Wissenschaft

#Neues zur Herstellung der Himmelsscheibe von Nebra

Die mehr als 3600 Jahre alte Himmelsscheibe von Nebra gilt als älteste konkrete Himmelsdarstellung der Welt. Doch erst jetzt haben Archäologen herausgefunden, wie die tellergroße, aber nur wenige Millimeter dünne Bronzescheibe hergestellt wurde. Mikrostrukturanalysen und Tests mit Repliken enthüllen, dass die Bronzezeit-Schmiede den Gussrohling dafür in einem aufwendigen Warmschmiedeprozess bearbeiteten. Dabei wurde die Bronzescheibe zehnmal erhitzt und anschließend flacher gehämmert.

Die Himmelsscheibe von Nebra wurde um 1600 vor Christus, vielleicht sogar noch 100 bis 200 Jahre früher im Gebiet des heutigen Mitteldeutschland gefertigt. Das bronzezeitliche Kunstwerk besteht aus einer 31 Zentimeter großen, dünnen Bronzescheibe, auf der aus Goldblech Sterne, die Sonne und die Mondsichel appliziert sind – klare Hinweise auf einen astronomischen Bezug der Himmelsscheibe, auch wenn die genaue Funktion der Scheibe noch strittig ist. Der Fund gilt als einzigartiges Zeugnis der frühen Bronzezeit Mitteleuropas und ist Teil des Unesco-Dokumentenerbes „Memory of the World“. Gleichzeitig ist die Himmelsscheibe von Nebra eines der am besten erforschten archäologischen Objekte überhaupt.

Schmied
Kupferschmied Herbert Bauer beim Aushämmern einer Replik der Himmelsscheibe von Nebra. ©
Juraj Lipták/ Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt

Mit Strukturanalysen und experimenteller Archäologie

Offen war jedoch bisher, wie die aus rund 97 Prozent Kupfer, 2,6 Prozent Zinn und nur winzigen Spuren von Nickel, Zink und Arsen bestehende Bronzescheibe einst hergestellt wurde. Denn der hohe Kupferanteil und der geringe Zinn- und Arsengehalt der Bronze machte das Metall selbst im geschmolzenen Zustand nur schwer gießbar. Die nur wenige Millimeter dünne, aber große Scheibe kann daher nicht einfach gegossen worden sein, wie Harald Meller vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt und sein Team erklären. Der Erschaffer der Himmelsscheibe muss demnach den gegossenen, viel dickeren und kleineren Rohling noch durch Schmieden nachbearbeitet haben.

Wie aus dem Gussrohling die fertige Bronzescheibe werden konnte, haben Meller und sein Team nun genauer untersucht. Dafür analysierten sie eine bereits 2002 aus dem Randbereich der Scheibe entnommene Probe erneut mithilfe modernster metallurgischer Methoden, darunter der Röntgenspektroskopie und Elektronenstreuung. Diese machen die Mikrostruktur des Metalls sichtbar und geben so Aufschluss über die thermische und mechanische Bearbeitung der Bronze. Parallel dazu ließen die Forscher Kopien der Bronzescheibe von einem erfahrenen Kupferschmied herstellen. Dieser bearbeitete die Gussrohlinge mit verschiedenen Schmiedetechniken, die resultierenden Repliken wurden ebenfalls einer Mikrostrukturanalyse unterzogen.

Aufwendiger Schmiedeprozess in zehn Zyklen

Die Tests und Analysen ergaben, dass die Himmelscheibe nicht durch einfaches Kaltschmieden in ihre endgültige Form gebracht wurde. Stattdessen muss sie in einem aufwendigen Warmschmiedeprozess hergestellt worden sein. Dabei wurde der Gussrohling mehrfach bis auf 700 Grad erhitzt und dann durch Hämmern so lange flacher geklopft, bis das Metall zu kalt und hart wurde. Aus Vergleichen der Scheibenform und Mikrostruktur mit verschiedenen Stadien der Repliken schließen Meller und sein Team, dass der bronzezeitliche Schmied ungefähr zehn Zyklen des Erhitzens und Hämmerns benötigte, um der Himmelscheibe ihre Form zu verleihen. Zum Abschluss wurde sie dann ein letztes Mal erhitzt, um das Metall rissfester zu machen.

„Dass die Untersuchungen auch mehr als 20 Jahre nach der Sicherstellung der Himmelsscheibe noch derart grundlegende neue Erkenntnisse erbrachten, bezeugt nicht nur einmal mehr den außergewöhnlichen Charakter dieses Jahrhundertfundes, sondern auch, wie hoch die Kunst der Metallverarbeitung bereits in der Frühbronzezeit ausgeprägt war“, sagt Meller. Die aufwendige Herstellung der Bronzescheibe demonstriert, dass die frühbronzezeitlichen Handwerker nicht nur herausragende Gießer waren, sondern auch die Weiterverarbeitung von Bronzeartefakten zum Beispiel durch Warmschmieden auf höchstem Niveau beherrschten. “Die Herstellung der Himmelsscheibe war in keiner Weise trivial”, so Meller und seine Kollegen. Zwar habe man damals schon Äxte und Bronzeschmuck durch Schmieden hergestellt, aber die Himmelsscheibe sei in Form, Größe und Volumen einzigartig.

„Zudem ist die Himmelsscheibe damit ein eindrücklicher Beleg dafür, wie wichtig es für den Erkenntnisfortschritt ist, auch bekannte und vermeintlich ausgeforschte Funde einer erneuten Untersuchung zu unterziehen, wenn neue Methoden zur Verfügung stehen“, so Meller.

Quelle: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte; Fachartikel: Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-024-80545-5

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