Nachrichten

#Nichts als die Klarheit

Inhaltsverzeichnis

„Nichts als die Klarheit“

Die Stille gibt den Ton an. Bevor die Balenciaga-Schau beginnt, herrscht langes Schweigen im Saal des Carrousel du Louvre. Hunderte Modegäste, sonst so unter­haltungssüchtig, sitzen still und stumm um den langen Steg herum. Nach dem Skandal vom November, als die Marke Hand­taschen mit Fetischmotiven in einer An­zeigenkampagne mit Kindern inszeniert hatte, ist das nun der erste öffentliche Auftritt des Designers Demna. Bekannte Gesichter, gemischte Gefühle, gespannte Erwartung. Und dann: nichts. Beziehungsweise: wenig. Und gerade ­deshalb: viel.

Alfons Kaiser

Verantwortlicher Redakteur für das Ressort „Deutschland und die Welt“ und das Frankfurter Allgemeine Magazin.

Denn Demna, der in seiner Funktion als Designer ohne Nachname auskommt, hat seine extremen Experimente zurückge­fahren. Schwarze Looks, spitze Schultern, düstere Stimmung, seltsame Blumenmuster, viele Kleider, sogar mit Spitze und mit Stickereien, aber natürlich auch Wattierungen an allen möglichen und vor allem unmöglichen Stellen. Doch eben keine martialischen Aufmärsche, keine übermenschlichen Volumina, keine Elends­be­schwörung, keine Winterstürme oder Schlammlandschaften. Im Gegenteil: In der Stille vor der Schau ziehen Helfer einen Schutzstoff vom Laufsteg, sodass die Models über unschuldig weißen Boden gehen. Wie früher, als Cristóbal Balen­ciaga, „unser aller Meister“, wie Christian Dior ihn bewundernd nannte, noch seine lupenreine Couture im Salon vorführte.

Lässig: Ottolinger


Lässig: Ottolinger
:


Bild: Hersteller

An diesem Sonntagmorgen ist es ein stilles Hochamt der Mode – und der größte symbolische Schritt weg von den stilistischen Übertreibungen der vergangenen Jahre. Der Skandal bei Balenciaga, der Rauswurf des Jesus-Lookalikes und Mode-Dekorateurs Alessandro Michele bei ­Gucci: Das waren Zeichen dafür, dass sich etwas ändern musste. Der extreme Überschwang wird nun zurückgeholt. Plötzlich bemerken die Genies, dass sie Angestellte sind. Wirkten die Übergrößen bei Balenciaga und die Ausschmückungen bei Gucci nicht ohnehin langsam sinnentleert? Hat der Ukrainekrieg zu einer neuen Nüchternheit geführt? Und ist das Medium ­Instagram, das nach überdrehtem Styling verlangt, vielleicht bald gar nicht mehr so bestimmend, weil es nicht mehr stark wächst? Muss man sich im Design einfach nicht mehr verkünsteln, weil das Geschäft bei fast allen Konzernen nach der Pandemie wieder glänzend läuft? Oder sollten die Mode-Fans wirklich durch langlebige Basics gegen die Ressourcenverschwendung kämpfen? Jedenfalls ging in dieser Prêt-à-Porter-Woche, die am Mittwoch nach acht Tagen endete, die Phantasie nur bis an die Grenzen der Wirklichkeit.

Nach der Schau gibt sich Demna zerknirscht: „Ich hatte das Gefühl, dass ich meine eigenen Werte, nämlich einfach nur Kleider zu machen, verraten habe. Die Leute haben ja gar nicht mehr über die Mode geredet, sondern nur noch über das Set-Design.“ Manchmal streicht er sich verlegen über den Kopf, aber irgendwie sieht er auch erleichtert aus, dass er nicht weiter an der Höher-Schneller-Dreister-Spirale drehen muss. „Ich wollte zurück auf Start.“ Kaum hat er das backstage ge­sagt, kommt François-Henri Pinault herbei, Chef des Kering-Konzerns, zu dem auch Balenciaga gehört, und herzt Demna demonstrativ, schließlich schauen gerade auch drei Dutzend Journalisten zu. Das Schicksal Alessandro Micheles – Gucci gehört ebenfalls zu Kering – wird Demna nach diesem Vertrauensbeweis nicht treffen. Die Mode­szene ist eben auch meisterhaft im Vergessen, weil sie nur an die nächste Saison und Sensation denkt.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!