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#„Menschliche Antwort auf diesen unmenschlichen Krieg“

„„Menschliche Antwort auf diesen unmenschlichen Krieg““

Herr Kunert, Sie sind eigentlich Geschäftsführer von elinor, einer Solidarplattform, die zum Beispiel Gruppenkonten für Umweltgruppen, Schulklassen anbietet. Vor knapp zwei Wochen haben Sie die Aktion „Unterkunft Ukraine“ ins Leben gerufen, die vorübergehende Privatunterkünfte an Menschen auf der Flucht vermittelt. Wie entstand die Idee?

Julia Anton

Redakteurin im Ressort Gesellschaft bei FAZ.NET

Die Idee entstand noch am Tag des Angriffs. Unser Vormittag war von Entsetzen und Schockstarre in der Familie geprägt: Meine Frau kommt aus Russland, wir haben uns in der Ukraine kennengelernt. Zuerst haben wir mit unserer Familie gesprochen, Teile leben in der Ukraine, in Moldau oder in Russland. Mittags war klar: Wir müssen was tun. In dem Moment rief mein Kollege und Mitgründer Falk Zientz an, und schlug vor, Unterkünfte für Menschen aus der Ukraine zu organisieren. Nur zehn Stunden später waren wir mit unserer Plattform live.

Inzwischen wurden Ihnen mehr als 270.000 Betten angeboten. Haben Sie mit so einer Resonanz gerechnet?

Wir sind völlig überwältigt. So eine große Reichweite haben wir bei elinor eigentlich nicht. Trotzdem hat sich unser Angebot in den sozialen Netzwerken wahnsinnig schnell verbreitet. Ich glaube, dass wir auf der menschlichen Ebene etwas berührt haben – nämlich anderen helfen zu wollen. Vielen ging es wie uns selbst: Erstmal das große Entsetzen, und dann die große Frage: Welchen Beitrag kann ich leisten? Eine Unterkunftsmöglichkeit anzubieten hat da etwas sehr Praktisches – und ist eine menschliche Antwort auf diesen unmenschlichen Krieg. Für mich liegt darin eine große Hoffnung, dass wir als Gesellschaft etwas leisten können.

Initiator von „Unterkunft Ukraine“: Lukas Kunert


Initiator von „Unterkunft Ukraine“: Lukas Kunert
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Bild: privat

Was für Unterkünfte werden bei Ihnen angeboten?

Da ist alles dabei: Von der Couch im Wohnzimmer bis zum kleinen Zimmer und ganzen Appartements, die sonst als Ferienwohnungen genutzt werden. Noch mehr als die Zahl der zusammengekommen Betten beeindruckt mich die Zahl dahinter: Die 120.000 Menschen, die sie anbieten und somit ihre Tür mit der Geste öffnen: „Du bist willkommen, ich nehme dich in dieser Notsituation auf.“ Da ist es gar nicht so wichtig, wie luxuriös eine Unterkunft ist. Für mich ist es diese Geste, die da zur Tat wird. Seinen Wohnraum zu teilen ist immer auch eine Herausforderung, mit der man verantwortungsvoll umgehen muss.

Wie vielen Menschen konnten Sie schon eine Unterkunft vermitteln?

Wir konnten bereits einige Tausend unterbringen. Das Feedback ist bislang durchweg positiv. Die Bandbreite reicht von einer älteren Dame, die eine Unterkunft suchte, bis zu einer zwölfköpfigen Familie, die wir gemeinsam unterbringen konnten. Das freut mich besonders. Die Familie ist der letzte Schutzraum, mit dem sie gereist sind. Wenn der nach der Ankunft nicht auseinander gerissen wird, sondern alle zusammen bleiben können, ist das eine große Entlastung. Die Oma kann bei den Enkelkindern bleiben und mit ihnen spielen, während die Mama sich mal ausruhen kann. Das ist der Vorteil von diesen familiären, privaten Unterkunftsmöglichkeiten: Solche kleinen Schutzräume können erhalten bleiben und gehen nicht in den großen Massenunterkünften verloren.

Wie läuft der Vermittlungsprozess ab?

Er entwickelt sich stetig. Am ersten Tag haben wir die Vermittlungen noch händisch organisiert. Jetzt ist es ein semitechnischer Prozess: Wir sichten alles und rufen diejenigen, die eine Unterkunft anbieten, nochmal an, bevor es automatisiert weiter geht. In den nächsten Tagen und Wochen soll das Verfahren aber weiter automatisiert werden. Die Herausforderung für die nächsten Wochen wird sein, dass unsere Plattform nicht nur für einen Sprint geeignet ist, sondern für einen Dauerlauf.

Wie blicken Sie auf die nächsten Wochen?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass immer mehr Menschen hier in Deutschland ankommen werden. Wir haben schon jetzt Tausende weitere Anfragen vorliegen und sind dabei, den sich dynamischen entwickelnden Zahlen Herr zu werden. Aber wir werden sicherlich auch gefordert sein, diese Energie und Unterstützungsbereitschaft, die wir den in den vergangenen zwei Wochen erlebt haben, aufrecht zu erhalten. Bei „Unterkunft Ukraine“ arbeiten gerade Unternehmen, NGOs und Einzelpersonen, die uns als freiwillige Helfer unterstützen zusammen. In der jetzigen Situation kommt es drauf an, diese Synergien zu nutzen – nur so können wir die anstehenden Herausforderungen meistern.

Welche persönlichen Erfahrungen verbinden Sie mit der Ukraine?

Eine riesige Gastfreundschaft. Ich bin einmal per Anhalter von Sankt Petersburg auf die Krim gereist. Unterwegs sind wir bei vielen Menschen privat untergekommen, die angeboten haben, dass wir bei ihnen übernachten können.

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