#Politik im Bikini
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„Politik im Bikini“
Und wieder präsentieren sich Frauen aus aller Welt in Bikini auf einer Bühne, um von einer Jury über ihren Körper, angeblich aber auch über ihre sogenannte Grazie, ihre performativen und rhetorischen Qualitäten bewertet zu werden. Wie zeitgemäß das noch ist, mag man fragen: Um sich für eine Teilnahme zu qualifizieren, dürfen die Frauen nicht verheiratet oder geschieden sein, und auch ein bestimmtes Alter dürfen sie nicht überschritten haben. Die israelischen Organisatoren erklärten, sie hätten zumindest versucht, den Bikini-Wettbewerb abzuschaffen – das sei aber an der US-amerikanischen Mutterorganisation gescheitert.
Netta Barzilai, die 2018 den Eurovision Song Contest für Israel gewann, sollte als Haupt-Act bei der Veranstaltung auftreten. Sie lehnte wegen der antiquierten, misogynen Regeln ab: „Ich sehe mich nicht auf einer Bühne, auf der Frauen nach ihrem Aussehen, ihren Körpermaßen, ihrer Größe und ihrem Gewicht bewertet werden“, sagte sie dem israelischen Sender Channel 13. Sie kritisierte Schönheitswettbewerbe als brutale Idee, die aus der Zeit gefallen und ohne Zukunft sei.
Ein Schönheitswettbewerb als Friedensbotschaft?
Dennoch ist Miss Universe nach Angaben der Organisatoren mit mehreren Millionen Zuschauern eine der quotenstärksten Veranstaltungen der Welt. Als alte Dame der Schönheitsindustrie feiert sie ihr 70. Jubiläum. Doch nicht ohne Kontroversen: Die Austragung des Wettbewerbs sorgte angesichts der Pandemie und der potenziellen Gefahr der neuen Omikron-Mutante für Aufsehen. Unverhoffte Aufmerksamkeit verursachte aber der Austragungsort: Eilat in Israel.
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Die nationale Presse bezeichnete die Veranstaltung als „Model United Nation“ und „Friedensbotschaft“, da auch im Sinne diplomatischer Beziehungen Kandidatinnen aus Bahrain und Marokko teilnahmen (etwas, das vor der Abraham Accords Declaration zur diplomatischen Annäherung schwer denkbar gewesen wäre). Dennoch gab es vor allem Kritik: Die griechische Schönheitskönigin Rafaela Plastira etwa verkündete, Israel aus Solidarität zu Palästinensern boykottieren zu wollen – obwohl sie an dem konkurrierenden Wettbewerb Miss World, der am kommenden Freitag in Puerto Rico stattfinden wird, antritt, und nicht in Israel.
Für mehr Furore hat allerdings Miss Südafrika gesorgt. Die wurde von ihrer Regierung aufgefordert, dem Wettbewerb fernzubleiben: Wie das südafrikanische Ministerium für Sport, Kunst und Kultur und ranghohe Politiker, die israelische Praktiken mit dem einst in Südafrika herrschenden Apartheid-Regime verglichen, verlauten ließen seien „die Gräuel gegen Palästinenser gut dokumentiert“. Die südafrikanische Schönheitskönigin Lalela Mswane hielt dagegen und trat beim Kostümwettbewerb als weiße Friedenstaube auf. Die südafrikanische Nichtregierungsorganisation Citizens for Integrity wollte derweil ihre Regierung für den Entzug der Unterstützung für Miss South Africa vor Gericht bringen, bislang erfolglos.
Miss Südafrika, Lalela Mswane, auf der Bühne während der Präsentation der Nationaltracht des 70. Miss Universe Schönheitswettbewerbs in Israels südlicher Küstenstadt Eilat.
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Bild: AFP
Malaysia und Indonesien, die immer am Wettbewerb teilgenommen haben, sagten ihre Teilnahme aufgrund der Pandemie in diesem Jahr ab. Dass beide Länder Israel nicht anerkennen wurde dabei nicht erwähnt.
Publicity als Propaganda?
Palästinensische Organisationen wie Eye of Palestine, die sonst Gewalt gegen Palästinenser dokumentieren, prangerten die Tour der Schönheitsköniginnen als Propaganda an, weil sie unter anderem die Altstadt von Jerusalem besuchten und arabische Spezialitäten zubereiteten und Kleider mit dem Kufiya-Muster trugen, die als palästinensisches Nationalsymbol gelten – gesponsert vom israelischen Tourismus-Ministerium ohne Nennung palästinensischer Kultur.
Diese Art der Publicity ist den Veranstaltern dann wohl doch zu viel geworden. Die amtierende Miss Universe, die mexikanische Andrea Meza, sagte AP im Vorfeld, dass der Wettbewerb nicht politisiert werden solle. Israel sei aufgrund seiner reichen Geschichte, schönen Landschaften und vierfältigen Kulturen und Reiz als Tourismusdestination ausgesucht worden, auch wenn derzeit ein Einreisestopp für Ausländer herrscht.
Am Sonntag um Mitternacht wird aus 80 Kandidatinnen die neue Miss World gekürt. Wie stark das Finale politisiert wird, welche Qualitäten eine Schönheitskönigin 2021 haben muss, und ob die alte Dame der Schönheitswettbewerbe in der Zukunft noch tragfähig ist, wird sich zeigen.
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