#„Mein Weg soll anderen Mut machen“
„„Mein Weg soll anderen Mut machen““
Frau Prescher, Sie leiden an einer schweren Form der Darmkrankheit Morbus Crohn. Wie äußert sich das?
Die Krankheit ist bei mir schon ziemlich früh aufgetreten, da war ich erst elf oder zwölf Jahre alt. Ich hatte damals häufig Durchfall – kein schönes Thema. Die Ärzte dachten erst, es wären Salmonellen. Dann wurde aber relativ schnell die Diagnose gestellt: Morbus Crohn, eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung. Als Teenager hatte ich zwei Schübe, die allerdings jeweils fast zwei Jahre gedauert haben. Ich habe damals ziemlich viel Gewicht verloren und musste künstlich ernährt werden, weil der Körper ja keine Nährstoffe mehr aufnehmen kann. Der zweite Schub ist so heftig und so schnell gekommen, dass letztlich keine andere Möglichkeit blieb, als den Dickdarm komplett rauszunehmen und mir einen künstlichen Darmausgang zu legen. Die Entzündung hat so stark gewuchert, dass ich sonst sehr wahrscheinlich Darmkrebs bekommen hätte.
Ein künstlicher Darmausgang ist kein Thema, über das man gerne spricht, schon gar nicht im Beruf. Warum haben Sie sich entschieden, Ihre Erkrankung öffentlich zu machen?
Ich möchte einfach zeigen, dass man auch mit einer solchen Erkrankung ein normales Leben führen und Karriere machen kann. Natürlich hatten meine Eltern früher die Sorge, dass ich womöglich ein dauerhafter Pflegefall werde, dass ich keinen Partner finde und im Job nicht richtig angenommen werde. Ich habe zum Teil sehr starke Medikamente bekommen, und die Ärzte haben meinen Eltern zeitweise wenig Hoffnung gemacht, dass ich das überstehe. Diese Sorgen waren also immer da. Sie waren für mich, glaube ich, aber auch eine Motivation: Ich wollte beweisen, dass ich trotz der Erkrankung alles tun kann, was andere auch tun. Heute, im Alter von 38 Jahren, weiß ich, was ich erreicht und geschafft habe. Mein Weg soll anderen Mut machen.
Sie waren schon früh entschlossen, sich nicht Ihrem Schicksal zu ergeben?
So ist es, ja. Ich weiß noch, vor meiner letzten großen Operation war es an der Zeit, sich für einen Ausbildungsplatz zu bewerben. Als ich schon im Krankenhaus war, trudelte die erste Einladung zu einem Vorstellungsgespräch bei einer gesetzlichen Krankenversicherung ein, das drei Tage später stattfinden sollte. Meine Eltern sagten: Du kannst auf keinen Fall dahin. Und ich habe geantwortet: Ich gehe auf jeden Fall dahin. Und wenn ihr mich nicht fahrt, nehme ich ein Taxi. Tatsächlich bin ich also für drei Stunden aus dem Krankenhaus entlassen worden. Und mit der Lehrstelle hat es geklappt.
Heute sind Sie in der Geschäftsleitung des IT-Unternehmens Bitmarck, eines Gemeinschaftsunternehmens mehrerer Krankenkassen, für die Kundenangelegenheiten zuständig. Wissen Ihre Kollegen von der Erkrankung?
Vielleicht zwei Hände voll. Wir sind 1500 Mitarbeiter, und ich habe anfangs niemandem davon erzählt, weil ich in meinem Leben früh gemerkt habe, dass die Leute sich dann schnell Sorgen machen, mich in Watte packen und mir möglichst viel abnehmen möchten. Das wollte ich nicht.
Beeinträchtigt Sie Morbus Crohn heute noch in Ihrem Arbeitsalltag?
Also ich habe jetzt seit 21 Jahren einen künstlichen Darmausgang, und seitdem habe ich keine Schübe mehr. Morbus Crohn ist nicht heilbar, gesund bin ich also nicht. Aber ich habe heute keine Beschwerden. Dienstreisen, Projekte, Arbeiten unter großem Druck: Das ist alles problemlos möglich, auch über einen längeren Zeitraum. Ich verspüre dann keine größere Müdigkeit als andere Kollegen. Ich muss mich nur gut organisieren, weil ich ja dauerhaft auf Hilfsmittel angewiesen bin, insbesondere auf die Beutel für mein Stoma, also die Öffnung in der Bauchdecke. Ich muss also immer daran denken, rechtzeitig zum Arzt zu gehen, das Rezept abzuholen und es beim Sanitätshaus einzureichen, bevor es abends schließt.
Hätten Sie selbst gedacht, dass Sie einmal so weit kommen?
Mein Ansinnen als Teenager war es nicht, die Karriereleiter hochzuklettern. Ich wusste schon sehr früh, dass mein einziges Ziel im Leben sein würde, auf eigenen Beinen zu stehen und von niemandem abhängig zu sein, sei es vom Partner oder von der Familie. Das war eine Zeitlang eben alles andere als selbstverständlich. So war ich auch oftmals skeptisch, ob ich den nächsten Schritt meiner Karriere antreten soll. Aber meine Familie, mein langjähriger Partner und mein Chef standen stets an meiner Seite. Dass in meinem Lebenslauf die Karriere jetzt noch hinzukommt und ich eine solche Funktion bekleiden kann, ist für mich natürlich ein großes Glück.
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