#Postkolonialismus in Sanssouci
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„Postkolonialismus in Sanssouci“
Das östlichste Rondell im Schlosspark Sanssouci – „im Kreis aufgestellte Büsten vor gestutzten Sträuchern, darüber terrassenförmig angelegte Weinstöcke und Gewächshäuser“, wie Jonathan Littell in seinem Roman „Die Wohlgesinnten“ etwas freudlos berichtet – hieß bis zum vergangenen Freitag Mohrenrondell. Jetzt nicht mehr.
Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten hat den Namen offiziell getilgt, nachdem ihre kunsthistorischen Experten herausgefunden hatten, dass er eben nicht historisch ist. „Mohrenrondell“, so zeigte sich, sagten nicht schon die Gärtner des Alten Fritz, sondern erst die Denkmalschützer der DDR, die damit eine Leerstelle beschrieben: Denn die „Mohren“, vier Büsten aus Marmor und schwarzem polierten Kalkstein, die zwei weibliche und zwei männliche Afrikaner zeigen, waren seinerzeit zum Schutz vor weiterem Verfall in die Räume des Schlosses gebracht worden. Jetzt stehen sie in vorzüglichen Kopien wieder auf ihren Sockeln, je ein Paar auf beiden Seiten des Wegs, und zwischen ihnen, leicht erhöht, die römischen Kaiser Titus und Mark Aurel, zu denen die Gesichter mit den vollen Lippen und breiten Nasen ehrfurchtsvoll aufblicken.
Triumph der Kultur- über die Naturvölker
So ungefähr hatte es sich der große Friedrich gedacht, als er das Rondell nach dem Zweiten Schlesischen Krieg aus seinem Skulpturenbestand zusammenstellte – und dabei für die „Mohren“ offenbar auf Werke aus der königlichen Kunstkammer zurückgriff, die vor 1700 in der Zeit des kurzen preußischen Kolonialabenteuers entstanden waren. Die Sechsergruppe, in der je zwei Afrikaner eine Ikone der Weisheit und gerechten Herrschaft flankieren, symbolisierte den Triumph der Kultur- über die Naturvölker, der Aufklärung über die Unwissenheit, und ebendieses Arrangement haben die Restauratoren der Schlösserstiftung penibel wiederaufgebaut. Zugleich tut sie auf einer zweisprachigen Texttafel kund, die Zusammenstellung „berührt“ auch „die aktuellen Debatten zum Umgang mit Rassismus, Versklavung und kolonialer Vergangenheit“.
Das M-Wort, an dem sich Aktivisten in Deutschland abarbeiten, könne „verletzen und abwerten“, deshalb bekomme der Platz „einen seiner früheren Namen“ zurück: Erstes Rondell. Freilich gibt es kein zweites, drittes oder viertes Rondell im Park von Sanssouci, sondern nur Musen-, Oranier- und sogar Entführungsrondelle, so dass das erste zugleich das einzige seiner Nomenklatur bleibt.
Nur eines von achtundsechzig Projekten
Man könnte, mit einem alten Begriff, von einer Dialektik der historischen Korrektheit sprechen: Einerseits wird alles rekonstruiert, was sich rekonstruieren lässt. Andererseits muss jedes Stück wiederhergestellter Geschichte den Empfindlichkeiten der Gegenwart angepasst werden. Die Potsdamer Schlösserstiftung hat zu diesem Zweck eigens eine „Steuerungsgruppe Koloniale Kontexte“ eingerichtet. Für sie ist das Rondell nur eines von achtundsechzig Projekten, die in den nächsten Jahren abgearbeitet werden sollen. Aber schon dieser erste Fall gibt einen Vorgeschmack auf die geschichtspolitischen Verrenkungen, die noch kommen werden. Das Mohrenrondell, das nicht mehr so heißen darf, ist ein sprechendes Zeichen unserer Zeit.
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