#„Notre-Dame ist europäisches Kulturerbe“

Herr Laschet, zum zweiten Jahrestag des Brands in Notre-Dame de Paris steht fest, dass es beim Wiederaufbau keine architektonischen Experimente geben wird. Hätten Sie sich mehr Innovationsfreude gewünscht?

Die Kathedrale Notre-Dame de Paris gehört zum weltweiten, vor allem anderen aber zum französischen Kulturerbe. Klar ist, dass Notre-Dame, so wie sie war, ein Juwel der Gotik darstellt, ein Kunststil, der in Frankreich entwickelt wurde und dann ins übrige Europa ausstrahlte. Deshalb ist es gut, die Kathedrale im bekannten Glanz wieder erstrahlen zu lassen. Allerdings hat Frankreich bereits etwa bei der Glaspyramide des Louvre unter Beweis gestellt, dass sich historische Substanz und moderne Elemente trefflich verbinden lassen.

Deutschland will einen besonderen Beitrag zum Wiederaufbau leisten. Steht jetzt schon fest, worin dieser Beitrag bestehen wird?

Beide Seiten teilen den Wunsch, die Spendengelder von insgesamt fast einer halben Million Euro für ein sichtbares deutsch-französisches Projekt beim Wiederaufbau einzusetzen. Als deutsch-französischer Kulturbevollmächtigter bin ich sehr froh, dass so viele Bürger dem Spendenaufruf von Maria Böhmer, der Präsidentin der deutschen Unesco-Kommission, und mir gefolgt sind. Das ist ein wunderbares Zeichen deutsch-französischer Freundschaft und europäischen Zusammenhalts. Nach derzeitigem Stand werden einige der Obergadenfenster in deutschen Glaswerkstätten restauriert. Das darüber hinaus zur Verfügung stehende Geld wird für die Restaurierung weiterer Fenster eingesetzt.

Wie bedeutsam sind die deutschen Hilfsangebote für die deutsch-französische Freundschaft?

Notre-Dame ist europäisches Kulturerbe. Natürlich ist Frankreich weder materiell noch fachlich auf deutsche Hilfe angewiesen: Für unsere Nachbarn ist die Restaurierung der Kathedrale patriotische Pflicht. Umso bedeutsamer ist die Symbolik, dass auch in Frankreich der Wunsch vorherrscht, den Hilfen aus Deutschland eine besondere Sichtbarkeit zu verschaffen: Das Vertrauen, das Frankreich hier Deutschland schenkt, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Hier wird die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich sichtbar und greifbar, hier stehen wir Hand in Hand, main dans la main zusammen. Das sehe ich mit großer Dankbarkeit. Gerade derzeit, da uns die Pandemie zu räumlicher Distanz zwingt und den direkten Austausch behindert, ist es gut, diese weltweit einzigartige Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern auf diese Weise zu pflegen.