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#Mike Kelley Ausstellung Düsseldorf: Heavy Metal und weiche Tiere

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Watterauch-Gespensterplasma und Supermans Heimat in Flaschen: Im Düsseldorfer K21-Gebäude der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen spukt eigensinnig eine große Werkschau des Künstlers Mike Kelley.

Wer in einem Superman­-Comic-Heft heute noch einmal die oft erzählte trau­­rige Vorgeschichte des berühmten Helden (Waisenkind! Flüchtling!) so darstellen will, dass sie das Pu­blikum zu Tränen rührt, darf dabei nicht selbst weinen, sonst verschwimmt die rührende Botschaft. Der 1954 in der Vorstadt von Detroit geborene Künstler Mike Kelley, der zur Figur Superman eine sehr komplizierte Beziehung unterhielt, hat oft Stoffe bearbeitet, die ähn­liche Gefahren bergen, nämlich mindestens zum Heulen sind, wenn nicht zum Verzweifeln.

Laienpsychologische Vermutungen über seine Motive dabei nahm er, wenn sie von außen, also von Publikum oder Kritik, an ihn herangetragen wurden, zur Kenntnis – und arbeitete sie ästhetisch durch, für die je nächste Werk­phase. In Düsseldorf kann man jetzt im Keller des K21-Baus der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen einen Querschnitt der Resultate dieser Arbeitsweise er­leben.

Von der Müllkippe gerettet

Kelleys bekannteste Gesichter ge­hören Kuscheltieren. Die hat er vor der Müllkippe gerettet, wo sie sonst verschimmelt wären: Häschen, Bienchen, zarte Undefinierbarlein, leicht verschmutzt, bunt, mit liebebedürftigem Blick und dem scheuen Lächeln genügsamer Geringverdiener. Viele dieser Puppen wurden von längst vergessenen Eltern gebastelt, die sich keine Markenplüschfreunde für ihre Kinder leisten konnten. Eine berühmte Fotoserie von Aufnahmen der Fundstücke, ergänzt um Kelleys eigenen Kopf, heißt „Ahh . . . Youth!“. Sie lag 1992 dem Album „Dirty“ der Rockband Sonic Youth bei, deren Köpfe damals eine Selbstbefragungsmusik der Jugend- und Gegenkultur erfanden, anregend vor allem für Jüngere (die Leute in der Band waren im Schnitt Kinder der mittleren Fünfzigerjahre), die während der Neunziger mit einer Verengung der in ihrer Elterngeneration noch bestehenden Aussichten auf soziale Mobilität klarkommen mussten.

Detail aus Mike Kelleys Fotoserie „Ahh . . .Youth!“


Detail aus Mike Kelleys Fotoserie „Ahh . . .Youth!“
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Bild: Mike Kelley Foundation for the Arts/VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Auch Mike Kelley war gewissermaßen eine Band, deren Grundpositionen allerdings nicht Gitarre, Bass, Schlagzeug und Gesang hießen, sondern Rausch, Trauer, Witz und Grusel. Starke Hits aus dieser Quelle reiht die Düsseldorfer Auswahl aneinander wie Kelley einst seine Stoffdackel, die auch hier wieder, Schnauze an Popo, leicht deplatziert in ihrem Häkeldeckenambiente herumstehen. Wahrscheinlich hören sie mit großen Ohren dauernd die angefaulten Stimmen, die anderswo in der Schau aus einem schwebenden Silberfolienball von farbigen ­Erlebnissen beim Entführtwerden durch Außerirdische lallen.

Man muss, wenn man Kelley kennenlernen will, bereit sein, allerlei Spuk zuzulassen, wie er zum Beispiel als Watterauch-Gespensterplasma auf einem bekannten Kelley-Bildmotiv in den Nasen- und Ohröffnungen des Künstlers herumbohrt, leiblich allemal lästiger als die Tapetenmuster-Esoterik des Frühmoder­nis­mus. Urteile wie „kindisch“ oder „pubertär“ kratzen oft und mit Eifer an Kelleys Welt der rituellen Affenarsch- Un­ter­suchungen und Porno-Pannen-Performances. Seine Entgegnung auf diese Art Anfechtung ist wohl das Plakative optischer Zumutungen als solcher, wie auf den textilgewordenen Alkoholfahnen, die in Düsseldorf einen Durchgang schmücken – ein Königspenis mit Auge in der Eichel, ein wächsern zerschmolzenes Leidensgesicht, das sichtlich mehr ­Drogen kennt als die Apotheke, ein Kleeblatt namens 13, das den Aberglauben als solchen feiert, und endlich ein Teufel namens Mike Kelley mit Heavy-Metal-Typo-Pünktchen über ­jedem „e“ des Namens. Die Fahnen-Arbeit riecht auch insgesamt nach Heavy Metal und heißt daher so ähnlich, nämlich „Pansy Metal/Clovered Hoof“.

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