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#John McWhorters Buch „Die Erwählten“

„John McWhorters Buch „Die Erwählten““

Die Kritik der Identitätspolitik ist mittlerweile zu einem eigenen Genre geworden. Das Buch von John McWhorter fügt ihm an Argumenten nichts hinzu. Eine Ideologie, die ausgerechnet im Namen des Antirassismus-Kampfes die Welt wieder in Schwarz und Weiß, Gut und Böse einteilt und jedem einredet, dem Schicksal seiner Hautfarbe nie entrinnen zu können, ist ja auch leicht zu entzaubern. Aber es gibt wohl keinen zweiten Autor, der dieser Position so entwaffnend respektlos entgegengetreten wäre.

Der amerikanische Journalist und Hochschuldozent betrachtet den Antirassismus in seiner ideologischen oder woken Ausprägung als Religion und hält es für zwecklos, die Mitglieder dieser Kirche, die er die Erwählten nennt, mit Argumenten überzeugen zu wollen. Das klingt überspitzt, ist aber nur konsequent: Welchen Sinn sollte es haben, sich mit Leuten, für die verletzte Gefühle und Hautfarben jedes Argument ausstechen, rational zu verständigen?

In der Rolle des passiven Opfers

Bei der sicher nicht erschöpfenden religiösen Analogie kann sich McWhorter auf Motive wie die Erbsünde berufen. Den Oberpriestern des neuen Klerus wie Ibram X. Kendi oder Robin DiAngelo zufolge ist Weißsein ganz unabhängig vom individuellen Handeln ein Makel, der nie wieder gutgemacht werden kann und wohl auch nie wieder gutgemacht werden soll, schließlich schlägt die Bewegung ihr Kapital daraus, andere in ständigem Schuldbewusstsein zu halten. Eine Art Ablass ist nur dem gewährt, der seine Bußbereitschaft zur Schau stellt. Nimmt man die religiöse Analogie ernst, ist diese transzendenzlose Religion nicht besonders attraktiv. Der eigentliche Reiz besteht in der sozialen Distinktion.

John McWhorter: „Die Erwählten“. Wie der neue Antirassismus die Gesellschaft spaltet.


John McWhorter: „Die Erwählten“. Wie der neue Antirassismus die Gesellschaft spaltet.
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Bild: Hoffmann und Campe Verlag

Der ideologische Antirassismus ist für den Autor das Gegenteil von echtem Antirassismus. Es gehe seinen Anhängern nicht um Solidarität mit Außenseitern, sondern um die Zurschaustellung der eigenen Moral. McWhorter nennt ihn sogar eine Form des Rassismus, der schwarzen Menschen mehr schade als nutze. Er dränge sie in die Rolle des passiven Opfers einer rassistischen Gesellschaft und rede ihnen jede Initiative und Verantwortungsbereitschaft aus. Er lehre sie, sich nicht als Individuum, sondern als Mitglied einer Gruppe zu verstehen, die durch ihre Umwelt zum Scheitern verdammt ist. Was schwarzen Menschen übrig bleibe, ist Bücher über ihre Identität und den ubiquitären Rassismus, dem sie ausgesetzt seien, zu schreiben.

McWhorter schreibt, dass bei der Zurschaustellung des eigenen Opferstatus oft übertrieben werde. Selbst dunkelhäutig, schöpft er dabei aus eigener Erfahrung. Es gibt für ihn aber noch einen weiteren wichtigen Grund, sich dieser Ideologie zu verweigern: Es verstelle den Blick auf die Wirklichkeit, wenn alles auf das Motiv der Rasse reduziert werde. Sozialer Fortschritt sei davon nicht zu erwarten.

Die Lust an der Unterwerfung

Ein Moment, dem der Autor zu wenig Aufmerksamkeit widmet, ist die Bedeutung der „antirassistischen“ Moral für den gesellschaftlichen Positionskampf. Auch hierzulande ist es beliebt geworden, sich auf Podien und in Büchern öffentlichkeitswirksam über die eigene Unsichtbarkeit zu beschweren oder Kontrahenten im beruflichen Wettbewerb aus dem Weg zu räumen, indem man ihnen Rassismus anhängt.

Man kann sich wundern, dass dieses gegenaufklärerische Denken über esoterische Kreise hinaus so großen Anklang findet und auf dem besten Weg ist, auch Europa zu erobern. Die tiefere Erklärung dafür bleibt der Autor schuldig. Er beschränkt sich auf den Hinweis, eine säkulare, von den großen Ideologien des zwanzigsten Jahrhunderts ernüchterte Menschheit habe Bedarf an neuen Erlösern.

Der ideologische „Antirassismus“ ist dem Autor nach keine harmlose Bewegung. Sie wolle ihre Gegner vernichten oder ihnen mindestens den Arbeitsplatz streitig machen. McWhorter ermisst ihren Einfluss beispielsweise an den ­Zeilen, die Ta-Nehisi Coates, einer ihrer bekanntesten Vertreter, nach dem 11. September 2001 zu Papier brachte: Er empfinde keine Mitgefühl für die weißen Polizisten und Feuerwehrmänner, die bei den Bergungsarbeiten starben, schrieb der Schriftsteller sinngemäß, all diese Leute, die ihn vorher permanent bedroht hätten. Feuerwehrmänner? Hier zeigte sich das ideologische Moment der Bewegung: die Weigerung, andere als Individuen wahrzunehmen, die Empathie verdienen. Coates wurde schon damals für seine Worte nicht kritisiert, sondern gefeiert. Tatsächlich gibt es eine große Bereitschaft, derartige Aggressionen zu akzeptieren oder lächelnd zu übersehen. John McWhorter hält das für einen Fehler. Man dürfe schon die Prämissen der antirassistischen Ideologie nicht akzeptieren. Sie setze auf die Angst vor der öffentlichen Bloßstellung, die Bereitschaft, sich klein zu machen, und die Lust an der Unterwerfung. Ganze Fakultäten renommierter Universitäten sind dem schon nachgekommen. Von McWhorter kann man lernen, wie man es besser macht.

John McWhorter: „Die Erwählten“. Wie der neue Antirassismus die Gesellschaft spaltet. Aus dem Englischen von Kirsten Riesselmann. Hoffmann & Campe Verlag, Hamburg 2022. 256 S., geb., 23,– €.

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