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#Proteste in Kenia: Warum die Gewalt eskaliert

Schon am Morgen verbreiteten kenianische Onlinemedien Fotos von schwarzen Rauchschwaden. Vielerorts versuchte die Polizei, randalierende Demonstranten mit Tränengas auseinanderzutreiben. In einem Viertel von Nairobi geriet die Lage derart außer Kontrolle, dass sich die Sicherheitskräfte den Berichten zufolge selbst in Sicherheit bringen mussten. Zahlreiche Verhaftungen wurden gemeldet. Am Abend starben bei Zusammenstößen mit der Polizei zwei Menschen. Dabei sollte der Mittwoch nur der Auftakt von dreitägigen Protesten sein.

Claudia Bröll

Politische Korrespondentin für Afrika mit Sitz in Kapstadt.

Fast wöchentlich finden in Kenia inzwischen Demonstrationen statt, „Maandamano“ heißen sie auf Suaheli. Schon in der vergangenen Woche war die Gewalt dabei eskaliert. Mehr als ein Dutzend Menschen kamen Schätzungen zufolge ums Leben, unter ihnen auch unbeteiligte Männer und Frauen, die lediglich ihrem Alltagsleben nachgingen. Wie die lokale Zeitung „Daily Nation“ berichtete, waren einige auf dem Weg zum Mittagessen von Schüssen getroffen worden.

Kenias Präsident William Ruto hatte die Proteste in der vergangenen Woche verboten. Der Oppositionsführer Raila Odinga jedoch rief abermals zu Demonstrationen auf, die jedoch friedlich verlaufen sollten. Statt an zwei Tagen sollen sie in dieser Woche an drei Tagen stattfinden. Die Ankündigung schürte im Land und international die Sorge vor weiteren Unruhen. Kenia gilt als Stabilitätsanker am krisengeschüttelten Horn von Afrika.

Der Benzinpreis hat sich mehr als verdoppelt

Auslöser der „Maandamano“ war der Ausgang der Wahlen im vergangenen Jahr. Odinga, der schon zum fünften Mal vergeblich für das höchste Amt im Staat kandidiert hatte, sprach von Wahlbetrug. Mittlerweile aber ziehen die Demonstranten vor allem wegen der immer höheren Lebenshaltungskosten auf die Straßen. Der Benzinpreis beispielsweise hat sich seit Ende 2020 mehr als verdoppelt. Auch Grundnahrungsmittel wie Maismehl sind spürbar teurer geworden.

Zusätzlich heizt jetzt auch noch ein vom Präsidenten unterzeichnetes, aber vom Obersten Gerichtshof derzeit ausgesetztes „Finanzgesetz“ die Wut in der Bevölkerung an. Vorgesehen ist unter anderem eine Verdoppelung der Mehr­wert­steuer auf Benzin und Diesel, nachdem Ruto als eine seiner ersten Amtshandlungen bereits die Subventionen auf Treibstoff gestrichen hatte. Außerdem soll es eine Zwangsabgabe für Arbeitnehmer und Arbeitgeber geben, um den sozialen Wohnungsbau zu finanzieren. Höhere Abgaben stehen demnach auch den „Hustlers“ bevor. Das sind Kleinunternehmer, die Ruto im Wahlkampf besonders umworben und ihnen unter anderem Kredite versprochen hatte. Er selbst hatte sich als früherer „Hustler“ präsentiert, der den Aufstieg aus der Armut geschafft hatte. Ein für die Kredite vorgesehener Fonds ist aber bisher nur spärlich gefüllt.

Die Regierung verweist zur Rechtfertigung des Gesetzes auf die hohe Staatsverschuldung, die sie von der vorigen Regierung unter Uhuru Kenyatta übernommen hatte. Statt auf neue Kredite wolle man künftig verstärkt auf Steuerfinanzierungen setzen. Zahlreiche Infrastrukturprojekte wurden in Kenyattas Amtszeit realisiert, die dem Staat aber zumindest kurzfristig kaum Einnahmen liefern. Eine neue Mautstraße, die in Nairobi zum Flughafen führt und zu Kenyattas Vorzeigeprojekten gehörte, wurde beispielsweise mit chinesischen Krediten finanziert. Der kenianische Staat ist wegen der Finanznöte bereits in Zahlungsschwierigkeiten gegenüber Gläubigern geraten, zwischenzeitlich erhielten Staatsbedienstete verspätet ihr Gehalt.

Die Opposition wiederum wirft dem Präsidenten vor, für die Schuldenlast mitverantwortlich zu sein, weil er zu der Zeit Vizepräsident gewesen war. In der vergangenen Woche beschuldigte ihn Odinga zudem, den „Kontakt zu den Menschen“ verloren zu haben. Er wisse nicht, was die Kenianer täglich durchmachten. Wenn der Präsident keine besseren Ideen als Steuererhöhungen habe, solle er die Staatsführung abgeben.

In scharfem Ton werfen sich beide Seiten zudem gegenseitig vor, für die Gewalt während der Proteste verantwortlich zu sein. Odinga sprach von „Killer-Kommandos“ unter den Sicherheitskräften und übertriebener Polizeigewalt. ­Abgeordnete der Regierungspartei hingegen werfen der Opposition nicht nur vor, regelmäßig zu den Demonstrationen aufzurufen. Sie brachten auch den vorigen Präsidenten mit ins Gespräch, der aus ihrer Sicht die Proteste mitfinanziert. Kenyatta und Odinga waren einst Erzrivalen. Doch 2018 hatten sie sich mit einem mittlerweile berühmten „Handschlag“ verbündet. Der vorige Präsident hatte auch im Wahlkampf den Oppositionsführer statt des eigenen Stellvertreters unterstützt.

Die Demonstrationen sorgen auch in der Wirtschaft, in den Kirchen und im Ausland für wachsende Nervosität. Noch gut in Erinnerung sind die Wahlen 2007, auf die wochenlange Kämpfe zwischen zwei Volksgruppen folgten. Zunehmend ist in Kenia der Wunsch nach einem abermaligen Handschlag zu hören, diesmal zwischen Ruto und Odinga.

Die unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen sind beträchtlich. Schon in der vergangenen Woche blieben Geschäfte großenteils geschlossen. Plünderungen und Randale hatten hohe Schäden angerichtet. Hart getroffen sind auch die vielen Fahrer von Motorradtaxis. Wer es sich leisten kann, bleibt während „Maandamano“ wohl auch in dieser Woche lieber zu Hause.

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