#Neue Landesregierung plant: Soll Südtirol ein Zensurgremium bekommen?
Inhaltsverzeichnis
Die neue Landesregierung von Südtirol, die konservative und rechte Parteien bilden, will einen „Medienbeirat“ einrichten. Dessen Auftrag riecht nach Zensur. Die Journalisten sind alarmiert.
Journalistenverbände, Gewerkschaften und Verlage in Südtirol schlagen Alarm wegen eines geplanten „Medienbeirats“, den die künftige Regierung der norditalienischen Provinz ins Leben rufen will.
Die neue Regierung, die kommende Woche vereidigt werden soll, wird abermals von der christdemokratischen Südtiroler Volkspartei (SVP) mit Landeshauptmann Arno Kompatscher an der Spitze geführt. Koalitionspartner der SVP sind die drei italienischen Rechtsparteien Brüder Italiens, Lega und La Civica sowie für die deutsche Sprachgruppe Die Freiheitlichen, die eng mit der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) im nördlichen Nachbarland verbunden sind.
Beirat soll „Fehlentwicklungen evaluieren“
Im Entwurf für den Koalitionsvertrag heißt es: „Unter Einbeziehung aller im Landtag vertretenen Parteien wird ein Medienbeirat errichtet, der kontinuierlich Südtirols Medien- und Informationslandschaft beobachtet, Fehlentwicklungen evaluiert und handlungsanleitende Maßnahmen für die Politik erarbeitet und vorschlägt.“
Die Journalistengewerkschaft und die Journalistenkammer der Region Trentino-Südtirol zeigten sich besorgt über die Pläne der Südtiroler Landesregierung. In einer Pressemitteilung heißt es: „Information darf keiner politischen Kontrolle unterworfen werden.“ Vor allem zeigen sich die Medienvertreter beunruhigt von der Formulierung „Fehlentwicklungen“.
Die Verbände erinnern in ihrer Erklärung daran, „dass Artikel 21 der Verfassung immer noch in Kraft ist und dass er den Journalistenberuf schützt, der keiner Zensur, keiner Genehmigung und keiner Kontrolle unterworfen werden darf“. Zudem gebe es bereits Gesetze und Institutionen, die bei Verstößen gegen das Presserecht und bei Delikten wie Verleumdung in Anschlag gebracht werden könnten.
Instrument für Einschüchterungsklagen?
Die Medienvertreter fürchten, der Medienbeirat könnte als Instrument für Einschüchterungsklagen missbraucht werden. Der Erklärung schlossen sich die Vertretungen der Redaktionen der öffentlich-rechtlichen Sender RAI Südtirol, RAI Ladinia, TGR Bolzano sowie die RAI-Gewerkschaft Usigrai an; die Blätter „Alto Adige“, „Dolomiten“, „Neue Südtiroler Tageszeitung“, FF und „Corriere della Sera Trentino-Alto Adige“, die Sender ORF Südtirol Heute und VB33, die Nachrichtenagentur ANSA sowie schließlich das Nachrichten- und Debattenportal Salto.
Auch der Präsident des seit 2002 bestehenden Südtiroler Landesbeirats für das Kommunikationswesens, Roland Turk, äußerte sich skeptisch zum geplanten Medienbeirat. Der Landesbeirat ist – wie die 1997 ins Leben gerufene nationale italienische Aufsichtsbehörde für das Kommunikationswesen AGCOM – unabhängig und weisungsungebunden, seine Aufgabe ist die Überwachung und Kontrolle des Kommunikationswesens zum Schutz der Mediennutzer und Betreiber.
Bei den für den neuen Medienrat vorgesehenen Handlungsvorschlägen an die Politik sehe er „ein großes Problem“, sagte Turk: „Denn wer ist die Politik? Das ist in diesem Fall wohl die Landesregierung. Wie soll aber die Landesregierung auf die Medien Einfluss nehmen? Wenn schon, dann muss das eine unabhängige Aufsichtsbehörde tun.“
Grundsätzlich wird kritisiert, dass es schon jetzt ausreichend Kontrollinstanzen für die Tätigkeit der Medien gibt. Neben dem unabhängigen Kommunikationsbeirat des Landes und der nationalen AGCOM sind dies die Journalistenkammer und die Gerichte. „Warum also will die Politik nun auch einen Medienbeirat einrichten?“, fragt der stellvertretende Leiter des Nachrichtenportals Südtirol Online STOL, Arnold Sorg: „Will die Politik den Medien vorschreiben, was geschrieben oder gesendet werden soll? Wahrscheinlich nicht. Und trotzdem reibt man sich als Journalist die Augen. Denn eigentlich ist es ja so, dass die Medien der Politik auf die Finger schauen und – wie heißt es so schön im Koalitionsprogramm – ,Fehlentwicklungen evaluieren‘.“
Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.
Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.