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#„Passagiere der Nacht“ bei Arte: Nimm statt Balsam doch einfach Paris

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Unaufdringlich und leise erzählt Mikhaël Hers in „Passagiere der Nacht“ von einer Frau, die verlassen wird – und von Menschen, die einander die Hand reichen. Ein Ausnahmefilm mit Charlotte Gainsbourg.

Kapitel enden und beginnen. Und mittendrin findet sich, wie das „und“ zwischen den Wörtern: der Film „Passagiere der Nacht“ von Mikhaël Hers. Eine junge Frau, die sich im Leben verfuhr, blickt 1981 auf die Glühbirnchen, mit denen sich in der Pariser Metro per Knopfdruck die verschiedenen Routen anzeigen lassen. Eine Frau um die fünfzig, die von ihrem Mann verlassen wurde, starrt aus ihrer Hochhauswohnung auf die nächtlichen Lichter der Großstadt.

Selbst die Politik befindet sich in einem diffusen Moment des Übergangs: Es ist der 10. Mai, der Sozialist François Mitterrand gewinnt die Präsidentschaftswahl gegen den liberalen Amtsinhaber Valéry Giscard d’Estaing, und die Anhänger Mitterrands ziehen jubelnd durch die Straßen und verteilen Rosen.

Derart stark wie auf den Straßen ist die Aufbruchsstimmung im Leben von Elisabeth (Charlotte Gainsbourg) noch nicht zu spüren. Für ein Vierteljahrhundert war sie immer nur Mutter und „nie ohne Kinder“. Sie ist traurig und ratlos und beginnt erst zu ahnen, dass der Mann, der sie im Stich ließ, und die großen Kinder, die ihre Wohnung bald ebenfalls in Richtung eigenes Leben verlassen werden, eine Chance sind. Entsprechend nachdenklich ist dieser Film.

Retro-Charme und Achtziger-Soundspur

Aber nicht schwer. Der französische Regisseur und Drehbuchautor Mikhaël Hers zeigt uns eine Frau, die eine Krise durchlebt und vor einer großen Herausforderung steht. Und die kann sie meistern, raunt der menschenfreundliche Film, so wie Elisabeth schon eine Krebserkrankung gemeistert hat. Wenn auch mit großer Narbe anstelle der Brust. „Passagiere der Nacht“ ist ein melancholischer Empowerment-Streifen. Ohne die starke Präsenz der Hauptdarstellerin Gainsbourg und den Ruhe-Schleier, den der Kameramann Sébastien Buchmann über alles legt, liefe er zuweilen ins Banale, auch ohne den Retro-Charme, die Achtziger-Soundspur, den Einbau echter alter Paris-Aufnahmen.

Aber das weiß Mikhaël Hers, der in „Mein Leben mit Amanda“ so feinfühlig von der Lücke erzählte, die durch einen Terroranschlag gerissen wird – und davor in „Dieses Sommergefühl“ von einem Mann, dessen Verlobte stirbt. Auch in diesen Filmen (deren Ko-Autoren Maud Ameline und Mariette Désert nun gemeinsam mit Hers das Drehbuch verfassten) geht das Leben trotz des Bruchs weiter. Weil es weitergehen muss und weitergehen kann. Sanft vermischt Hers die Trauer mit einem Optimismus, der nicht naiv ist, sondern zur Heilung von Wunden beitragen soll. Den Rest macht Paris.

„Passagiere der Nacht“ ist nach einer Radiosendung benannt, einem Nachtfalken-Programm á la „Domian“. Das gibt der Atmosphäre den letzten Schliff. Denn Elisabeth hört die Sendung seit Langem. In ihrer Ratlosigkeit schreibt sie einen Hilfebrief an die bewunderte Moderatorin Vanda Dorval (Emmanuelle Béart), wird nachts in den Sender bestellt – und von Dorval mit einem Job am Telefon der Sendung versorgt. Sie soll die Anrufer filtern und interessante Gäste ins Studio einladen.

So lernt sie Talulah (Noée Abita) kennen, eine obdachlose 18-Jährige. Es ist jene Frau, die zu Filmbeginn vor dem Metro-Plan stand und sich eine Linie nach der anderen anzeigen ließ. Sie erinnert Elisabeth offensichtlich daran, wie sie einst selbst als Jugendliche in die Großstadt Paris aufbrach, und bekommt von ihr nach der Sendung für einige Nächte ein Dach über dem Kopf, was auch Elisabeths Kinder Matthias (Quito Rayon Richter) und Judith (Megan Northam) gutheißen.

Prompt entspinnt sich zwischen Matthias und der Fremden eine kleine Liebesgeschichte. Aber man darf sich nicht vertun: „Passagiere der Nacht“ handelt von der Liebe im Großen, und das bis auf ein Abendessen, bei dem sich Elisabeth, Matthias, Judith und Talulah umarmen und zu Joe Dassins „Et si tu n’existais pas“ tanzen, fast ohne Kitsch. Wir sehen ein zartes Familienporträt. Es kommt ohne Elisabeths abtrünnigen Ehemann aus, verneigt sich vor Eric Rohmers „Vollmondnächten“ und erzählt uns in furchtbaren Zeiten zwischen einem Alten, das endet, und einem Neuen, das wir nicht kennen, unaufdringlich von Menschen, die anderen die Hand reichen.

Passagiere der Nacht läuft heute um 20.15 Uhr auf Arte, verfügbar in der Mediathek

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