#Ort der Machtlosen und Ratlosen
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„Ort der Machtlosen und Ratlosen“
Vom mobilen Wasserkocher der Armee, der mit Holz befeuert wird, steigt Rauch auf, der Brandgeruch zieht in Kleidung und Haare. Männer holen heißes Wasser für Tee oder Nudelsuppe. Ein Kind rutscht im Matsch hinter den Toilettenhäuschen aus, der Vater hilft ihm auf. Frauen waschen auf einer Palette Kinderkleidung mit Wasser aus einem Schlauch. Jacken, Pullover und Schneeanzüge hängen über einem Zaun zum Trocknen im Nieselregen. Männer lehnen an den blauen Absperrgittern, reden, rauchen. Grenzsoldaten in grünem Flecktarn passen auf, dass niemand unerlaubt das Gelände verlässt.
Dahinter erhebt sich eine riesige rot-graue Lagerhalle, das „Transport- und Logistikzentrum“ von Brusgi, wie dieser Grenzübergang nach Polen im Nordwesten von Belarus heißt. Der ist jetzt geschlossen, an einem weiter südlich gelegenen Übergang stauen sich die Lastwagen. In Brusgi stand der Grenzzaun zu Polen, eine Viertelstunde Fußmarsch von der Lagerhalle, und bis in die vorige Woche im Zentrum des Ringens von Machthaber Alexandr Lukaschenko mit der EU. Jetzt ist Brusgi ein Ort der Machtlosen und Ratlosen. Migranten wie Sicherheitskräfte fragen, wie lange „das“ weitergehen soll.
Niemand weiß genau, wie viele es sind
In der Halle werden in normalen Zeiten Güter zwischengelagert, die aus der EU nach Belarus und damit in die Eurasische Wirtschaftsunion kommen. Seit voriger Woche steht dafür nur noch die Hälfte der Halle zur Verfügung. Nachdem polnische Kräfte mit Wasserwerfern und Tränengas einen Durchbruchsversuch unter den Augen der belarussischen Grenztruppen verhinderten und die Zeltlager am Grenzzaun aufgelöst wurden, hausen auf der anderen Seite der Lagerhalle Männer, Frauen und Kinder.
Samstags um 9.00 Uhr
Sie haben zwischen die Stahlregale Kabinen aus Teppichen und Decken gebaut. Manche schlafen ein Stockwerk darüber auf Paletten, andere in Zelten in den Gängen. Ungefähr 2000 Menschen sollen in der Halle sein, aber niemand zählt sie. Es könnten mehr, aber auch weniger sein; addiert man die Angaben der Soldaten, die in Militärzelten Essen ausgeben, kommt man auf 1500 Portionen. An diesem Tag wird Buchweizenbrei auf Plastiktellern ausgegeben.
Die allermeisten im Lager sind Iraker, doch es sind auch Syrer da und neun Afrikaner. So viele hat ein junger Kongolese gezählt, der in der Schlange vor einem mobilen Einkaufsladen wartet. Bezahlt wird in belarussischen Rubeln, die Grenzer führen Leute, die Euro oder Dollar tauschen wollen, gruppenweise zu einer Wechselstube. Wer nach teuren Taxifahrten aus Minsk hierher und harten Wochen im Grenzwald, den alle hier den „Dschungel“ nennen, noch Geld hat, kann im Lager auch Schawarma oder Hot Dogs mit Hühnchenfleisch kaufen.
Frauen waschen behelfsmäßig Kleidung im Migrantenlager in Brusgi.
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Bild: Friedrich Schmidt
Der Kongolese erzählt, bevor er es jetzt „in Europa“ versuchen wolle, habe er zwei Jahre in Russland auf dem Bau gearbeitet. Damit ist er eine Ausnahme. Die allermeisten im Lager kamen als Touristen aus dem Autonomen Gebiet Kurdistan im Nordirak, ihre Visa bezeugen es. Dazu erzählen sie, wie Reiseagenturen sie mit der Hoffnung lockten, ganz leicht, „in zwei, drei Stunden“, von Belarus in die EU zu gelangen.
Diese Vorgeschichte der Migrationskrise verschweigen die Staatsmedien des Minsker Machthabers, die aus dem Logistikzentrum berichten. Bis vor Kurzem sprach Lukaschenko zwar oft von „Flüchtigen“: Belarussen, die wegen der Repression der Proteste gegen die Fälschung der Präsidentenwahlen des vergangenen Jahres das Land verlassen mussten. Noch im Frühsommer drohte der Machthaber aus Wut über neue Sanktionen der EU, man habe bisher „Rauschgift und Migranten aufgehalten, jetzt werdet ihr sie selbst essen und jagen“.
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