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#Putins heilige Spezialoperation

„Putins heilige Spezialoperation“

Am 8. März appellierte Kardinal Jean-Claude Hollerich, Vorsitzender der katholischen Bischofskonferenzen der EU, an Patriarch Kirill: Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche solle auf die Moskauer Machthaber einwirken, damit diese eine „diplomatische Lösung des Konflikts“ in der Ukraine suchten, auf der Grundlage von „Dialog, gesundem Menschenverstand und Respekt für das Völkerrecht“. Neun Tage später erhielt der Erzbischof von Luxemburg eine Antwort von Metropolit Hilarion, dem Leiter des Außenamts der russisch-orthodoxen Kirche, die man als Absage werten muss.

Zwar ist die Rede von „dramatischen Ereignissen auf dem vielgeprüften Boden der Ukraine“. Doch sei „ganz offensichtlich, dass der gegenwärtige Konflikt nicht mit immer neuen öffentlichen Erklärungen gelöst werden kann“. Wie sonst das russische Außenministerium, fordert Hilarion eine „Absage an die Sprache der Ultimaten“. Man habe ein „besonderes Gebet für die baldige Wiederherstellung des Friedens“ in der Ukraine in die Liturgie aufgenommen, schreibt der Metropolit zwar. Doch was darunter aus Moskauer Sicht zu verstehen ist, hatte wenige Tage zuvor Pa­triarch Kirill klargemacht: Er übergab Viktor Solotow, dem Leiter der Nationalgarde, während eines Gottesdienstes in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale eine Ikone der Muttergottes, welche „die jungen Krieger inspirieren“ solle. Solotow sagte, die Ikone werde „die russische Streitmacht schützen und unseren Sieg beschleunigen“.

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Papst Franziskus, der nach seinem historischen Treffen mit Kirill 2016 in Kuba auf eine Einladung nach Moskau hofft, würde wohl gern eine Vermittlerrolle spielen, um den Krieg zu beenden. Er verzichtete auf direkte Kritik an Russland oder dessen Präsidenten. Immerhin spricht Franziskus von Krieg, anders als Kirill. Denn für die unmittelbaren Kampfhandlungen ist das Wort in Russland tabu, es gilt Wladimir Putins Wort von einer „militärischen Spezialoperation“. Nach einer Videokonferenz zwischen Papst und Patriarch war aus Moskau von einer „kritischen Situation in der Ukraine“ die Rede. In Hilarions Antwort erscheint der (ebenfalls nicht so benannte) Krieg als traurige Sache – aber nicht als Ergebnis des russischen Überfalls, sondern als Folge davon, dass „die Beziehungen zwischen dem Westen und Russland in eine Sackgasse geraten sind“.

Kirill stützt Putins neoimperialen Kurs

Eigentlich müsste der katholischen Kirche klar sein, dass Kirill nicht infrage kommt, um Putin zu mäßigen. Vielmehr ist die russisch-orthodoxe Kirche in den vergangenen Jahren zu einer festen Stütze der Macht geworden. Der Patriarch stützt auch Putins neoimperiale Ausrichtung auf eine neue, nicht aus Kiew, sondern aus Moskau geführte „Rus“ aus Russland, Belarus und der Ukraine. Dieser Kurs war schon ein wesentlicher Grund dafür, dass die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats (KP) die Autokephalie suchte und diese Eigenständigkeit vor einigen Jahren erhielt.

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Doch der 2014 eskalierte Konflikt um die Ukraine führte auch in der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats (MP) zu Spannungen. Manche Priester Kirills riefen getreu der damals eingeschlagenen Kreml-Linie zum Kampf gegen die „Faschisten“ der „Kiewer Junta“ auf. Andere sagten sich von Moskau los. Jetzt, im Krieg, haben viele Diözesen der MP-Kirche aufgehört, ihr Oberhaupt, Kirill, in den Gottesdiensten zu erwähnen. Die KP-Kirche berichtet vom Übertritt Dutzender Gemeinden und Klöster. Kirills Kirche kritisiert ein ukrainisches Gesetzesprojekt, welches das Eigentum der MP-Kirche verstaatlichen und ihr Verbot in der Ukraine bedeuten würde.

Seit Jahren inszeniert Kirill Russland als Bollwerk gegen eine westliche, „gottlose Zivilisation“. Auch jetzt ergänzt er Putins Erzählung vom „Genozid“ in den „Volksrepubliken“ der Ostukraine um eine Werte-Dimension. So sagte Kirill am 6. März in einem Gottesdienst, seit acht Jahren werde versucht, „das, was im Donbass existiert, zu vernichten“. Dort lehne man „die sogenannten Werte, die diejenigen vorschlagen, welche die Weltmacht beanspruchen“, ab. Das meint im Kreml-Sprech Amerika. Als Beispiele nannte Kirill – der selbst eine Vorliebe für westliche Luxusgüter wie Uhren hat – „übermäßigen Konsum“ und vor allem „Gay-Pride-Paraden“. Um Letztere tobe ein „echter Krieg“, sagte Kirill; Gläubige seien „in einen Kampf eingetreten, der nicht physische, sondern metaphysische Bedeutung hat“.

Kirill hatte schon Putins Syrieneinsatz als „heiligen Kampf“ bezeichnet. Des Pa­triarchen jüngste Einlassungen laufen auf eine „heilige Spezialoperation“ hinaus. Zudem negiert Kirill, wie Putin, jede Eigenständigkeit der Ukrainer, die für ihn Teil eines einheitlichen „russischen Volkes“ sind. Wie Putin gibt Kirill äußeren (also westlichen) Kräften, die „Russland schwächen“ wollten, die Schuld am Konflikt. „Aber wie gemein und niederträchtig ist es, zur Verwirklichung dieser geopolitischen Ziele das Brudervolk zu benutzen!“, predigte er und kritisierte „religiöse Organisationen“, die zum „Kampf gegen das brüderliche russische Volk“ aufriefen. Das bezog sich offenbar auf den ukrainischen Ableger der eigenen Kirche, deren Leiter, Metropolit Onufrij, Putin offen aufgerufen hat, den „brudermörderischen Krieg“ zu beenden, und zum Gebet für die ukrainischen Soldaten aufgerufen hat.

Fachleute, die das Newsportal „Medusa“ befragte, nehmen an, dass die MP-Kirche wegen des Krieges mit Moskau brechen dürfte. Kirills Kirche verlöre so Tausende Gemeinden und Priester; das wäre nach der Autokephalie der KP-Kirche der nächste Rückschlag. Doch nichts deutet darauf hin, dass Kirill seine Kirche aus der verhängnisvollen Kopplung an den Kreml wieder herauslösen möchte.

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