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#Mit Rhythm & Blues gegen Medien und Wissenschaft

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Mit Rhythm & Blues gegen Medien und Wissenschaft

Joe Smith war ein amerikanischer Musik-Manager, der in seinem Leben drei großen Schallplattenfirmen vorstand und es einst geschafft hat, als bereits älterer Herr in dunkelblauem Tuch, weißem Hemd und mit passender Krawatte die zugedröhnten Grateful Dead unter Vertrag zu nehmen, die genau nach so einem verlässlichen Spießer gesucht hatten, weil der durch und durch gebatikte Vater des Schlagzeugers mit dem gesamten Geld der Band durchgebrannt zu sein schien. Joe Smith war also wenig fremd, was im exzentrischen Pop-Business so vorgeht, und doch staunte er nicht schlecht, als ihn der nordirische Sänger Van Morrison nach langen Jahren der Bekanntschaft nur inkognito in einem Londoner Hotel treffen wollte. Morrison erschien mit tief ins Gesicht gezogener Mütze, hochgestelltem Kragen und Sonnenbrille, strich erst einmal in seinem Geheimagentenglanz durch die anonyme Lobby und wollte dann als Mr. Johnson angesprochen werden, bevor man aufs Zimmer ging.

Es ist also keineswegs die ganz große Erkenntnis, dass dem heute fünfundsiebzigjährigen Van the Man das eine oder andere Rad am Rollator fehlt. Dass er Journalisten verabscheut, dass er Verschwörungstheorien liebt, dass er sich spirituellen Erfahrungen aussetzt, die nicht jedem guttun, dass er grantelt und nörgelt und mit kaum zu überbietendem Bierernst auf den Rest der Welt einschimpft, der seine Sicht der unsichtbaren Dinge nicht teilen mag. Doch seit Beginn der Pandemie ist aus dem spitznäsigen Nerver doch ein schwer erträglicher Querdenkerich geworden, der mit diversen Veröffentlichungen die Strippenzieher einer Weltverschwörung und deren Lakaien, die Medien und Wissenschaftler, attackiert und sie durch Rhythm & Blues-getriebenes Raunen bloßstellen will.

Sound gewordene Prämoderne

Und nun erscheint auch noch ein Doppelalbum, das einen Spagat versucht zwischen Herzschmerz und Weltschmerz, zwischen Liebeskummer und Ekel vor den nachkommenden Generationen: „Stop Bitching, Do Something“ heißt es da, und die Nachkommen der rockenden Revoluzzer müssen sich fragen lassen „Where Have All the Rebels Gone?“, eine Frage, die Van Morrison ein paar Lieder später selbst beantwortet mit einer weiteren Frage: „Why Are You On Facebook?“ Zeitgleich mit den marodierenden Teenagern in seiner Heimatstadt Belfast, den Straßenkampf-ähnlichen Demonstrationen der „Black Lives Matter“-Bewegung in Amerika oder den Unruhen in Myanmar oder Belarus verortet Van Morrison also alles, was jünger ist als er, festgeleimt hinter dem Handy-Bildschirm, den Machinationen einer digitalen Geheimgesellschaft ausgeliefert.

Doch zeichnet es Pop aus, nicht nur für Widerspruch und Widersprüchlichkeiten zu sorgen, sondern diese betont gelassen auszuhalten. Und auch dafür kann das demnächst erscheinende „Latest Record Project Volume 1“ (BMG/Warner Music) ein gutes Beispiel sein. Die 28 Songs, die meisten davon neu, ein paar Gassenhauer wie „It Hurts Me Too“ darunter sowie zwei herausragende Lieder des Musical-Komponisten und Texters Don Black, erscheinen einem beim ersten Hören als wohlbekanntes Morrison-Material, wie er es seit langer Zeit pflegt, eine Sound gewordene Prämoderne, in der das County Down und Belfast von Geisterhand an den Mississippi verfrachtet worden sind und nun denselben Platz einnehmen wie die historischen Geburtsstätten der Popmusik, Memphis und New Orleans. Doch mit jedem neuen Zuhören wachsen die meisten dieser Lieder – aber nicht der katastrophal gescheiterte Versuch Morrisons in Sachen Ironie „Latest Record Project“! – über ihre manchmal kargen, manchmal dummen Texte hinaus.

Was eben noch altbacken schien, ist dann doch vielleicht klassisch. Der Background-Chor lässt einen auf die Knie sinken. So ziemlich jedes Solo von Gitarre über Saxophon bis Mundharmonika ist überaus kunstvoll, ist exemplarisch abgespeckt und von lehrbuchhafter Richtigkeit, so dass man schließlich bereit ist, Van Morrison auch diese Übung in Sachen Unausstehlichkeit nachzusehen. Wenn er jetzt auch noch ab und an mit einem Hauch von Selbstironie sänge und nicht jeden Ton von der Kanzel der Selbstgerechtigkeit auf uns schleuderte… Aber das ist dann wohl zu viel verlangt. „No Good Deed Goes Unpunished“ lernen wir von Morrison. So sieht er die Welt, tue Gutes und leide darunter, und wir, seine Fans, wir, die wir kritisch über ihn berichten, wir werden ihn nicht mehr ändern. Im Guten wie im Schlechten: ein neues Album von Van Morrison.

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