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#Die sieben Leben der Globalisierung

„Die sieben Leben der Globalisierung“

Kein Land, keine Region ist in wirtschaftlicher Hinsicht eine Insel. Seit dem Zusammenbruch des Sozialismus und dem Eintritt ehemals sozialistischer Länder in die internationale Arbeitsteilung haben sich die wirtschaftlichen Verflechtungen intensiviert. Gleichzeitig haben sich die Handelsketten in dieser Zeit mehrfach verändert.

Zwischen dem Eintritt der ehemals sozialistischen Länder, allen voran China, zu Beginn der neunziger Jahre und dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahre 2008 ließ sich eine erhebliche Diversifizierung im Welthandel beobachten: Viele Unternehmen nutzten die Chancen, die sich aus der Öffnung ehemals verschlossener Märkte ergaben. Seit dem Jahre 2008 fand eine Gegenbewegung hin zu einer sehr viel stärkeren Konzentration des internationalen Handels statt. Die aktuellen Diskussionen über eine größere Diversifizierung von Handelsketten dürfen daher weder als Bruch mit ehernen Prinzipien der Globalisierung noch als eine Gefahr für die Globalisierung verstanden werden. Auch in der Vergangenheit waren Handelsketten keine statischen Konstrukte. Angebrachter wäre es wohl, von einer weiteren Trendumkehr im internationalen Handel zu sprechen.

Nach Analysen des McKinsey Global Institute finden heute noch rund 60 Prozent des Welthandels in diversifizierten Märkten statt. Darunter befinden sich die immer noch wachsenden Märkte für Dienstleistungen und immaterielles Kapital wie Investitionen in Patente, Ausbildung von Mitarbeitern und Software. Immerhin 40 Prozent finden in Märkten mit einer hohen Konzentration statt. Als konzentrierte Märkte bezeichnet das Institut Handelsstrukturen, in denen sich ein Land auf höchstens drei Lieferanten stützt. „China exportiert mehr als 60 Prozent der am meisten konzentrierten Produkte in den Branchen Elektronik und Textilien. Die Region Asien-Pazifik trägt überdurchschnittlich zu Exporten in konzentrierten Märkten für Rohstoffe bei“, heißt es in der Analyse.

Fragmentierung ist kein neues Phänomen

Diese Abhängigkeiten sind jedoch kein Schicksal. „Drei Viertel dieser Konzentration ist das Ergebnis wirtschaftlicher Wahlhandlungen“, schreiben die Experten von McKinsey. „In diesen Fällen, die 30 Prozent des Welthandels ausmachen, beziehen einzelne Länder Produkte von nur wenigen anderen Nationen, obgleich das globale Angebot eine Diversifizierung erlaubte.“ Viele Abhängigkeiten lassen sich verringern; zahlreiche Unternehmen treibt längst die Suche nach neuen Beschaffungs- und Absatzmärkten um.

Nachhaltigen Veränderungen unterliegt der politische Rahmen, innerhalb dessen die Globalisierung stattfindet. Mit dem Ende der amerikanischen Dominanz leidet die wesentlich von den Vereinigten Staaten beeinflusste geprägte multilaterale, durch Organisationen wie die Welthandelsorganisation und den Internationalen Währungsfonds geprägte Handelsordnung. Freilich war diese Ordnung nie so pur und perfekt, wie sie im Nachhinein wirken mag. Fragmentierung ist kein neues Phänomen; sie begleitet die Globalisierung seit Jahrzehnten: Selbst zwischen Demokratien scheiterten in der Vergangenheit Freihandelsabkommen; TTIP bildet das wohl bekannteste Beispiel. Freihandel lässt sich bei beiderseits gutem Willen aber auch durch bilaterale Abkommen festschreiben.

Die aufgeregte Beschwörung einer drohenden Fragmentierung der Welt in Davos lässt sich als ein Appell an die – in Davos nicht sehr prominent vertretenen – Machthaber in Washington und Peking verstehen, über ihren geostrategischen Differenzen den Welthandel nicht zu sehr leiden zu lassen. Besonders in Asien beherrscht dieses Thema viele Diskussionen in Politik und Wirtschaft. Nach Schätzungen der Welthandelsorganisation könnte eine nachhaltige Störung der globalen Handelsketten die ärmeren Länder wirtschaftlich sehr viel stärker treffen als die reichen Nationen.

Russlands Bedeutung sollte nicht überschätzt werden

In einem aktuellen Blog erinnert der Internationale Währungsfonds an die segensreichen Ergebnisse der Globalisierung: „Die wirtschaftliche Integration hat Milliarden Menschen geholfen, reicher, gesünder und gebildeter zu werden. Seit dem Ende des Kalten Kriegs hat sich die Größe der Weltwirtschaft nahezu verdreifacht und nahezu eineinhalb Milliarden Menschen konnten extremer Armut entfliehen. Diese Friedens- und Kooperationsdividende sollten nicht verschleudert werden.“

Unbestreitbar haben der protektionistische Dialog ebenso wie konkret verhängte Beschränkungen freien Handels – die es, wie erwähnt – auch früher schon gegeben hat, in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Aber die Frage stellt sich, ob hierfür nicht Sonderereignisse wie die Pandemie wesentlich verantwortlich waren. „Seit dem Ausbruch der Pandemie haben sich die Erwähnungen von ‚reshoring‘, ‚onshoring‘ und ‚near-shoring‘ in Präsentationen und Unternehmensergebnissen nahezu verzehnfacht“, hat der Internationale Währungsfonds beobachtet. „Das Risiko besteht, dass im Namen wirtschaftlicher oder politischer Sicherheit verhängte politische Entscheidungen nicht beabsichtigte Folgen haben oder dass sie absichtlich genutzt werden, wirtschaftliche Gewinne auf Kosten anderer zu erzielen.“

Russlands imperialistischer Krieg gegen die Ukraine befördert heute Debatten über Geoökonomie und Geostrategie, auch wenn die wirtschaftliche Bedeutung Russlands für die Weltwirtschaft nicht überschätzt werden darf.

So aufgeregt der öffentliche Diskurs auch in Davos war: Hinter verschlossenen Türen zeigten sich zahlreiche Teilnehmer aus der Wirtschaft davon überzeugt, dass die wirtschaftlichen Kosten einer tiefgreifenden Beschädigung der Globalisierung für Washington und für Peking zu groß wären. Denn kein Land ist eine Insel und kein protektionistisches Programm zur Förderung einzelner nationaler Wirtschaftszweige garantiert eine segensreiche Autarkie. Wer Klimaschutz als eine globale Aufgabe versteht, kann sich nicht einem globalen Transfer von Technologie und Wissen versagen. Was die Weltwirtschaft angeht, so wird sie auch in Zukunft verflochten bleiben.

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