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#Letzte Ausfahrt Brügge

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Letzte Ausfahrt Brügge

Ein Rennen noch, dann ist die Schinderei vorbei. Am Mittwoch steigt Tony Martin ein letztes Mal auf die Zeitfahrmaschine, die ihm so viele Momente des Glücks, aber auch eine Menge Schweiß und Erschöpfung beschert hat. Dann führt er das deutsche Männertrio in der Mixed-Staffel der Rad-WM in Flandern an. Nach diesen letzten 22,5 Kilometern zwischen Knokke-Heist und Brügge sei endgültig Schluss mit dem Beruf als Radprofi. Das kündigte Martin am Sonntag, kurz vor seinem vorletzten Rennen beim Einzelzeitfahren der WM, an.

Mit seiner Rücktrittsnachricht noch vor dem Einzelzeitfahren wollte Martin vermeiden, dass der Entschluss wie eine Frustreaktion auf nicht erreichte Ziele wirkt. Damit gerungen hat er offenbar schon länger. „Eine solch weitreichende Entscheidung fällt einem natürlich nicht leicht. Der Radsport hat einen Großteil meines bisherigen Lebens geprägt, mit Höhen und Tiefen, großen Erfolgen und Niederlagen, Stürzen und Comebacks“, ließ er am Sonntagmittag in einer Erklärung seines Managements verbreiten.

Martin wurde dann Sechster im Zeitfahren, der Italiener Filippo Ganna verteidigte seinen Titel erfolgreich. „Ich habe es genossen, die Atmosphäre, die Zuschauer. Es war ein toller Tag, und ich bin stolz auf das, was ich geleistet habe“, sagte Martin nach seinem Auftritt.

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Mit ihm verabschiedet sich eine der prägenden Gestalten des deutschen Radsports der letzten Dekade. 15 Jahre lang war Martin Profi. Er begann 2005 als Stagiaire beim damaligen deutschen Rennstall Gerolsteiner. Nach zwei Jahren beim Thüringer Energie Team startete er 2008 bei Team Highroad, dem Nachfolger des Rennstalls Deutsche Telekom, durch. Er war Protagonist der Generation nach Jan Ullrich – in seiner Jugend geprägt von diesem Idol, im Erwachsenenalter aber einer, der sich mit den Dopingpraktiken früherer Radrennfahrer auseinandersetzen musste.

Martin war dabei ein scharfer Kritiker. Eine Weile galt Martin sogar als einer, der auch – wie einst Ullrich – für das Hochgebirge geeignet schien. Das war etwa 2009 so, als er auf der Königsetappe der Tour de France zum Mont Ventoux lange um den Etappensieg mitfuhr und sich nur deshalb mit dem zweiten Platz zufriedengeben musste, weil er sich bei der letzten Kurve verkalkuliert hatte.

Selten auf eigene Rechnung

Als deutlich wurde, dass das Talent für alpines Terrain nicht ausreichte, sattelte Martin um und konzentrierte sich auf die Zeitfahren. 2011 holte er in Kopenhagen den ersten seiner insgesamt vier Weltmeistertitel in dieser Kategorie. Im einsamen Kampf gegen die Uhr prägte er mit seiner schieren Beinkraft und seiner Detailversessenheit eine ganze Ära.

Am eindrucksvollsten war wohl sein drittes Regenbogentrikot, errungen in der Hitze des Wüstenstaats Qatar. Martin, zu jenem Zeitpunkt von vielen bereits auf dem absteigenden Ast gewähnt, überraschte mit unkonventioneller Trainingslehre. Um sich auf die extrem hohen Temperaturen einzustellen, trainierte er vor einem Heizlüfter. „Ich zog mir auch noch dicke Sachen an, um die Körpertemperatur ganz hoch zu halten“, erzählte er danach.

Gezeichnet: Tony Martin nach einem Sturz bei der Tour de France


Gezeichnet: Tony Martin nach einem Sturz bei der Tour de France
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Bild: dpa

Seine Power stellte er auch immer wieder bei Etappenrennen unter Beweis. Oft hielt er für seine Kapitäne das Feld zusammen. Seltener, als es bei seinem Talent zu erwarten war, fuhr er auf eigene Rechnung. Dennoch gelangen ihm auch hier große Siege. Den von ihm nicht sonderlich geschätzten Kampfnamen „Panzerwagen“ erhielt er 2014 bei einem Husarenritt durch die Vogesen. Nach fast 60 Kilometern Alleinfahrt vor einer mehr als 20 Mann fassenden Fluchtgruppe holte Martin einen beeindruckenden Tour-Etappensieg. Ein Jahr später fuhr er auf dem Kopfsteinpflaster von Cambrai sogar dem gesamten Tour-Peloton davon. Mit dem Tagessieg eroberte er auch erstmals das Gelbe Trikot.

Aus der Spätphase der langen Karriere werden vor allem zwei andere Bilder in Erinnerung bleiben. Das eine ist die Geste, die Martin beim Tour-Auftakt 2020 machte. Mit seinen weit ausgebreiteten Armen und dem aufrechten Oberkörper forderte er seine Berufskollegen zur langsamen und vorsichtigen Fahrt auf den vom Regen spiegelglatt gewordenen Straßen im hügligen Hinterland der Côte d’Azur auf. Martin war unbestrittener Anführer des Bummelstreiks. „Es war für mich ein gutes Zeichen, dass das komplette Fahrerfeld bis auf feinste Ausnahmen da an einem Strang gezogen und die Fahrersicherheit vor das Ergebnis gestellt hat“, sagte er dazu.

Bei der Tour de France ein Jahr später hat sich das Bild jener unvorsichtigen Zuschauerin eingebrannt, die ein Pappschild mit der Aufschrift „Allez Opi/Omi“ so ins Peloton hineinhielt, dass Martin als Erster zu Fall kam und so einen Massencrash auslöste. In den Tagen danach war Martin in weitere Stürze verwickelt und musste aufgeben.

Zur WM hat er sich noch einmal in Form gebracht. Die eigenen Unfälle mit dem Rad und auch die in seinen Augen nicht wesentlich verbesserten Bedingungen bei Rennen gaben bei ihm aber den Ausschlag, es mit dem Berufsradfahren in Zukunft sein zu lassen. „Trotz vieler Diskussionen um Streckenführung und Absperrungen hat sich die Sicherheit in Radrennen nicht verbessert“, teilte er mit. Seine Abschiedsworte werden somit auch zum Arbeitsauftrag für den Radsport-Weltverband, in Sachen Sicherheit nachzubessern.

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