Nachrichten

#Nicht schon wieder Grenzschließung

Inhaltsverzeichnis

Nicht schon wieder Grenzschließung

Eigentlich hätte Lorena Meusel gerade in einem der Labore der Prager Karlsuniversität stehen sollen, umgeben von Mikroskopen und Petrischalen. Stattdessen sitzt die Vierundzwanzigjährige vor ihrem Computer in Zittau, auf der anderen Seite der Grenze, und plagt sich mit Modellrechnungen herum. Die Studentin der Pharmazeutischen Biotechnologie schreibt gerade ihre Abschlussarbeit zum Thema „Pflanzenwachstum“ und hätte damit eigentlich schon im vergangenen Sommer fertig werden sollen. Doch die Corona-Situation im Nachbarland machte ihr einen Strich durch die Rechnung.

Von Mitte Februar 2021 an waren die Grenzen zwischen Deutschland und Tschechien de facto geschlossen, zum zweiten Mal binnen eines Jahres, der grenzüberschreitende Bus- und Bahnverkehr komplett eingestellt. Seit vergangenem Sonntag gilt Tschechien nun nicht mehr als Mutations- sondern als Hochrisikogebiet. Pendler dürfen damit die Grenze wieder überqueren, müssen aber einen negativen Corona-Test vorweisen.

Meusel ist eine von vielen internationalen Studierenden, deren Vorhaben von der Pandemie beeinflusst wurden. Sie gehört zu einer Generation junger Europäer, deren Bildungsweg bisher nicht durch Schlagbäume aufgehalten wurde. Für sie ist nicht nur die Pandemie eine Ausnahmesituation sondern auch die Rückkehr ins Nationalstaatliche, mit der ihr begegnet wird. Aufgewachsen ist die Zittauerin im Dreiländereck aus Polen, Tschechien und Deutschland. Dort ist die Verbindung zu den Nachbarn besonders eng. Man fährt sonntags schnell mal rüber zum Einkaufen oder kürzt Strecken mit dem Auto durch Tschechien ab. In der Schule lernte Meusel acht Jahre lang Tschechisch, verbrachte während ihres Bachelors ein halbes Jahr in Prag. Auch deswegen kehrte sie Anfang März vergangenen Jahres dorthin zurück, um für ihre Abschlussarbeit zu forschen.

Lorena Meusel


Lorena Meusel
:


Bild: privat

Kurz nach ihrer Ankunft allerdings wurden in Tschechien die ersten Corona-Fälle festgestellt. Bald darauf musste die Universität die Labore schließen und den Präsenzunterricht einstellen. Meusel erreichte die Nachricht in Zittau, wo sie eigentlich nur übers Wochenende hatte bleiben wollen. Jetzt machte eine Rückkehr keinen Sinn mehr, wenn sie nicht ins Labor konnte. Wenige Tage später schloss Tschechien dann auch seine Grenzen. Ihre Vermieterin in Prag schickte ihr glücklicherweise ihre Sachen hinterher. „Eigentlich war ich freitags weggefahren in der Erwartung, am Montag wieder da zu sein“, erinnert sich die Studentin. Aus dem Wochenende in der Heimat wurden dann mehrere Monate.

Auch im Leben von Barbora Fischerová haben Grenzen bisher keine große Rolle gespielt. Außer dass man sie eben schnell überquert hat. Die gebürtige Pragerin ist als Tochter eines tschechischen Diplomaten in Paris aufgewachsen, zog später fürs Studium nach Deutschland. Aktuell studiert sie in Jena den Master „Politik und Geschichte des 20. Jahrhunderts“. Im Frühjahr vergangenen Jahres spielte die Grenze zwischen ihr und ihrer Familie in Prag dann erstmals eine entscheidende Rolle.

Mit der Feuerwehr über die Grenze

Im März erhielt sie plötzlich vom tschechischen Außenministerium Benachrichtigungen auf ihr Handy mit der dringenden Empfehlung, umgehend in ihr Heimatland zurückzukehren. „Eigentlich wollte ich das gar nicht“, erinnert sich Fischerová, aber auf Drängen ihrer Familie entschloss sie sich schließlich zur Rückkehr nach Prag. Die tschechische Feuerwehr kam über die Grenze gefahren, holte sie und andere tschechische Staatsbürger ab. Ein besonderer Moment für Fischerová: „Ich hatte immer Probleme mit meiner tschechischen Herkunft“, erzählt sie. Nach ihrer Rückkehr aus Frankreich fühlte sie sich in Prag nicht akzeptiert. „Aber in dem Moment hatte ich das Gefühl, dass sich das Land um mich genauso kümmert wie um andere Tschechen, und dass ich deswegen endlich dazugehöre.“ Doch die Rückkehr hatte auch unangenehme Folgen: Über mehrere Monate hinweg kehrte auch sie nicht an ihren Studienort zurück.

In den vergangen Monaten wurde die Grenze zwischen Deutschland und Tschechien wegen der Pandemie gleich zweimal geschlossen.


In den vergangen Monaten wurde die Grenze zwischen Deutschland und Tschechien wegen der Pandemie gleich zweimal geschlossen.
:


Bild: dpa

Lorena Meusel erinnert sich noch gut an die Stimmung während der ersten Grenzschließung. Damals seien alle panisch wie kopflose Hühner herumgerannt. Es sei viel um Wirtschaft, um Schule und das Gesundheitssystem gegangen. „Was ja auch richtig war“, merkt die angehende Biotechnologin an. Aber dabei habe man die Studenten vergessen, besonders diejenigen, die wie sie eine Praxisphase im Ausland absolvierten.

Erst Anfang Juni beendete Tschechien das strikte Abschotten und öffnete seine Grenzen. Bald darauf wurde die Maskenpflicht weitgehend abgeschafft und in Prag verbracht man einen nahezu unbeschwerten Sommer, in dem es sich fast so anfühlte, als sei die Pandemie vorbei. Dafür zahlt das Land nun einen hohen Preis. Im Herbst begannen die Fallzahlen kontinuierlich zu steigen und Tschechien mauserte sich im neuen Jahr zum traurigen Spitzenreiter der Inzidenzen in Europa. Aktuell steht die 7-Tage-Inzidenz bei knapp 500, in einigen Landkreisen sogar bei bis zu 1000.

Als die Grenze Mitte Februar dieses Jahres abermals geschlossen wurde – diesmal von deutscher Seite – waren die beiden Studentinnen schon gar nicht mehr überrascht. „Es war ein bisschen die Antwort auf die tschechische Grenzschließung im letzten Jahr“, findet Fischerová. Die Inzidenzzahlen seien so hoch, da seien die Einreisebeschränkungen der logische Schluss gewesen. Eigentlich hatte die junge Tschechin geplant, im April für ihren Geburtstag nach Hause zu fahren, doch den wird sie nun wohl in Jena verbringen.

Lorena Meusel hat das Thema ihrer Abschlussarbeit inzwischen so geändert, dass sie die bereits fertigen Experimente mit Modellrechnungen am Computer ergänzt. Wenn alles gut läuft, wird sie in diesem Frühjahr fertig mit der Arbeit – mehr als ein dreiviertel Jahr später als geplant. Und was kommt danach? „Ich würde gerne einen Doktor machen“, sagt sie. Trotz der Schwierigkeiten des letzten Jahres: am liebsten in Prag. Es bleibt also Hoffnung, dass der akademische Austausch zwischen beiden Ländern keinen nachhaltigen Schaden davontragen wird.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!