Wissenschaft

#Molekularer Mechanismus der Befruchtung entschlüsselt

Was passiert, wenn ein Spermium auf eine Eizelle trifft? Diese Dynamik hat ein Forschungsteam erstmals sichtbar gemacht. Die Simulationen zeigen, wie die beiden Keimzellen Kontakt knüpfen, verschmelzen und weitere Spermien abwehren. Demnach werden nach der Befruchtung Zink-Ionen freigesetzt, wodurch sich ein Protein auf der Spermienoberfläche verändert und nicht mehr an die Oberfläche der Eizelle binden kann. Mit dem Wissen um diese molekularen Mechanismen könnten nun neue Medikamente entwickelt werden, um Unfruchtbarkeit zu behandeln oder um zu verhüten.

Bei der Befruchtung dringt ein Spermium in eine Eizelle ein. Dieser vermeintlich simple Prozess ist auf molekularer Ebene hochkomplex und dynamisch. Die unzähligen Interaktionen, die zwischen den beteiligten Proteinen der beiden menschlichen Keimzellen ablaufen, kann bislang kein Mikroskop abbilden. Auch anhand von kristallinen Proteinstrukturen oder Laborexperimenten sind diese winzigen Bewegungen nicht eindeutig erkennbar. Was genau den Befruchtungsprozess auslöst und was kurz vor und nach der Verschmelzung von Spermium und Eizelle passiert, blieb daher bisher im Dunkeln.

Proteinkontakt macht den Weg frei

Ein Forschungsteam um Paulina Pacak von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich hat die Dynamik dieser Prozesse nun erstmals sichtbar gemacht. Dafür nutzten die Forscherinnen Computersimulationen auf einem Hochleistungsrechner. Insbesondere simulierten sie die Interaktionen zwischen dem Protein Juno, das auf der weiblichen Eizelle sitzt, und dem Protein Izumo1 auf der Oberfläche des männlichen Spermiums. Diese Proteine stellen die erste physische Verbindung zwischen den beiden Keimzellen her. Um eine realitätsnahe Umgebung im Computerexperiment herzustellen, simulierten die Forscherinnen die beiden Proteine erstmals auch in einer wässrigen Lösung, in der sich die Proteine anders verhalten als ohne Wechselwirkungen mit Wassermolekülen.

Grafische Darstellung der Methodik
Mit hochauflösenden Simulationen haben Forscherinnen sichtbar gemacht, was zwischen den zwei Proteinen auf der Eizelle und dem Spermium kurz vor der Befruchtung passieren muss, um die Verschmelzung erfolgreich einzuleiten. © Grafik: Forschungsgruppe Viola Vogel / ETH Zürich

„So ergeben die Simulationen ein detaillierteres Bild der Dynamik der Interaktionen“, sagt Seniorautorin Viola Vogel von der ETH Zürich. Die Analysen zeigten, dass der Juno-Izumo1-Komplex durch bis zu 35 kurzlebige Kontaktstellen zwischen den beiden Proteinen stabilisiert wird, die jeweils nur weniger als 50 Nanosekunden halten. Damit konnten die Forscherinnen zeigen, wie der für die Befruchtung notwendige Kontakt zwischen Spermium und Eizelle hergestellt wird. Unterstützt wird dieser Kontakt möglicherweise durch Folate und Folsäuren, die an das Juno-Protein binden. Denn die Simulationen zeigten, dass Folat nur dann in die Bindungsstelle von Juno gelangen kann, wenn Juno gleichzeitig auch an Izumo1 gebunden ist.

Zink-Ionen als „Ablöser“

Anschließend untersuchten Pacak und ihre Kolleginnen, wie diese Proteinbindungen nach der Verschmelzung wieder destabilisiert werden. Dafür spielen Zink-Ionen (Zn2+) eine wichtige Rolle, die von der Eizelle direkt nach der Befruchtung freigesetzt werden, wie die Simulationen ergaben. Sind diese Ionen anwesend, verbiegt sich Izumo1 zu einer Art Boomerang-Form. Infolgedessen kann Izumo1 nicht mehr an das Protein Juno binden, löst sich wieder ab und macht Platz für die weitere Verschmelzung der Keimzellen. Zugleich verhindert die Eizelle damit, dass weitere Spermien eindringen und eine Fehlentwicklung bewirken, wie die Forscherinnen berichten.

Mit den Simulationen sei es gelungen, wichtige Geheimnisse der Befruchtung zu lüften, schreiben die Forscherinnen. Die Entdeckungen sind nicht nur von grundlegendem Interesse für die Strukturbiologie, sie liefern auch detaillierte Ansätze für die Entwicklung neuer Wirkstoffe, sagen Pacak und ihre Kolleginnen. Das entschlüsselte Zusammenspiel der Proteine Juno und Izumo1 könnte demnach neue Wege aufzeigen, um nicht-hormonelle Verhütungsmittel zu entwickeln, Unfruchtbarkeit zu behandeln und die In-vitro-Fertilisationstechnik zu verbessern.

Quelle: Paulina Pacak (ETH Zürich) et al., Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-023-46835-0

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