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#Netflix-Serie „Avatar“: Die Düsternis gewinnt

Netflix hat die Zeichentrickserie „Avatar“ adaptiert. Es ist nicht der erste Versuch, das Original zu verfilmen – doch auch diesmal bleibt dabei wieder einiges auf der Strecke.

Der Prolog macht sofort deutlich: Diese Serie ist nicht mehr für Kinder. In der ersten Szene wird ein Spion des Erdkönigreichs bei lebendigem Leib verbrannt, danach ein ganzes Volk hingerichtet.

Als Zeichentrickserie avancierte „Avatar – Der Herr der Elemente“ vor knapp 20 Jahren zu einem kulturellen Phänomen mit einem Franchise und einer Fangemeinde, die auch noch lange nach deren Ende beständig wachsen. Ein von japanischen Animes inspiriertes und faszinierend animiertes Fantasy-Epos mit horizontaler Erzählweise, das sich weigert, seine Figuren in Schwarz und Weiß einzuordnen, sie stattdessen auf eine düstere Reise durch tiefe moralische Dilemmata schickt – das kannte das westliche Kinderfernsehen der 2000er noch nicht. Jetzt traut sich Netflix, „Avatar“ als Realserie zu adaptieren – und schlägt damit noch mal einen deutlich erwachseneren Weg als die Vorlage ein.

Die Feuernation zertstört den Frieden

Kulturelle Vielfalt zeichnet die mythische Welt von „Avatar“ aus, die bewohnt wird von den Luftnomaden, Wasserstämmen, dem Erdkönigreich und der Feuernation. In jedem Volk leben Bändiger, die das ihrem Volk namensgebende Element auf magische Weise kontrollieren können. Zusammengehalten wird der Frieden in der Welt vom Avatar, der einzigen Person, die alle vier Elemente bändigen kann. Als er plötzlich verschwand, nutzte die Feuernation diesen Schwächemoment aus und entfesselte einen Angriffskrieg gegen die anderen Völker, die Luftnomaden löschten sie zuerst aus. 100 Jahre später, der grausame Krieg tobt immer noch, kehrt der Avatar wieder zurück – wiedergeboren als der zwölfjährige Aang, der letzte überlebende Luftbändiger.

Gordon Cormier gelingt es, Aang authentisch zu porträtieren, eine Figur, die mit Selbstzweifeln kämpft, mit der Schuld, das Leid und die Schrecken eines hundertjährigen Krieges nicht verhindert zu haben – gleichzeitig liegt auf ihm die Bürde, ihn schnellstmöglich zu beenden. Und das, obwohl er lieber noch ein Kind bleiben möchte, gar nicht bereit fürs Kämpfen ist. Seine beiden Freunde, die Wasserbändigerin Katara (Kiawentiio) und ihr eigenwillig sarkastischer Bruder Sokka (Ian Ousley), begleiten Aang bei seiner Reise durch die Kontinente. Die drei Kinderdarsteller geben ihren Figuren neue Facetten, ohne sich allzu weit von deren Vorlagen zu entfernen. Das Drehbuch baut ihre Vorgeschichte klug aus und gewährt ihnen dadurch zusätzliche Tiefe. Die eigentlich herzliche Beziehung des Trios bildet die Adaption aber nicht ab, zu schnell treibt sie ihre Figuren durch die Handlung und verwehrt ihnen dabei Raum zum Atmen und Entwickeln.

Tod, Trauer und Gewalt liegen ständig in der Luft

Die Netflix-Adaption ist keine Vollkatastrophe. Manche hatten das durchaus erwartet. Zum einen, weil die Erinnerungen an die erste Realverfilmung von M. Night Shyamalan aus dem Jahr 2010 noch frischer sind, als vielen Fans lieb ist. Sie scheiterte daran, dass die zwanzig Folgen der ersten Staffel in Spielfilmlänge gestopft wurden. Zum anderen, weil die „Väter“ des Franchises, wie dessen Schöpfer Bryan Konietzko und Michael DiMartino liebevoll von Cast und Community von „Avatar“ genannt werden, das Projekt verließen. Sie sollten eigentlich als Showrunner fungieren, hatten sich aber mit Netflix überworfen. Es hieß, der Streamingdienst habe keine unterstützende Umgebung für die Projektentwicklung bereitgestellt. Viele Fans schrieben die Serie danach ab und fragten sich: Wozu braucht es überhaupt eine Realverfilmung, die ohnehin nie das Niveau der Vorlage erreichen können wird?

Netflix versucht diesem Dilemma zu begegnen, indem es mit der Adaption offensichtlich eine ältere Zielgruppe anvisiert. Schon die Animationsserie scheute sich nicht, im Kinderfernsehen Folter und Leichen zu zeigen, Netflix geht hier aber noch einen Schritt weiter: Die Feuernation genießt es, ihre Feinde lebendig zu verbrennen, Tod und Trauer liegen permanent in der Luft – was der Serie aber eine Schwere gibt, die es oft anstrengend macht, ihr zu folgen.

Die Vorlage wusste diese Stimmung noch durch zahlreiche Gags aufzulockern, begleitet von albernen Soundeffekten, die ihr eine angenehme Leichtigkeit verliehen und erkennen ließen, dass das Gezeigte eigentlich auch für Kinder gedacht war. Überzeichneter Zeichentrickhumor mit seinen verzogenen Grimassen lässt sich bekanntlich nicht direkt realweltlich verfilmen, die Adaption bricht den ikonischen Humor daher herunter auf subtilen Sarkasmus. Dadurch gerät ihr jedoch die Herzlichkeit abhanden, die Düsternis gewinnt wortwörtlich die Überhand. So spielen fast alle Szenen der Feuernation im Dunkeln. Das mag zwar helfen, die mittelmäßigen Spezialeffekte zu kaschieren, lädt aber alles auch mit einem plumpen Symbolismus auf, der vollkommen unnötig ist.

Sechs Jahre war die Serie in Produktion, 15 Millionen Dollar soll jede der acht Folgen gekostet haben, und ja, die großen Schlachten sind eindrucksvoll inszeniert, an der Gestaltung der Städte an Nord- und Südpol schaut man sich gerne satt. Stellenweise wirkt das alles aber wie ein Fanfilm. Insbesondere in den Szenen in Wäldern entlarvt man schnell die Kulissenhaftigkeit der Szenographie, die Kostüme sehen mitunter aus wie Hochglanz-Cosplays. Und trotzdem muss man den Leuten rund um Showrunner Albert Kim zuerkennen, dass sie wirklich Fans von „Avatar“ sind. Im Gegensatz zur ersten Realverfilmung respektieren sie die Vorlage, füllen Leerstellen stellenweise sogar sinnvoll und erweitern sie klug. In jeder Einstellung spürt man Kims Liebe zum Detail. Die Themen und Botschaften aber, die diese Figuren in der Zeichentrickserie verkörpern, abstrahiert die Serie und verliert damit ihre philosophische Tiefe.

„Avatar – Der Herr der Elemente“ läuft auf Netflix

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