstampfen hinreißen. Während Walken einen geradezu grazilen Tanz wagt mit dem Queue und den Kugeln – es ist, als öffnete sich inmitten der proletarischen Eintönigkeit ein Fenster der Utopie. Denn dass Walken ein Tänzer ist, auch in solchen Filmen, in denen er weder singt noch sich zum Rhythmus der Musik bewegt, ist vielleicht der stärkste Reiz, den seine Performances zu bieten haben: ein Körper, der zu sich selbst ein gefährliches erotisches Verhältnis zu haben scheint. Im Jahr 1981 versuchte Herbert Ross mit „Pennies from Heaven“ das Genre des Musicals zu feiern und wiederzubeleben, was beim Publikum leider nicht besonders gut ankam. Aber die Szene, in der Walken, zu Cole Porters „Let’s Misbehave“, einem Song, der eigentlich für eine Frauenstimme gedacht war, einen Striptease tanzt, ist noch mehr als vierzig Jahre danach ein Skandal. Und ein Hit bei Youtube.

Natürlich bekam Walken immer wieder das Angebot, den Wüstling, den Décadent, den Europäer zu spielen, und natürlich hat er nicht abgelehnt und war den Rollen gewachsen – auch wenn er da, wo die Filme sein Image nur auszubeuten versuchten, im Bond-Film „A View to a Kill“ zum Beispiel, unter seinen Möglichkeiten blieb. Nein, die Herausforderung seiner Präsenz, das Genie seines Spiels offenbaren sich am wirksamsten da, wo er den Amerikaner spielt, den Mann allerdings, der all das verkörpert, wonach Amerika sich sehnt und wovor es sich fürchtet, wenn es in den Spiegel schaut. Oder eben auf die Leinwand. Er ist ein Glück fürs Kino.

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