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Pandemie halbtrocken

In meinem Kühlschrank liegt eine besondere Flasche Sekt. Sie ist aus grünem Glas und hat ein beiges Etikett. Eine rot glänzende Folienkapsel umschließt den Korken. Die Flasche wurde nicht an meinem Geburtstag abgefüllt oder an irgendeinem anderen besonderen Tag. Sie war weder teuer, noch stammt sie aus einem besonders guten Jahr. Im Gegenteil, die wertvollste Flasche, die ich besitze, ist eine Flasche Rotkäppchen Sekt halbtrocken für 3,99 Euro.

Die Geschichte dieser Flasche beginnt am 20. März 2020 in einem Supermarkt. Seit einer Woche sind die Schulen in Deutschland geschlossen, Italien meldet erstmals mehr Covid-Tote als China, und im Supermarkt lese ich auf den Schildern: „Es gelten ab sofort folgende Mengenbeschränkungen für Ihren Einkauf: 1 × Toilettenpapier, 1 × Zwieback, 2 × Zucker, Mehl, Nudeln, Reis, Konserven, Seife. Bitte bleiben Sie fair und verzichten Sie auf unnötige Bevorratung.“ Trotz Schildern sind die Regale leer. Ein paar ungewollte Dinkelnudeln sind noch da und glutenfreie Aufbackbrötchen, Hefe und Toilettenpapier gibt es seit Tagen nicht mehr. Ich habe noch 19 Rollen. Das weiß ich, weil ich gezählt habe. Aber ich will ohnehin etwas anderes: einen Sekt.

Ein wenig zu sehr angerührt vom kollektiven Klatschen auf dem Balkon, habe ich mir überlegt: Ich brauche etwas für das Ende der Pandemie. Etwas, das die Zeit, die vor mir liegt, abrunden wird. Wie alle bin ich noch unerfahren in Pandemien und wie lange diese dauern, also rechne ich mit einem Ende in den nächsten sechs bis zwölf Wochen. Rotkäppchen Sekt mit Plastikkorken erscheint mir angemessen. Zu Hause wasche ich meine Hände einen stummen Happy-Birthday-Gesang lang, dann verstecke ich die Sektflasche hinter Staubsauger und Wischeimer im Putzschrank. Hier soll sie warten.

Wenn die Pandemie also vorbei ist, stelle ich mir vor, werde ich alle meine Freunde anrufen. Wir werden uns auf der Straße treffen, uns in den Armen liegen und die Korken knallen lassen. Reihum werden wir uns die schaumige Brause in den Mund gießen, aus der Flasche versteht sich, und niemand wird mehr an Viren denken. Ich stelle mir diesen Tag vor wie Silvester.

Der Kauf war ein Versprechen

Nun nähert sich das echte Silvester, das zweite schon in der Pandemie. Ich hatte erwartet, dass erst das Corona-Silvester und dann das richtige kommt, stattdessen ist die Flasche seit genau 92 Wochen fest verschlossen in meinem Besitz. Der Kauf war ein Versprechen an mich selbst. Das Versprechen, dass es vorbei sein wird. Zuversicht für 3,99 Euro. Wobei ich rückblickend wenigstens einen Crémant hätte kaufen können.

Inzwischen steht die Flasche nicht mehr im Putzschrank, sondern liegt jetzt in meinem Kühlschrank. Jedes Mal, wenn ich ihn öffne, schimmert die rote Folie neben Sriracha-Sauce und Kapern­äpfeln. Und obwohl ich allen Grund dazu hätte, darin einen Vorwurf zu sehen – warum, verdammt, dauert das so lange? –, denke ich an all das, was in der Pandemie gut war. Die Flasche und die Frage, ob ich sie öffne, kam nämlich immer dann in meinen Kopf, wenn etwas geschafft war.

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