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#Nio ET5 im Test: Sportlich, sportlich – auch der Preis!

Nio, chinesischer Hersteller von Elektroautos, hat große Ambitionen. Zwar dürfte es hierzulande schwierig werden, kurzfristig etablierten deutschen Autobauern wie Volkswagen, BMW oder Audi viele Marktanteile streitig zu machen, wachsen will man aber trotzdem. Zum Beispiel mit dem neuen Nio ET5.

Seitenansicht des Nio ET5.
Der Nio ET5 auf Testfahrt von inside digital.Bildquelle: Hayo Lücke / inside digital

Noch ist Nio in Deutschland ein eher unbekannter, kleiner Hersteller. Abzulesen ist das auch an den Neuzulassungen. Bis Ende April konnte das Unternehmen in Deutschland laut Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes gerade einmal knapp 160 Neuzulassungen für sich verbuchen. Darunter auch 63 Zulassungen der neuen Mittelklasse-Limousine Nio ET5, der Ende April seine offizielle Premiere in Deutschland feierte. Wir hatten bereits die Gelegenheit, den schnittigen Stromer in einer Testfahrt auf die Probe zu stellen.

Unterwegs im Nio ET5 – Ein Fahrbericht

Sicher ist: Wer im knapp 4,80 Meter langen und nur 1,50 Meter hohen Nio ET5 Platz nehmen darf, wird sich schnell wohlfühlen. Eine hochwertige Verarbeitung trifft auf ein technologisch ausgefeiltes Interieur; Ambientebeleuchtung mit 256 Farben inklusive. Ein getöntes Panorama-Glasdach, das erfreulicherweise Teil der Serienausstattung ist, sorgt nicht nur für mehr Helligkeit im Innenraum, sondern auch bei langen Körpermaßen für ein geräumiges Sitzgefühl. Es verläuft flach abfallend in Richtung Heck und geht dort in einen dezenten Spoiler über. Beim Exterieur außerdem auffallend: kurze Oberhänge vorn und hinten sowie extrem schmale LED-Scheinwerfer.

Nio ET5 Seitenansicht
Das flach nach hinten abfallende Dach des Nio ET5 wird insbesondere in der Seitenansicht deutlich.

Im Innenraum gesellt sich zu einem 10,2 Zoll großen Cockpit-Display hinter dem Lenkrad ein zentrales, 12,8 Zoll großer und vertikal ausgerichteter Infotainment-AMOLED-Bildschirm. Nicht nur die Auflösung von 1.728 x 1.888 Pixeln ist überzeugend, sondern auch die flotte Reaktionszeit. Dazu tragen maßgeblich vier Prozessoren von Nvidia bei. Ein Head-up-Display gibt es hingegen nicht. Die Sitze erweisen sich als bequem, sind aber nur gegen Aufpreis mit einer Heizung und Lüftung sowie einer (sehr angenehm arbeitenden) Massagefunktion ausgestattet. Mechanische Knöpfe sind im Interieur kaum zu finden, selbst ein Start-Knopf fehlt. Tür schließen, Gang einlegen, losfahren. Einfacher geht es nicht. Auch die Lüftungsdüsen sind so clever verbaut, dass sie praktisch unsichtbar sind.

Also alles top im loungeartigen Nio ET5? Nicht ganz: Der Blick nach hinten ist durch das flach abfallende Dach und das dadurch sehr schmale Heckfenster nur eingeschränkt möglich. Eine Heckkamera sorgt aber im Zusammenspiel mit den Außenspiegeln beim Rückwärtsfahren für eine gute Manövrierbarkeit. Vorwärts- und Rückwärtsgang werden übrigens über einen recht großen Wippschalter an der Mittelkonsole eingelegt.

Gangschaltung im Nio ET5.
Gangschaltung im Nio ET5.
Blick nach hinten im Nio ET5.
Eingeschränkte Sicht nach hinten.

Leistung satt und flotter Vortrieb

Unterwegs ist man im Nio ET5 per Allradantrieb und einer auf zwei Elektromotoren verteilten Systemleistung von bis zu 360 kW (489 PS). Das macht sich natürlich bei einem Tritt auf das Gaspedal bemerkbar. Ruckzuck beschleunigt das Auto trotz eines Gewichts von immerhin rund 2,1 Tonnen aus dem Stand auf die gewünschte Geschwindigkeit – nach Herstellerangaben in gerade einmal vier Sekunden von 0 auf 100 km/h.

Diesen Topwerk erreicht man aber nur, wenn man sich für den Fahrmodus Sport+ entscheidet. Dann hat man bei einer Beschleunigung schnell das Gefühl, in einer Art Katapult-Achterbahn zu sitzen. Weitere auswählbare Fahrmodi: Eco, Komfort und Sport. Und dann geht es zuweilen spürbar gemächlicher zu. Wählt man etwa den Eco-Modus aus, müssen knapp zehn Sekunden vergehen, ehe das Auto aus dem Stand eine Geschwindigkeit von 100 km/h erreicht hat. Mit Beifahrer an Bord eignet sich das deutlich besser, um zum Ziel zu kommen.

Zudem sind laut Angaben von Nio übrigens spezielle Fahrmodi für das Fahren auf Schnee, Sand und bei Nässe auswählbar. Während unseres Kurztests haben wir die über nicht entdecken können. Die Geschwindigkeitsregelanlage konnten wir hingegen testen. Sie ist komfortabel über das Lenkrad in 1- und 5 km/h-Schritten einstellbar, in der Spitze sind für ein E-Auto flotte 200 km/h möglich. Die Lenkung: erfreulich präzise und nicht schwammig.

Nomi Sprachassistent: Du hast die Wahl

Eine Augen- und Ohrenweide ist der digitale Sprachassistent Nomi. Er steht in zwei Varianten zur Verfügung. Ohne Aufpreis als Nomi Halo – dezent in das Dashboard integriert. Oder als kugelförmiges, drehbares und aufpreispflichtiges Display (Nomi Mate). Dann nimmt der Sprachassistent über verschiedene Grafiken in Form eines Gesichts direkten Bezug auf das gesprochene Wort von Fahrer oder Beifahrer.

Sämtliche von uns getesteten Sprachbefehle, wie etwa „Nomi, öffne das Fenster“ oder „Nomi, mir ist warm“ (Klimatisierung einschalten), werden umgehend und (weitgehend) fehlerfrei umgesetzt. Aber nicht alle vorstellbaren, komplexeren Sprachbefehle kann die künstliche Intelligenz tatsächlich beantworten. Hier wird Nio aber sicherlich per Software-Update noch nachbessern.

Das eigentliche Highlight aber sind nicht die Funktionen und Reaktionen der Künstlichen Intelligenz selbst, sondern vielmehr die Stimme von Nomi. Die Sprachausgabe klingt nämlich derart natürlich, dass man das Gefühl bekommen könnte, es sitzt noch eine weitere menschliche Person im Wagen, die die ausgesprochenen Anweisungen bestätigt oder die passenden Antworten gibt. Auch Navigationsbefehle werden so sanft wiedergegeben, dass es fast schon ein Genuss ist, dem Sprachassistenten im Nio ET5 zuzuhören. Von abgehakten, stark nach Computer klingenden Sprachausgaben, ist bei und mit Nomi nichts zu spüren.

Innenraum des Nio ET5.
Aufgeräumter Innenraum des Nio ET5 – mit Nomi Mate in der Mitte oberhalb des Infotainment-Displays.

Verbrauch und Ladeeigenschaften

Konkrete Angaben zum Verbrauch können wir nur eingeschränkt machen, weil wir den Wagen nur auf einer einzelnen Strecke unter die Lupe nehmen konnten. Auf der Landstraße haben wir aber einen durchschnittlichen Verbrauch von 20 bis 21 kWh pro 100 Kilometer gemessen. Auf der Autobahn schnellt der Verbrauch laut Angaben des Bordcomputers gerade bei hohen Geschwindigkeiten von 130 km/h und mehr schnell auf 30 kwh/100 Kilometer nach oben. Nio selbst gibt einen kombinierten WLTP-Verbrauch zwischen 18,9 und 20,5 kWh an. Eine Wiederaufladung des Akkus ist an AC-Ladesäulen oder an einer Wallbox mit bis zu 11 kW möglich. An Schnellladesäulen steigt die Ladeleistung unter optimalen Bedingungen auf 140 kW. Solide, aber kein Top-Wert.

Was kostet der Nio ET5?

Auf den ersten Blick ist der Nio ET5 ein echtes Schnäppchen. Denn ein Basispreis von 47.500 Euro steht auf dem Preisschild, wenn man sich für das in München (!) entwickelte Elektroauto entscheidet. Allerdings handelt es sich dabei um einen Preis ohne Batterie. Die kann man entweder kaufen oder mieten – wahlweise mit einer Kapazität von 75 kWh oder für eine höhere Reichweite. Dann werden statt 456 Kilometer bis zu 590 Kilometer erreicht. Realistisch betrachtet dürften es auf der Langstrecke jeweils ca. 100 Kilometer weniger sein.

  • Akkumiete 75 kWh: 169 Euro pro Monat
  • Akkumiete 100 kWh: 289 Euro pro Monat
  • Akkukauf 75 kWh: 12.000 Euro einmalig
  • Akkukauf 100 kWh: 21.000 Euro einmalig

Wer sich für den Nio ET5 mit 75 kWh großer Batterie entscheidet, treibt den Preis also auf knapp 60.000 Euro exklusive Umweltbonus. Mit größerem Akku gar auf knapp 70.000 Euro. Entscheidender Nachteil: Die Nutzung der Nio Power Swap Stations (Test) ist bei einem Kauf der Batterie nicht möglich. Du kannst an den Batteriewechselstationen also keinen Akkutausch vornehmen, wenn du die Batterie kaufst, sondern musst dein Elektroauto dann in jedem Fall per Kabel aufladen.

Bei einer Miete sind aktuell hingegen zwei Power-Swap-Station-Besuche pro Monat kostenlos. Dann wird ein Akku nach vorheriger Anmeldung über den Bordcomputer und anschließender Bestätigung durch die Power Swap Station über eine Art Roboter in etwas mehr als fünf Minuten ausgetauscht und man kann anschließend mit 90 Prozent geladenem Akku seine Fahrt fortsetzen. Mittelfristig sind 40 derartige Akkuwechsel-Garagen in Deutschland geplant – hauptsächlich an Verkehrsknotenpunkten unweit von Autobahnen.

Nio ET5 in der Frontansicht.
Nio ET5 in der Frontansicht.
Heckansicht des Nio ET5
Heckansicht des Nio ET5.

Ebenfalls wichtig: Fünf von aktuell neun verfügbaren Lackierungen sind aufpreispflichtig. Gleiches gilt für 20 Zoll große Leichtmetallfelgen, wenn sie statt der 19-Zoll-Felgen zum Einsatz kommen sollen. Auch eine elektrisch ausfahrbare Anhängerkupplung kostet extra, ebenso das Comfort Package, das unter anderem eine Lenkradheizung, ein Duftsystem und die oben genannte Massage-Funktion im Fahrersitz beinhaltet. Das Sprachassistenzsystem NOMI Mate gibt es ebenfalls nicht kostenlos, sondern nur gegen 600 Euro zusätzlich. Und: Auch eine Bereitstellungsgebühr in Höhe von 950 Euro kommt noch obendrauf.

Fazit zum Nio ET5

Tolles Design, prima Fahreigenschaften, zuverlässige, aber zuweilen etwas pingelige und störend bimmelnde Assistenzsysteme in Form von 33 Sensoren und acht Kameras. So lässt sich in einem Satz unser Eindruck zum Nio ET5 zusammenfassen, nachdem wir ihn knapp 100 Kilometer von Düsseldorf quer durch das bergische Land und wieder zurück in die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt gefahren sind. Auch 23 serienmäßige Lautsprecher sind hinsichtlich der Ausstattung eine Ansage.

Sensoren auf dem Dach des Nio ET5.
Gewöhnungsbedürftig: Sensoren, wie man sie auf dem Dach des Nio ET5 findet, werden künftig wohl bei vielen Autos üblich sein.

Nachhaltig irritiert hat uns aber insbesondere die Erfahrung, dass der für das teilautomatisierte Fahren verbaute „Autopilot“ vor einer scharfen Linkskurve mutmaßlich einen weit entfernt am Straßenrand abgestellten Bus als Hindernis erkannte und die Geschwindigkeit recht abrupt reduzierte. Schade ist zudem, dass die Verkehrszeichenerkennung zwar gut funktioniert, die Geschwindigkeit aber nicht selbstständig anpasst. Das könnte man zu dem von Nio aufgerufenen Preis eigentlich erwarten, denn auch Volkswagen beweist im ID.4 (Test) mit dem Travel-Assist, dass das möglich ist. Abgesehen davon waren wir aber überrascht, wie viel Fahrkomfort der ET5 bietet. Selbst rumpelige Straßen und Pflasterstein-Untergrund schluckte die Federung des Autos für unser Empfinden vorbildlich.

Und dann wäre da noch der Preis. Die Annahme, dass der Nio ET5 als Elektroauto aus China eine preiswerte Alternative zu einem Tesla Model 3 sein könnte, wird recht eindrucksvoll widerlegt. Das Tesla Model 3 ist aktuell ab 41.990 Euro zu haben, während für den Nio ET5 mit Batterie mindestens 59.500 Euro zu bezahlen sind. Das muss man wahrlich bereit sein, zusätzlich zu investieren – tolle Verarbeitung, hoher Fahrkomfort und hochwertige Ausstattung hin oder her.

In der zweiten Sitzreihe haben übrigens auch groß gewachsene Menschen ausreichend Platz. Allerdings stehen die Beine aufgrund des im Unterboden verbauten Akkus recht hoch. Das dürfte auf langen Strecken den Komfort negativ beeinflussen. Und auch die Kopffreiheit ist hinten aufgrund des flach abfallenden Dachs eingeschränkt.

Vorteile Nio ET5

  • schnittiges, elegantes Design
  • hochwertige Verarbeitung
  • hoher Fahrkomfort
  • bis zu 360 kW (489 PS) Leistung
  • umfangreiche Technik-Ausstattung

Nachteile Nio ET5

  • Batteriewechsel an Power Swap Stations bei Batteriekauf nicht möglich
  • Assistenzsysteme können zuweilen störend wirken
  • keine Unterstützung von Android Auto und Apple CarPlay
  • kein Head-up-Display verfügbar
  • Sicht nach hinten nur mäßig

Bildquellen

  • Nio Power Swap Station im Test: Meilenstein für Elektroautos: Nio

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