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#Der Staat ist nicht der bessere Markt

Der Staat ist nicht der bessere Markt

Im November stieg die Inflationsrate in den USA mit 6,8 Prozent auf den höchsten Stand seit fast 40 Jahren. Aber auch in Europa erreichte die Inflation zuletzt neue Höchstwerte. Sparer müssen dabei zusehen, wie das Geld auf ihren Konten an Kaufkraft verliert und vor allen sozial benachteiligte Gruppen müssen den Gürtel noch enger schnallen.

Wie lange die hohen Raten anhalten werden, ist ungewiss. Die Debatte, wie der Teuerung am besten beizukommen ist, hat indes ungeahnt neuen Schwung bekommen. In einem Ende Dezember veröffentlichten Gastbeitrag in der britischen Zeitung „The Guardian“ spricht sich Isabella Weber, Juniorprofessorin für Wirtschaftswissenschaften an der Amherst-University in Massachusetts für „systematische Preiskontrollen“ aus.

Der Vorschlag der aus Deutschland stammenden Ökonomin stieß in den sozialen Medien auf ein breites Echo – allerdings mehrheitlich ablehnend. „Nicht alle schlechten Ideen kommen von rechts“, schrieb etwa der linksliberale Ökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. In einem ersten Tweet hatte er geschrieben: „Ich bin kein Eiferer des freien Marktes. Aber das ist wirklich dumm.” Diesen Tweet löschte er jedoch wieder und entschuldigte sich für seine Wortwahl.

Verantwortlich für den Inflationsanstieg macht Weber „große Unternehmen mit Marktmacht“. Diese hätten die Lieferengpässe „zum Anlass genommen, die Preise zu erhöhen und satte Gewinne einzufahren“. Der Ökonom Joseph Politano hält dem entgegen, dass die Preise für Vorprodukte sehr viel stärker gestiegen seien als solche für Endprodukte, was zeige, dass die Unternehmen die Kosten nicht einfach direkt an die Verbraucher weiterreichten.

„Das letzte Mittel in absoluten Ausnahmesituationen“

Auch Rüdiger Bachmann, Professor an der University of Notre Dame in Indiana, hält das Argument nicht für stichhaltig. Zwar könne es tatsächlich sein, dass sich die Wettbewerbssituation durch die Pandemie verschlechtert habe, sagt er im Gespräch mit der F.A.Z. „Es ist aber eher unwahrscheinlich, dass eine Konzentration von Unternehmen in einzelnen Bereichen zu einer breiten Inflation führt, wie wir sie aktuell erleben.“

Die naheliegendere Erklärung für die hohe Inflation sei, dass in den USA aber auch in Europa durch die staatlichen Rettungsmaßnahmen ein hohes verfügbares Einkommen auf eine Wirtschaft treffe, die aufgrund von Lieferengpässen noch nicht wieder auf Vorkrisenniveau produzieren kann. Eine ähnliche Situation habe es auch nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben. Auf diesen Umstand verweist auch Weber in ihrem Artikel. Nachdem die Preise im Krieg kontrolliert worden waren, gab der Staat sie im Jahr 1946 wieder frei – entgegen der Empfehlung von Ökonomen wie dem späteren Nobelpreisträger Paul Samuelson. In der Folge schoss die Inflation in die Höhe.

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„Doch die Wirtschaft kommt nicht aus einem Krieg, wenn Preiskontrollen durchaus einmal sinnvoll sein mögen“, sagt Bachmann. Vielmehr solle die Wirtschaft jetzt aus einer Pandemie herauswachsen. „Preiskontrollen wären in dieser Situation kontraproduktiv. Denn es braucht Anreize, damit die Unternehmen ihre Produktion wieder steigern“. Preiskontrollen sollten stets „das letzte Mittel in absoluten Ausnahmesituationen sein“, betont Bachmann, denn sie griffen in die Informationsfunktion von Märkten ein. Die wohl größte Schwierigkeit bei Preiskontrollen liegt schließlich darin, den „richtigen“ Preis festzusetzen, der sich normalerweise am Markt bildet. Auch die Frage, für welche Preise entsprechende Kontrollen eingeführt werden sollen und für welche nicht, dürfte umstritten sein.

Schlechte Erfahrungen mit Preiskontrollen

Zum letzten Mal kamen Preiskontrollen in Amerika in den Siebziger Jahren zum Einsatz. Um die durch die Ölpreiskrise ausgelöste Inflation in den Griff zu bekommen, verhängte der damalige amerikanische Regierung unter Präsident Richard Nixon einen Preisstopp für die Dauer von 90 Tagen. Schon zu diesem Zeitpunkt lag die Inflation bei rund 6 Prozent.

Doch satt der erhofften Entspannung kam es nach Ablauf der Frist zu einem umso stärkeren Preisanstieg. Für die gegenwärtige Situation lassen sich daraus sinnvolle Lehren ziehen. „Wenn die Energiepreise nicht nur in den USA, sondern auf der ganzen Welt der Hauptgrund für den Preisanstieg seit 2020 sind, würde dann jemand die Erfahrungen wiederholen wollen, die Amerika in den 1970er Jahren mit Energiepreiskontrollen gemacht hat? Sicherlich nicht“, schreibt der britische Wirtschaftshistoriker Adam Tooze in einem Blogbeitrag. Weitere historische Beispiele aus aller Welt illustrieren das Scheitern von Preiskontrollen.

Der Inflation Einhalt zu gebieten, gelang in den Siebziger Jahren erst mit einer drastischen Erhöhung der Leitzinsen. Diese Erfahrung lehre, dass die Geldpolitik Inflation frühzeitig bekämpfen sollte, mahnt Bachmann. Statt Preiskontrollen hält er eine Mischung aus Geld- und Fiskalpolitik für die bessere Therapie, um die Funktionsfähigkeit der Märkte wiederherzustellen. Zwar habe auch sie unangenehme Nebenwirkungen. Eine straffere Geldpolitik führe etwa dazu, dass die Nachfrage zurückgehe. Doch das sei bei einer hohen Inflation gerade zieladäquat. „Es muss klar sein, dass sich eine Pandemie nicht ohne Wohlfahrtsverluste überwinden lässt. Deshalb ist es aber längst nicht egal, welche Therapie man wählt“, warnt Bachmann.

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