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#O schaut, diese ruchlosen Kapitalisten

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O schaut, diese ruchlosen Kapitalisten

Die Anschaffung des Kunstwerks von Anselm Kiefer hat Technologie- und Automobilkonzern-Vorstandsvorsitzender Benedikt Lindemann (Justus von Dohnányi) der kapriziösen Mama Leonore (Nicole Heesters) glatt gestrichen. Ausgerechnet unmittelbar vor der pompös geplanten Hundertjahrfeier der Lindemann AG. Aber das wird er noch bitter büßen im sechsteiligen Wirtschaftsthriller, der geschichtlich grundierten ZDFneo-Miniserie „Breaking Even“. Das Werk „Böhmen liegt am Meer“ wird nun nicht der Höhepunkt ihrer Kuratorinnenträume sein, doch gehört nicht die ganze Firma eigentlich der Familie, dieser Ruhrgebiets-Industriellendynastie – also ihr persönlich? Privatausgaben über eine Million Euro sind zu genehmigen, klärt Benedikt, der ungeliebte Erbsenzähler, die Mama auf – mal zeichnet der Vorstand oder mal der Aufsichtsrat ab, beide haben anscheinend gelegentlich etwas zu melden.

Mit solch Unternehmenspetitessen hält man sich in dieser plot- und selbstverliebten Serie nicht lang auf – wozu stimmige Details, wenn man doch eine grandios ausgreifende Räuberpistole mit prächtigen zeithistorischen Dekorationsvorhängen am Spannungsreißbrett entworfen hat? Hauptsache, sie sind alle grundböse oder strunzdumm, diese eiskalten Kapitalisten mit ihren Leichen im Keller und dem Dauerärger mit dem Personal, das unpraktischerweise fruchtbarer scheint als die eigene Sippe. Bis auf zwei Heldinnen: Jenny (Sinje Irslinger), Nachwuchsahnenforscherin, und Nora Shaheen (Lorna Ishema), brillante Juristin, unanfechtbare Moralistin, die erst seit sechs Monaten in der Lindemann-Rechtsabteilung arbeitet und die sich daranmacht, „die Wahrheit“ über die Lindemanns herauszufinden. Ihre Motive kann man am Ende aller Folgen nicht einmal ansatzweise ahnen.

Wie Sodom und Gomorrha

„Breaking Even“ (Hauptautoren Boris Kunz, der auch Regie führt, und Rafael Parente, der auch als Produzent fungiert) zeichnet nicht nur die Entscheidungsabläufe eines Weltkonzerns so, wie sich Klein-Hänschen das vorstellen mag, sondern verzapft auch nichts als naiven Stuss, wenn es um den abtrünnigen linksradikal-punkigen Aktivistensohn Benedikts, Konstantin (Rafael Gareisen) geht. Der hasst die Familie, eilt aber ständig mit „Meine Familie braucht mich!“-Rufen aus seiner Abbruchbutze zu jeder Sippenversammlung mit goldenen Weingläsern – und spielt Fernschach mit dem Vater. Bei einer nächtlichen Protestaktion hat sich die junge Radikale, Jenny, an ihn herangemacht, verschwindet aber immer wieder, genau wie die Spannungsbögen der Geschichte, ins Nichts. Noch lebt sie im versifften Wohnwagen mit dem Großvater und plant ein Feuerwaffen-Attentat bei der Jubiläumsfeier, später schmachten sich die beiden Protestler mit Verliebtheitsbeteuerungen an.





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Trailer
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„Breaking Even“
Bild: ZDF und Tim Kuhn

Konstantins Mutter Antonia (Marion Mitterhammer) trinkt und hat ansonsten keine Funktion. Leonores Lieblingssohn Maximilian (David Rott als eine Art 70er-Jahre-Playboy-Mumie) kommt gerade mit neuer Kunsthistorikerin-Freundin im Schlepptau aus dem Ausland, kassiert den Giacometti, treibt es, von Mama amüsiert beobachtet, auf dem Esszimmertisch („der ist hundert Jahre alt!“) und lässt sich von ihr auf den Mund küssen. Sodom und Gomorrha unter kulturbeflissenen und technikbegeisterten Ruhrbaronen. Das Thema gibt einiges her, und seit Mario Adorfs Patriarchendarstellung oder Iris Berbens Bertha-Krupp-Rolle ist auch Zeit vergangen. Die Musik ist nicht schlecht (David Reichelt), der Look nett und modisch-düster (Kamera Tim Kuhn) – nur das Gesamtergebnis zum Davonlaufen.

Die dysfunktionale Patriarchendynastie der Lindemanns aus Essen, Imaginationszwillinge von Krupp und Thyssen, mit einer Prise Burda erfunden, residiert nicht in der Residenz Villa Hügel, das wäre der steinreichen Familie zu neumodisch. Die Lindemanns machen auf Prähistorismus, wohnen in einer Art weitläufiger Burg mit Wassergraben im Ländlichen, die aussieht wie ein Anwesen der Hülshoffs im Münsterland. In der Gräfte hält Benedikt seine geliebten Zierkarpfen, die einzigen Wesen, die ihm nicht tagtäglich widersprechen. Fische sind eben stumm. Schwester Viktoria (Sandra Borgmann), seit einer Entführung nasenlos, züchtet seltene Greifvögel und pflegt den hinfälligen Firmenältesten, einen jüdischen Überlebenden des KZs Buchenwald, den man hier ausgerechnet in einen grauweiß gestreiften Schlafanzug steckt. Benedikts Tochter Charlotte (Laura Berlin), die Papas Träume von der Wandlung des globalen Lindemann-Konzerns zum smarten KI-Unternehmen trägt, zieht zu Beginn als Entwicklungsvorstand die Strippen, verschwindet aber bald nach China. Jeder Darsteller agiert hölzern oder distanziert ob der unsäglichen Rollenprosa – bis auf Lorna Ishema und Sinje Irslinger, die ihre Figuren glaubwürdiger spielen, als sie es verdienen. Am ärgerlichsten aber ist der plakative Umgang mit Motiven der jüngeren deutschen Geschichte.

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