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#Niemand weiß, wie es in ihr aussieht

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Niemand weiß, wie es in ihr aussieht

Sieben Stunden mit Kate Winslet – was will man als kinosehnsüchtiger Fernsehzuschauer und Streamingdienstkunde mehr? Eine packende Story, die Schicht um Schicht Verborgenes offenlegt und einen nicht loslässt; eine Vielzahl einander kreuzender Konflikte, Lebenslinien und Dramen; entsprechend interessante Haupt- wie Nebenfiguren in exzellenter Besetzung; schließlich eine Regie und ein Drehbuch, die innerhalb eines geschlossenen fiktionalen Kosmos den Schauspielern Raum zur Entfaltung lassen und das Publikum in den Bann der Miniserie schlagen, die der amerikanische Bezahlsender HBO mit der Oscar-Preisträgerin Winslet im Zentrum aufgelegt hat.

„Mare of Easttown“ erfüllt die hochgesteckten Erwartungen, die ein solches Prestigeprojekt weckt – zum Teil. Hollywoodstars, speziell weibliche (aber auch männliche) der mittleren Altersklasse, die in aufwendig produzierten Serien mit tödlichen Rätseln konfrontiert werden, um so ihre Kunstfertigkeit auszuspielen: HBO hat dieses Genre zuletzt erfolgreich mit einem All-Star-Aufgebot in „Big Little Lies“ kultiviert, das die Zitadelle des Schweigens in einer Westküstengemeinde der Wohlhabenden zum Zusammenbruch bringt. In „Mare of Easttown“, erdacht und geschrieben von Brad Ingelsby, inszeniert von Craig Zobel, finden wir uns dagegen an der Seite einer Einzelkämpferin in einem heruntergewirtschafteten Vorort Philadelphias wieder.

Hier, wo die Häuser klein, der heimische Pizzakonsum groß und Drogenprobleme allgegenwärtig sind, ist die von Kate Winslet verkörperte Mare Sheehan aufgewachsen, als Tochter eines Polizisten. Hier wurde sie vor einem Vierteljahrhundert zum „local hero“, als sie ihre Basketballmannschaft zur Meisterschaft führte – der Nachruhm verfolgt „Lady Hawk“ bis heute. Hier kämpft sie, als Detective Sergeant der örtlichen Polizei, als geschiedene Frau, Mutter und Großmutter an allen Fronten. Wohl denen, die ihr nicht in die Quere kommen, denn die Mittvierzigerin mit der herausgewachsenen Blondierung und dem Gang eines Bierkutschers in schweren Boots beißt verbal um sich, wann immer das geschieht. Also unentwegt. Das Verhältnis zu ihrer Tochter Siobhan (Angourie Rice) ist angespannt, mit ihrer Mutter (Jean Smart) liegt sie im Dauer-Clinch, der Ex-Mann (David Denman) bekommt in ihrer Gegenwart kein Bein auf den Boden. Dass sie dennoch ein weiches Herz hat und ein guter Cop ist, wird gleich zu Anfang klar, als sie einen Einbrecher und Junkie in die Obdachlosenunterkunft statt aufs Revier bringen lässt.

„Twin Peaks“ lässt grüßen

Doch so leicht unter der Hand lässt sich bald nichts mehr regeln. Die Teenagerin Erin (Cailee Spaeny) wird ermordet im Wald gefunden. Als Tochter eines Trinkers hinterlässt sie einen kleinen Sohn und einen von ihr getrennten Kindsvater mit psychopathischer neuer Partnerin. Mare kennt die Verhältnisse – in Easttown kennt jeder jeden. Erins Mörder war mutmaßlich kein Fremder. Nicht nur deshalb ist der Druck auf die Polizistin gewaltig: Schon ein Jahr zuvor war eine junge Frau aus der Gemeinde verschwunden, und Mare konnte den Fall nie lösen. Als ein drittes Mädchen wie vom Erdboden verschluckt ist, deutet alles auf einen Serientäter hin.

Ein gewaltsam zu Tode gekommenes Mädchen: Was Urängste triggert und Jugendliche wie Ältere in den Reigen der zu Hinterfragenden zieht, ist im Fernsehen seit „Twin Peaks“ ein klassischer Plot. „Mare of Easttown“ macht bei der Inszenierung des Leichenfunds keinen Hehl aus der Inspiration, obgleich Ingelsby und Zobel nicht David Lynchs Faible fürs Surreale teilen. Stattdessen zieht es sie in Richtung „Nordic Noir“. Eklektizistisch versammeln sie gängige Motive aus der Serienwelt: Der zurückliegende Suizid von Mares Sohn Kevin, dokumentarisch aufgearbeitet von dessen Schwester, erinnert an „13 Reasons Why“. Zwei Neuankömmlinge tauchen am Ort auf. Die Bekanntschaft des einen macht Mare, wo man sich in irisch-katholisch geprägten Community-Settings (mit verdächtigem Priester) klischeehaft trifft: am Tresen der Stammkneipe aller. Richard (Guy Pearce), ein One-Hit-Wonder als Literat und daher Lehrer für kreatives Schreiben, ist der Drehbuchautoren-Phantasie entsprungen, dass erdig wirkende Frauenfiguren ein Faible für Intellektuelle zeigen müssten. Der zweite Neue ist Detective Colin Zabel (Evan Peters), der Mare von außerhalb zur Unterstützung (also Überwachung) aufgenötigt wird. Beide Herren finden Gefallen an der Frau, deren Name den Albtraum – „nightmare“ –, in dem der Vorort steckt, ostentativ halb in sich trägt. Fast überflüssig zu erwähnen, dass die Polizistin bald suspendiert wird, was sie nicht von weiteren Ermittlungen abhält.

Es lässt sich vieles einwenden gegen „Mare of Easttown“: Die Fixierung des Krimi-Genres auf Gewalt gegen Frauen wird nicht besser dadurch, dass Frauen ermitteln oder Gewalt auch von ihnen ausgeht – mit teils explosiver physischer Brutalität. Diese steht in seltsamem Kontrast zum extrem verhaltenen Tempo, in dem sich das Drama entfaltet. Abgegriffene Motive gibt es genug, und die heutigen Diversitätsansprüchen genügende Figurenkonstellation reißt es nicht heraus. Doch das tritt in den Hintergrund angesichts der eindrucksvollen Vorstellung, die Kate Winslet gibt. Mare mag hart und kontrolliert auftreten, im Grunde ist sie waidwund vor Schmerz und stranguliert von der Angst davor, dass ein familiäres Erbe psychischer Krankheiten in ihrem Enkel neu aufbrechen könnte.

Seelische Gesundheit als Chiffre für das schreckliche Verborgene, das zutage treten könnte, ist ein Leitthema der Serie. Die unter Verschluss gehaltene innere Verfasstheit der Polizistin nuanciert durchscheinen zu lassen zeichnet Winslets Spiel aus. Ihr Widerpart ist die in ihrer urbanen und häuslichen Charakteristik von Kameramann Ben Richardson detailliert beobachtete Vorstadt insgesamt. Das Spektrum der beschädigten, aber nicht notwendig verlorenen Gestalten ist breit. Wer was verbrochen hat, bleibt bis zum Schluss rätselhaft.

Mare of Easttown startet am Freitag um 20.15 Uhr auf Sky Atlantic HD

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