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Onkel Wanjas Wälder

Schriftsteller streifen durch die Wälder. Ihre Beschreibungen von Wind, Rauhreif, Fährten, Kronen und Borken, Temperaturen und Sternbildern sind seit langem von der Romantik inspiriert und von Henry Thoreaus berühmtem Buch „Walden“ von 1854. Dessen Kapitel tragen Überschriften wie „Das Bohnenfeld“, „Die Teiche“ oder „Wintertiere“. Einer seiner hervorragendsten literarischen Nachfahren ist der britische Historiker John Lewis-Stempel. 2010 veröffentlichte er die Erzählung seines Jahres als Selbstversorger an der Grenze von England und Wales. Darin erschien die Welt für den Wissenden als eine große, mit Poesie, jagbaren Tieren sowie wilden Beeren und Kräutern gefüllte Kammer. Nur im Winter-Kapitel konnte man Angst um den Autor bekommen, angesichts der knappen Einträge auf seinem Speisezettel: „Tauben, Kaninchen, Grauhörnchen, Löwenzahn, Feldsalat, Brennnesseln“ listet Stempel im Februar auf.

„Mein Jahr als Jäger und Sammler. Was es wirklich heißt, von der Natur zu leben“ lautet der Titel des 2019 auf Deutsch erschienenen Buches, ganz neu auf Deutsch ist „Im Wald. Mein Jahr im Cockshutt Wood“ (beide bei Dumont). Die Farben des Waldes, seine Lichtstimmungen und Laute, die Interaktionen seiner beweglichen Bewohner und anorganischen Interieurs beschreibt der Historiker hier. Wann noch Schweine frei durch den Wald strolchten, weiß er genau. Er denkt konkret und wortmächtig: „2. Mai: Ein neuer Klang im Wald: der von Regen auf ausgewachsenen Blättern – wie sächsische Krieger, die auf ihre Schilde schlagen.“

Auf den Pfaden der Wildschweine

Hinter dem verspielten Ansatz des Historikers Lewis-Stempel verbirgt sich ein kluges theoretisches Motiv. Wie sehr muss die Natur durch den Körper gehen, damit der Mensch spürt, ein Teil von ihr zu sein? Kann er auch durch Nachdenken darauf kommen, wie rasch er mit ihr untergehen wird, wenn er fortfährt, ihre Ressourcen zu zerstören? Der französische Schriftsteller Baptiste Morizot erweist sich in seiner in diesem Jahr auf Deutsch erschienenen „Philosophie der Wildnis“ (Reclam) als Spurensucher und schult sich und seine Leser in der Kunst der Naturkunde. Zauberhaft ist sein gleichermaßen versponnener wie konkreter, geisteswissenschaftlicher wie verträumter Ansatz, mit dem er den Pfaden der Wildschweine oder den Wildwechseln der Rehe folgt. Es geht darum, inspiriert von Gilles Havards 2016 erschienener „Geschichte der Waldläufer“, den Möglichkeiten des Menschen nachzuhängen, „soziale Beziehungen zum Wald“ aufzunehmen, wie Havard sie für das amerindianische Volk der Algonquin bezeugt.

Diese anthropologisch geprägte und in die Metamorphosen der Natur verliebte Erzählung dringt mit äußerster Behutsamkeit in die Wildnis ein. Man mag Lewis-Stempels Ironie und Handfestigkeit bevorzugen, aber je länger man Morizot liest, umso weniger kann man sich seiner Belesenheit, Leidenschaft und Ernsthaftigkeit entziehen. Den Texten des englischen Exzentrikers wie des französischen Philosophen ist das Interesse am Naturzustand des Menschen zentral, aber wenn man ihre Wege aus der Entfernung betrachtet, erscheinen ihre Denkbewegungen wie späte Echos des Schmuck-Eremitentums des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts. Als sich die Gärten und Parks in zum Leben erwachte Landschaftsgemälde verwandelten, stellten manche ihrer Eigentümer Einsiedler an, die in schlichten Behausungen irgendwo auf dem Gelände lebten und sich auf Wunsch in ihren Kutten zeigten.

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