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#Mit Bollywood hat das nichts zu tun

Mit Bollywood hat das nichts zu tun

Warum drehen die Hühner in ihrem Käfig nicht durch? Sie riechen doch das Blut ihrer Artgenossen, die an indischen Marktständen gleich vor dem Käfig geschlachtet werden. Warum warten die Tiere ergeben auf das Messer? Balram Halwai, ein ungewöhnlich pfiffiger Dorfjunge aus niederer Kaste, so selten wie ein weißer Tiger, ahnt die Antwort: Sie haben verlernt, dass Auflehnung möglich ist. So funktioniere sein ganzes Land: Dienstboten, die sich ausbeuten lassen, weil sie nichts anderes kennen. Für Verstöße gegen diese uralte Regel werden ihre Familien bestraft. Balram weiß nicht, was Nietzsche Zwielichtiges zur „Sklavenmoral“ geschrieben hat – der ressentimentgeladene Blick der Schwachen auf die Starken, deren Stärke sie für die eigene Situation verantwortlich machen und deshalb als böse diskreditieren –, aber er weiß, dass es darauf ankommt, sie zu verwandeln: in eine Herrenmoral. Das ist ihm jeden Preis wert. Und es ist, kaum zu glauben, zum Brüllen komisch.

„Der weiße Tiger“, Aravind Adigas Schelmenroman über den Raubtierkapitalismus, der 2008 den Man Booker Prize gewann, ist ein literarisch kraftvoller Frontalangriff nicht nur auf die indische Gesellschaft, sondern auch auf alle gefühlige Mitleidsprosa, um die er – furios lustig und konsequent amoralisch – einen doppelten Bogen macht. Es geht um Selbstermächtigung, die ein listenreicher Protagonist in aller Härte vorführt. Der Witz speist sich oft aus Verachtung, die sich in alle Richtungen erstreckt. Und wo gute Intentionen am Werk scheinen, wird es oft besonders finster. Wie leicht hätte dieser Antiheld, der Moral gegen Stärke tauscht, auch wenn der „Verrat“ für seine gehassliebte Familie wohl den Untergang bedeutet, in der Verfilmung zum Bollywood-Felix-Krull mutieren können, zu einem Dandy, der die dekadente Oberklasse frech an der Nase herumführt. Ebenso zu befürchten war ein engagiertes Kitsch-Märchen im Stil von „Slumdog Millionaire“ (ebenfalls 2008).

Dem Ton des Romans so nah, wie nur möglich

Was der amerikanische Filmemacher Ramin Bahrani (Regie und Buch) nun für Netflix abgeliefert hat, ist jedoch ein Triumph. Sein Film kommt dem Geist und dem Ton des Romans so nah, wie es nur möglich war. Dabei spielt auch die Entscheidung für authentische Settings eine wichtige Rolle. Wir sehen ein ungeschöntes, zwar buntes, aber vor allem schmutziges, chaotisches, düsteres, herzloses, bis ins Mark korruptes und andererseits geschmacklos reiches Indien, mit dem die im Westen so beliebten Idealisierungen kaum etwas zu tun haben. Der Hinduismus etwa kommt nur am Rande vor, und dann in problematischer Zuspitzung: Der „Storch“ (Mahesh Manjrekar) – der reichste Mann aus Balrams Gegend und nach dessen geschickter Selbstvermarktung sein Arbeitgeber – hasst Muslime, was der Protagonist ausnutzt, um den ranghöheren Fahrer, der heimlich zu Allah betet, gnadenlos abzuservieren. Balram lernt schnell: Empathie ist Schwäche. Und doch hat Bahranis Film nichts von einer Sozialreportage, denn die im Widerspruch zum sozialdarwinistischen Kampf stehende rasante komödiantische Inszenierung – lakonisch vom Protagonisten aus dem Off erzählt zu flotter Bhangra-Tanzmusik von, klar, Panjabi MC – sorgt für das nötige Maß an Verfremdung.

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