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#Organisierter Hirnschaden

„Organisierter Hirnschaden“

Zwei bärtige Männer sehen sich in die Augen, zwischen ihnen ein kleiner Tisch. Der eine legt die Hand an die Wange seines Gegenübers, misst die Distanz und holt schwungvoll aus. Krachend schlägt die Hand ein, die weiße Kreide an der Innenseite hinterlässt eine große Wolke. Der stämmige Mann fällt in sich zusammen und kippt nach hinten. Die Schiedsrichter hinter ihm bekommen ihn und seinen Kopf gerade noch vor dem Aufschlag zu fassen. Das ist der Alltag in der amerikanischen Serie „Power Slap“. De­ren erste Staffel ging am vergangenen Wochenende mit einem kurzen und brutalen „Finale“ zu Ende. Weitere Staffeln sind bereits geplant, denn es gibt ein Publikum für diesen neuen „Sport“. Zumindest nennt Dana White, der Produzent von „Power Slap“, das Ganze so: einen neuen, aufregenden und seriösen Sport. Leider ist es nichts davon.

White ist einer der größten Namen im internationalen Sportgeschäft. Er hat die Kampfsportorganisation UFC, die Ultimate Fighting Championship, zu einer der lukrativsten Sportveranstaltungen der Welt gemacht. Sie hat den vergleichsweise neuen Kampfsport Mixed Martial Arts (MMA), eine Mischung aus allen bestehenden Kampfsportarten, seit den Neunzigerjahren mit aufgebaut. Was als moderner Gladiatorenkampf mit minimalen Regeln begonnen hat, ist mittlerweile zu einem seriösen und weitestgehend skandalfreien Sport geworden. Doch dass White dasselbe auch mit „Power Slap“ gelingt, ist unwahrscheinlich.

Inspiration aus Polen

Schon die Tatsache, dass der Sinn von „Power Slap“ darin besteht, ungeschützte Schläge zum Kopf zu nehmen, grenzt an Satire. Im Kampfsport, ganz gleich, ob Boxen, Kickboxen oder MMA, spielt die Defensive und das Ausweichen eine essenzielle Rolle. Dennoch haben Boxer wie Muhammad Ali oder Joe Louis durch ihre Jahrzehnte im Ring erhebliche Hirnschäden im Alter davongetragen. Gehirnerschütterungen und die dadurch entstehende Beschleunigung von Alzheimer und Demenz sind gut dokumentiert. Doch die Inspiration für „Power Slap“ liegt nicht im Boxen, sondern in den sozialen Medien. Als White 2017 Videos aus Russland und Polen sah, in denen „Slap Fighting“ präsentiert wurde, sagte er: „Wir müssen aus dieser Sache einen echten Sport machen.“ Auch MoistCr1TiKaL, einer der prominentesten Youtuber und Streamer, hat derartigen Videos eine Plattform geboten. In seinen Beiträgen hat er auf die Duelle reagiert und sich darüber lustig gemacht. Allein eine seiner mehrteiligen Reaktionen auf die Ohrfeigen ist über 21 Millionen Mal angeschaut worden.

Seit Mitte Januar wurden acht Folgen von „Power Slap“ veröffentlicht, die circa eine Dreiviertelstunde laufen. Auf dem amerikanischen Sender TBS waren die Quoten unterirdisch, in den sozialen Medien hingegen sieht es anders aus. Kurze Ausschnitte von den Kämpfen sorgen in den Netzwerken für Klicks. Eine heftige Ohrfeige in Zeitlupe, der Aufprall der Hand, der Knockout des Gegners – das alles dauert in komprimierter Form keine zehn Sekunden. So wurde das Finale damit beworben, dass das Format über eine Milliarde Mal in den sozialen Netzwerken angeschaut wurde.

Kämpfer leben in der Reality-TV-WG

Die Struktur von „Power Slap“ ähnelt der von „The Ultimate Fighter“, einer Reality-TV-Show, mit der die UFC 2005 in den Mainstream durchgebrochen ist. Darin leben mehrere temperamentvolle Kämpfer unter einem Dach und müssen sich die Zimmer teilen. Die Kameras fangen jede Sekunde ein, schließlich sind Zwischenfälle Sinn und Zweck solcher Reality-Formate. Die Teilnehmer werden von zwei Coaches „trainiert“ und treten in einem Turnierbaum gegeneinander an. Im Finale stehen sich dann auch die Coaches gegenüber. „Power Slap“ ist ein bisschen wie „Big Brother“, nur mit bleibenden Schäden.

Ohrfeigen als Sport: Spätfolgen sind gut dokumentiert


Ohrfeigen als Sport: Spätfolgen sind gut dokumentiert
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Bild: AP

Die meisten der Ohrfeigenduelle enden in einem Knockout, der jedes Mal nach einem brutalen Hirntrauma aussieht. Wer mit der Ohrfeige beginnt, entscheidet die Münze. Es ist also reiner Zufall, wer die erste Schelle austeilt und wer sie einsteckt. Sollte einer der Männer nach einem Schlag stehen bleiben, bekommt er eine Erholungszeit von 30 Sekunden. Übersteht er diese, darf er zu seinem Gegenschlag ansetzen. Die größte Ironie dabei: Dana White und seine Frau wurden an Neujahr dabei gefilmt, wie sie sich bei einem Streit in einem Nachtklub gegenseitig ohrfeigten.

Gekämpft wird um Ruhm und Ehre. Und um wenig Geld. Als Dreingabe gibt es für den Sieger einen silbernen Gürtel, in dessen Mitte das Wort „Slap“ glänzt. Diejenigen, die zu „Power Slap“ eingeladen wurden, aber nicht antraten, machten auf Twitter publik, mit wie viel Geld man sie ködern wollte. 2000 Dollar für einen Ohrfeigenkampf und noch einmal denselben Betrag, sollten sie gewinnen. Im amerikanischen Gesundheitssystem gehen solche Summen schnell verloren. Und für etwaige Hirnschäden kommt die Sendung nicht auf. Mehrere Neurologen haben sich gegen die Sendung ausgesprochen und ihre Absetzung gefordert. Auch Box-Promoter Lou DiBella hat nichts als Kritik für dieses Format übrig. Er nennt sie einen „organisierten Hirnschaden“. Und vielmehr ist „Power Slap“ auch nicht.

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