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#Nationalistische Rhetorik fördert rechte Parteien

Um Wählerstimmen von rechten Parteien zurückzugewinnen, greifen manche etablierten Parteien rechte Narrative auf und integrieren nationalistische Forderungen in ihr Wahlprogramm. Doch diese Taktik könnte das Gegenteil des gewünschten Effekts haben. Darauf deutet nun eine Studie hin, die Umfragedaten, Wahlprogramme und Wahlergebnisse aus 26 europäischen Ländern von 1995 bis 2020 analysiert hat. Demnach haben zwar viele Menschen nationalistische Einstellungen, wählen aber normalerweise keine rechtsextreme Partei. Wenn jedoch auch etablierte Parteien deren Narrative verbreiten, wird das nationalistische Konzept stärker aktiviert, was den Rechtsextremen zusätzliche Stimmen einbringt.

Welche Voraussetzungen muss eine Person erfüllen, um wirklich „deutsch“ zu sein? Muss sie in Deutschland geboren sein? Den größten Teil ihres Lebens in Deutschland verbracht haben? Die deutsche Sprache beherrschen? Sich der deutschen Kultur zugehörig fühlen? Und was ist mit der Herkunft der Eltern? Mit Fragen wie diesen erheben Forschende, wie Befragte Nationalität definieren. Studien haben gezeigt, dass Menschen, die besonders hohe Hürden für die Zugehörigkeit zu einer Nation anlegen, oft eher nationalistisch eingestellt sind und eine harte Einwanderungspolitik befürworten. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass sie rechte Parteien wählen, selbst wenn diese den stärksten Fokus auf Nationalismus und strenge Regeln zur Einwanderung legen.

„Obwohl viele Menschen in Europa ein ausgrenzendes Verständnis von nationaler Identität haben, wählen in den meisten europäischen Ländern relativ wenige Menschen extrem rechte Parteien“, schreiben Antonia May vom Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften in Köln und Christian Czymara von der Universität Tel Aviv in Israel. In ihrer Studie haben sie untersucht, wie eine nationalistische Einstellung mit Wahlentscheidungen zusammenhängt und welchen Einfluss dabei politische Narrative zu den Themen Einwanderung und Nationalismus haben. „Zu diesem Zweck haben wir Umfragedaten aus 26 Jahren von insgesamt 135.000 Befragten aus 26 europäischen Ländern analysiert und mit Wahlprogrammen abgeglichen“, erklärt das Team.

Einfluss des politischen Diskurses

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass mehr als die Hälfte der Befragten ausgrenzende Vorstellungen von Nationalität haben“, berichten May und Czymara. „Der Zusammenhang zwischen solchen Einstellungen und rechtsextremen Wahlentscheidungen ist allerdings schwächer, als man aufgrund der ideologischen Überschneidung annehmen könnte.“Das ändert sich jedoch, wenn Themen wie Nationalismus und strenge Einwanderungspolitik auch bei Parteien außerhalb des rechten Spektrums zum Thema werden: „Die ansonsten lockere Beziehung zwischen ausgrenzender Nationalidentität und rechten Wahlpräferenzen ist deutlich stärker in Zeiten, in denen über verschiedene Parteien hinweg mit ausgrenzender Rhetorik gearbeitet wird“, erklären May und Czymara.

Nahmen also auch Parteien der Mitte nationalistische Formulierungen oder negative Aussagen zum Multikulturalismus in ihre Wahlprogramme auf, wählten Menschen mit nationalistischer Einstellung mit höherer Wahrscheinlichkeit eine rechtsextreme Partei. In ihrer Analyse berücksichtigten die Forschenden auch weitere Einflussfaktoren, darunter die Anzahl der Geflüchteten im Verhältnis zur Bevölkerung des jeweiligen Landes sowie die Arbeitslosenquote. Obwohl diese Faktoren einen wichtigen Einfluss sowohl auf die politischen Diskurse als auch auf die Wahlentscheidungen hatten, blieben die beobachteten Effekte auch bestehen, wenn die Forschenden diese Einflussfaktoren herausrechneten.

Nationalistische Einstellungen „aktiviert“

Besonders deutlich zeigen sich die Zusammenhänge der Studie zufolge in Ungarn. Nachdem 2018 viele Menschen nach Ungarn geflüchtet waren, wurde das Thema Nationalismus in der politischen Diskussion immer präsenter. Gleichzeitig nahm der Stimmenanteil für die rechtspopulistische Partei Fidesz, die seit 2010 in Ungarn regiert, zu. Ähnliche Effekte, wenn auch auf niedrigerem Niveau, beobachtet das Team für Länder wie Dänemark und Lettland. Auch für Deutschland stellten die Forschenden fest, dass nationalistische und ausgrenzende Einstellungen in der Zeit der Flüchtlingskrise ab 2015 im politischen Diskurs an Bedeutung gewannen – einhergehend mit Zulauf für die rechtspopulistische Partei Alternative für Deutschland.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass rechte Parteien von einem insgesamt ausgrenzenden politischen Klima profitieren, in dem nationale Grenzen auf der politischen Agenda stehen“, schreiben May und Czymara. Sie gehen davon aus, dass bestehende nationalistische Ansichten bei vielen Menschen erst durch entsprechende politische Diskussionen so aktiviert werden, dass sie sich tatsächlich im Wahlverhalten niederschlagen. „Folglich scheint es, dass Parteien, die nicht rechtsextrem sind, sich wahrscheinlich selbst schaden, wenn sie eine solche Rhetorik verwenden“, fasst das Forschungsteam zusammen.

Quelle: Antonia May (GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften, Köln) et al., Nations and Nationalism, doi: 10.1111/nana.12985

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