#Neues Verhütungsmittel für Katzen
Inhaltsverzeichnis
Von den rund 600 Millionen Hauskatzen auf der Welt leben etwa 80 Prozent als Streuner. Um Tierleid zu verringern, versuchen Tierschutzorganisationen, möglichst viele Straßenkatzen zu sterilisieren, doch das chirurgische Verfahren ist aufwendig und teuer. In einer Machbarkeitsstudie haben Forschende nun eine mögliche Alternative erprobt. Mit einer gentherapeutischen Injektion erhöhten sie bei den Katzen den Spiegel des Anti-Müller-Hormons und verhinderten auf diese Weise, dass sie trächtig wurden. Eine einzige Injektion wirkte mehrere Jahre und wies ein gutes Sicherheitsprofil auf. Größere Studien sollen folgen.
Das Anti-Müller-Hormon (AMH) spielt in der Embryonalentwicklung eine wichtige Rolle für die Differenzierung der Geschlechtsorgane. Bei männlichen Embryos produzieren die Hoden das Hormon und sorgen dafür, dass sich die Vorläufer von Gebärmutter und Eileitern zurückbilden und sich männliche Geschlechtsmerkmale entwickeln. Bei geschlechtsreifen Frauen wird AMH zudem in den Eierstöcken produziert. Ein hoher AMH-Spiegel deutet dabei darauf hin, dass viele reifungsfähige Follikel zur Verfügung stehen und eine Frau gute Chancen auf eine Schwangerschaft hat. Studien an Mäusen haben jedoch gezeigt, dass eine übermäßig hohe AMH-Konzentration die Reifung der Follikel hemmt und somit einen Eisprung verhindert.
Gentherapie statt chirurgischer Sterilisation
Diese Beobachtung hat sich ein Team um Lindsey Vansandt vom Cincinnati Zoo and Botanical Garden in Ohio zunutze gemacht, um einen neuen Ansatz zur Geburtenkontrolle bei Katzen zu entwickeln: Dazu erstellte das Team eine leicht veränderte Version des AMH-Gens von Katzen. Dieses bewirkt eine AMH-Produktion auch in normalerwiese nicht hormonell aktiven Zellen. Um das veränderte Gen in die Zellen der Katzen einzuschleusen, nutzten die Forschenden einen viralen Vektor, der bereits erfolgreich für Gentherapien beim Menschen verwendet wird. Für die Machbarkeitsstudie spritzten sie sechs erwachsenen Katzen den Gentherapievektor mit dem veränderten AMH-Gen in den Oberschenkelmuskel. Die Hälfte der Tiere erhielt eine hohe, die andere Hälfte eine geringe Dosis. Drei weitere Katzen dienten als Kontrollgruppe.
Nach der Injektion beobachtete und untersuchte das Team die Katzen regelmäßig. „Dabei stellten wir keine wesentlichen Nebenwirkungen fest“, so das Team. Blutuntersuchungen zeigten, dass die Gentherapie tatsächlich den gewünschten Effekt hatte: „Eine einzige Injektion des Gentherapievektors veranlasst die Muskeln der Katze, AMH zu produzieren, das normalerweise nur in den Eierstöcken gebildet wird, und erhöht den AMH-Gesamtwert um das Hundertfache“, berichtet Co-Autor David Pépin von der Harvard Medical School in Boston. Andere Blutwerte, darunter auch der Spiegel weiterer Geschlechtshormone, blieben dagegen weitgehend unbeeinflusst.
Erfolgreiche Empfängnisverhütung
Um herauszufinden, ob der hohe AMH-Spiegel tatsächlich verhindert, dass die Katzen trächtig werden, ließen die Forschenden zwei Mal für jeweils vier Monate einen Kater zu den neun Katzen. Per Video zeichneten sie auf, wie oft sich die Individuen paarten. Zudem untersuchten sie wöchentlich per Ultraschall, ob eine Katze trächtig geworden war. „Nach beiden Paarungsphasen brachten alle Katzen aus der Kontrollgruppe jeweils zwei bis vier gesunde Kätzchen auf die Welt“, berichten Vansandt und ihr Team.
Von den sechs gentherapeutisch behandelten Katzen zeigten vier kein Interesse an einer Paarung. Doch auch die zwei behandelten Katzen, die sich während der Versuche mehrfach mit dem Kater paarten, wurden nicht trächtig. „Diese Ergebnisse deuten stark darauf hin, dass über das normale Maß hinaus erhöhtes AMH den Eisprung hemmt und zu einer Empfängnisverhütung bei der Katze führt“, so die Forschenden. Der erhöhte AMH-Spiegel blieb über die gesamte Beobachtungsdauer von zwei Jahren erhalten, ohne dass die Katzen Nebenwirkungen aufwiesen. „Wir sind zuversichtlich, dass diese empfängnisverhütenden Werte bei den Tieren noch viel länger aufrechterhalten bleiben“, sagt Pépins Kollege Philippe Godin.
Weiter Weg in die Praxis
Bevor das Verfahren in der Praxis angewendet werden kann, müssen jedoch größere Studien erst bestätigen, dass es tatsächlich so sicher und wirksam ist, wie die Machbarkeitsstudie andeutet. Zudem fehlt bislang die Infrastruktur, um für Millionen streunender Katzen ausreichend Wirkstoff zu produzieren und zu einem vertretbaren Preis zur Verfügung zu stellen.
„Diese Technologie mag ihrer Zeit ein wenig voraus sein“, sagt Pépin. „Unser Ziel ist es, zu zeigen, dass eine sichere und wirksame dauerhafte Empfängnisverhütung bei Haustieren durch Gentherapie möglich ist. Wir hoffen, dass mit der Zunahme der Gentherapie beim Menschen auch die Herstellungsmöglichkeiten für virale Vektoren zunehmen werden, so dass die Verabreichung dieses Verhütungsmittels zur Kontrolle von Katzenpopulationen in freier Wildbahn machbar wird.“ Sollte sich das Verfahren bewähren, könnte es auch Besitzern von Hauskatzen eine neue Möglichkeit bieten, der eigenen Katze einen chirurgischen Eingriff zu ersparen und dennoch wirksam zu verhindern, dass sie trächtig wird.
Quelle: Lindsey Vansandt (Cincinnati Zoo and Botanical Garden, Ohio) et al., Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-023-38721-0
Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.
Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.
Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Wissenschaft kategorie besuchen.