#Die Kritiker: Deadlines
„Die Kritiker: Deadlines“
In der neuen ZDFneo-Serie treffen vier alte Freundinnen wieder aufeinander. Daraus entsteht eines der besten Formate des Jahres, meint unser Kritiker.

So ähnlich ist das auch bei den vier Freundinnen Lena, Elif, Franzi und Jo (Sarah Bauerett, Jasmin Shakeri, Llewellyn Reichman und Salka Weber), die 2005 zusammen Abi gemacht haben und viel zusammen abgehängt sind, bevor sie das Leben doch voneinander getrennt hat und bis auf lose Kontakte über soziale Medien nicht viel von der jahrelangen Freundschaft übrig blieb. Bis sie sich nun doch wieder versammeln, mehr aus Zufall als aus Plan, und wieder im Leben der anderen eine Rolle spielen. Was für sie alle gilt: Wie sie heute drauf sind, ist stets eine logische Weiterentwicklung ihrer alten Schrullen, Ansichten und Lebensentwürfe. Lena ist immer noch links, ökobewusst und aktivistisch, und hat deswegen ein Pflegekind statt ein leibliches, um ihren CO2-Fußabdruck nicht unnötig zu vergrößern. Das Eigenheim, in dem sie lebt, ist trotzdem verdammt groß, das Einkommen dank Lehrerinnenberuf sicher, und mittlerweile denkt sie sogar an sowas Traditionelles wie heiraten. Elif, schon zur Abi-Zeit vorlaut und vulgär, aber gleichzeitig wahnsinnig auf zack, hängt sich heute ähnlich viel bling-bling wie damals um den Hals, und fädelt schon zum Frühstück für eine Großbank Millionendeals ein. Franzi bespielt derweil zusammen mit ihrem Freund (Chirurg) einen total authentischen Self-Care-Instagram-Kanal, doch sobald der Life-Stream nach der Yoga-Session ausgeschaltet wird, ist vom perfekten Leben natürlich kaum noch etwas übrig. Und Jo? Die ist zum Erstaunen aller immer noch am Leben, was man so ob ihres massiven Drogenkonsums eigentlich nicht vorausgesehen hatte. Mittlerweile sitzt sie auf dreißigtausend Euro Schulden, macht aus lauter Resignation nicht einmal mehr die Post vom Gerichtsvollzieher auf, schnorrt sich direkt durch die wiederentdeckten Freundinnen, hat aber immerhin noch Spaß an ihrem ausschweifenden Sexleben.
Was leicht zu einer Klischeeorgie (oder einer Til-Schweiger-ähnlichen Mackerparade) verkommen könnte, entwickelt sich dank der scharfen Auges der Serienschöpfer:innen Johannes Boss und Nora Gantenbrink für ihre Figuren glücklicherweise in eine ganz andere Richtung: Denn «Deadlines» steckt so voller klug beobachteter popkultureller und sozialer Referenzen, die wiederum in eine für deutsche Verhältnisse erstaunlich hohe Gag-Dichte münden, dass einem schwindelig werden könnte, wären die rasanten Dialoge nicht in einer schönen und feinfühligen Geschichte um vier Frauen und ihre unterschiedlichen Lebensstile geerdet. Dass dabei auch einmal die Lifestyle-Linken mit ihren sagen wir mal: von der Mehrheitsbevölkerung durchaus ein paar Meilen entfernten Lebensinhalten in teuren Eigenheimen, akademischen Berufen und stabilen Lebensverhältnissen den Spiegel vorgehalten bekommen, ist gleichzeitig ein angenehmer Blickwinkel, der der Sympathie des Zuschauers für die Figuren (dank ihrer ansonsten sehr positiven bis liebenswerten Zeichnung) keinen Abbruch tut. Dass zwei der vier Hauptcharaktere zudem mit einer persischstämmigen und einer afroösterreichischen Darstellerin besetzt wurden, ist derweil ein Schritt in die richtige Richtung für eine leider immer noch sehr weiß-lastige Besetzungspolitik in der deutschen Fiction. Die Talente des Ensembles dieser Serie suchen ohnehin ihresgleichen.
ZDFneo zeigt 8 Folgen von «Deadlines» ab Dienstag, den 13. Juli 2021 jeweils um 23.15 Uhr in Doppelfolgen. Alle Episoden sind bereits in der ZDF-Mediathek abrufbar.
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