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#Zirpen wie ein Rasenmäher

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Zirpen wie ein Rasenmäher

Der morgendliche Gang in den Vorgarten, in den der Lieferant zu früher Stunde die Zeitungen geschmissen hat, ist zur Zeit in Washington eine unangenehme Angelegenheit. Ein unbedachter Schritt, und es knirscht unter den Füßen. Die amerikanische Hauptstadt ist gerade das Zentrum eines besonderen Naturspektakels – beziehungsweise einer echten Plage. Auf dem Rasen vor dem Haus liegen inzwischen Hunderte von Zikaden, die langsam Richtung Eiche kriechen. Es ist der Beginn der großen Migration, die sich im Osten Amerikas alle 17 Jahre zuträgt: Brut X ist geschlüpft.

Majid Sattar

Politischer Korrespondent für Nordamerika mit Sitz in Washington.

Schon vor Wochen wurden kleine Löcher im Garten sichtbar, die das Kommen der Insekten ankündigten. Nun sind die rotäugigen „cicadas“ unterwegs, die bald mit ihrem ohrenbetäubenden Zirpen regelrechten Lärmterror verbreiten werden. Weil das Frühjahr an der Ostküste ein wenig frischer war als üblich, haben sich die Zikaden etwas mehr Zeit gelassen. Nun aber, da der Boden rund 18 Grad warm ist, kommen sie aus ihren Löchern, in die sie sich vor 17 Jahren vergraben haben. Seinerzeit als Nymphen, wie die Insekten im Jugendstadium genannt werden, da sie – anders als Larven – äußerlich ihrer späteren Form schon ähneln.

Wunder der Natur

Entomologen, also Insektenkundler, verdrängen derzeit Virologen und Epidemiologen aus den Medien. Sie erklären das Spektakel: Brut X kommt aus dem Loch und klettert auf den nächstgelegenen Baum. Dabei häutet sich das Insekt: Der weiße Körper benötigt einige Tage, um auszuhärten. Dann fliegt die Zikade in die Baumkrone. Dort findet die Paarung statt. Die Weibchen machen durch ein mit ihren Flügeln erzeugtes Schnalzgeräusch auf sich aufmerksam. Die Männer umwerben sie mit ihrem lauten Gesang – eine vibrierende Membran produziert das Zirpen der Gattung der Magicicada. Nach erfolgreicher Befruchtung legen die Weibchen ihre Eier in die Zweige, die sie vorher aufgeschlitzt haben. Nach einigen Wochen schlüpfen die Nymphen und graben sich in den Boden, wo sie sich in den kommenden 17 Jahren von den Säften der Baumwurzeln ernähren.

Das Leben der Zikadenart an der Erdoberfläche ist also ein kurzer Spaß: Nachdem für Nachwuchs gesorgt wurde, verenden sie. Der traurige Kreislauf dieses Lebens ließ den Herrn Nachbarn jüngst bei einem ersten Treffen der Straßengemeinschaft nach der Pandemie frotzeln: „Und wir beklagen uns über eine vierzehntägige Quarantäne-Auflage!“ Washington mag das Zentrum der Plage sein – insgesamt aber sind 15 Bundesstaaten betroffen. Erwartet werden Milliarden von Insekten, die zwei, drei Wochen lang das Leben unter freiem Himmel beeinträchtigen. Jedes Grillfest, jede Hochzeit im Freien ist betroffen. Nicht nur durch das lautstarke Zirpen – die Tiere landen auch gerne einmal auf Menschen. Zudem gilt es, sich vor dem Zikadenregen, den Sekreten der Insekten, zu schützen. Auf den Bäumen lassen sie nämlich überschüssige Flüssigkeit ab.

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Für Vögel und Eichhörnchen ist das Spektakel indes Grund zur Freude. Für sie sind die proteinhaltigen Zikaden geradezu ein Festmahl. In der Hauptstadt der Plage sorgt das Phänomen alle 17 Jahre für politische Analogien. Einst hieß es, die Insekten kämen nach Jahren aus dem Boden, um sich zu erkundigen, ob Richard Nixon endlich angeklagt worden sei. Ronald Reagan verglich „die seltsamen fliegenden Dinger“, die in hoher Zahl im schwülen Washington einfielen und viel Lärm machten, mit den Demokraten, welche die Staatsausgaben erhöhen wollen: Einige Zeit seien sie im Untergrund gewesen, sagte er in einer Radioansprache, und da gehörten sie auch wieder hin. Vor 17 Jahren bereitete sich George W. Bush gerade auf seinen Wahlkampf gegen John Kerry vor. Er warf dem Demokraten vor, sich wie eine Zikade häuten zu wollen, um als Fiskalkonservativer zu erscheinen.

Und heute? Immerhin ist Joe Biden der erste Demokrat seit Franklin Delano Roosevelt, der das Spektakel vom Weißen Haus aus beobachten kann. Entomologen weisen darauf hin, dass es keine politischen Gründe habe, dass sich die Tiere zuletzt häufiger unter republikanischen Präsidenten zeigten. Warum sie alle 17 Jahre aus ihren Löchern kommen, ist bis heute ein wissenschaftliches Rätsel.

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