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#Österreich, der Balkan und der Islamismus

Österreich, der Balkan und der Islamismus

Wien ist die Hauptstadt des Balkans. Wer das für ein scherzhaftes Bonmot hält, kennt weder die Stadt noch die Statistiken. Ob in öffentlichen Verkehrsmitteln, auf Baustellen, beim Einkaufen oder im Caféhaus: Überall sind Sprachen von der Balkanhalbinsel zu hören.

Michael Martens

Michael Martens

Korrespondent für südosteuropäische Länder mit Sitz in Wien.

Die anekdotische Evidenz wird durch Zahlen bestätigt. Nach den Deutschen stellen in Österreich Migranten aus Rumänien die größte Bevölkerungsgruppe unter den ausländischen Staatsangehörigen. Es folgen Zuwanderer aus Serbien, danach erst kommen Türken als viertgrößte Gruppe, gefolgt von Bosniern. Auch Kroaten, Bulgaren und Mazedonier bilden große Gemeinschaften. Insgesamt sind etwa eine halbe Millionen Zuwanderer mit ausländischer Staatsbürgerschaft vom Balkan in Österreich gemeldet. Fast ein Viertel der Landesbevölkerung hat Migrationshintergrund.

Die größte Gruppe stammt aus Südosteuropa. Das bedeutet automatisch auch einen hohen Anteil an muslimischer Zuwanderung. Im Kosovo, in Albanien und seit einigen Jahren auch in Bosnien-Hercegovina ist als Spätfolge der osmanischen Herrschaft die absolute Mehrheit der Bevölkerung formal muslimisch. Vor allem in Nordmazedonien und Bulgarien, aber auch in Montenegro und Serbien gibt es zudem starke muslimische Minderheiten. Der Attentäter vom Montag war ein gebürtiger Wiener, dessen Eltern einer solchen Minderheit angehörten: Sie waren als Albaner aus Mazedonien (das seit 2018 Nordmazedonien heißt) nach Österreich gekommen. Albaner stellen etwa ein Viertel der Bevölkerung Nordmazedoniens. Die meisten Albaner sind Muslime.

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Der auf dem Balkan praktizierte Islam gilt traditionell als relativ liberal. Für viele Balkanmuslime ist der Islam vor allem Teil ihrer kulturellen Identität, weniger eine Religion, deren Glaubensvorschriften strikt zu befolgen sind. In Sarajevo, Prishtina und vor allem in Tirana spielt der Islam im öffentlichen Leben keine dominierende Rolle. Die meisten Restaurants servieren Alkohol, die Gebetsrufe erfolgen viel leiser als etwa in der Türkei, die Moscheen sind nur mäßig besucht, der Fastenmonat Ramadan wird von vielen nicht beachtet. Islamistische Parteien von Relevanz gibt es nicht.

Allerdings lässt sich die Feststellung von der relativen Liberalität des Islams am Balkan nicht mehr uneingeschränkt treffen. Denn eine Minderheit meist junger Männer in den Balkanstaaten hat sich in den vergangenen Jahren stark radikalisiert. Dieser Trend lässt sich seit mehr als einem Jahrzehnt beobachten.

Terrorismus große Gefahr für Österreich

Das hat auch Rückwirkungen auf Österreich. Denn die in Österreich lebenden ethnischen Gemeinschaften vom Balkan stehen weiterhin in engem Austausch mit den Herkunftsländern der Eltern oder Großeltern. Viele Menschen verbringen die Sommerferien dort oder haben noch Immobilienbesitz, auch werden traditionell Hochzeiten in den Herkunftsländern gefeiert – selbst wenn beide Brautleute schon nicht mehr dort geboren leben.

In diesem Jahr haben am Ende der Sommerferien nicht zuletzt die hohen Corona-Infektionszahlen unter den Rückkehrern vom Balkan gezeigt, wie eng die Verbindungen weiterhin sind. Die radikalisierten Teile der muslimischen Gemeinschaften auf dem Balkan wiederum haben engen Kontakt zu islamistischen Bewegungen in Syrien und anderen Weltgegenden. So sind auffällig viele junge Muslime aus den Balkanstaaten als „Dschihadisten“ nach Syrien gezogen. Viele kamen dort um, während Terror-Rückkehrer die Staaten der Region vor große Herausforderungen stellen.

Allerdings kann die Radikalisierung des Täters von Wien genauso gut in Österreich und ohne jegliche Verbindung nach Nordmazedonien stattgefunden haben – Details dazu waren am Dienstag zunächst nicht bekannt. Bekannt ist aber, dass auch Österreich ein Problem mit islamistischen Gefährdern hat. Im österreichischen Verfassungsschutzbericht für 2018 heißt es: „Für Österreich geht die größte Bedrohung unverändert vom islamistischen Extremismus und Terrorismus aus.“ Schon 2017 zählten die Behörden mehr als 300 Personen, die sich als „Dschihadisten“ nach Syrien oder in den Irak auf den Weg gemacht hatten. Das ist, gemessen an der Bevölkerungszahl, ein hoher Wert. Die Zahl der im Inland verbliebenen islamistischen „Gefährder“ in Österreich wurde 2017 auf etwa 1000 geschätzt. In diesem gefährlichen Milieu stehen Muslime mit südosteuropäischem und solche mit russischem Migrationshintergrund, nämlich Tschetschenen, oft im Mittelpunkt.

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