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VW-Chef Oliver Blume über den Handelskrieg zwischen USA und China

Herr Blume, Amerika und China überziehen sich mit Zöllen. Werden wir gerade Zeuge, wie die seit Jahrzehnten bekannte Weltordnung und der regelbasierte freie Handel zerfallen?

Blume: Klar ist, dass die Autoindustrie mit ihren globalen Zulieferketten vor enormen Herausforderungen steht. Der Volkswagen-Konzern als global agierendes Unternehmen lebt von einem erfolgreichen Welthandel. Das ist unser Geschäftsmodell und hat weltweit über Jahrzehnte Hunderttausende Arbeitsplätze geschaffen. Wir werden unser Möglichstes tun, als verlässlicher Investor und Partner in den USA zu agieren.

Die Unternehmen sind doch zum Spielball der Großmächte geworden. Was wollen Sie tun?

Blume: Ich sehe die Industrie als Teil der Lösung. Unser größter Hebel ist es, in den Regionen der Welt zu investieren, für Beschäftigung zu sorgen und Partnerschaften zu schließen. Das funktioniert mit den richtigen Rahmenbedingungen. Für den Volkswagen-Konzern ist Nordamerika eine der wichtigsten Wachstumsregionen. Wir haben eine Vorwärtsstrategie mit spannenden Projektansätzen, maßgeschneidert und attraktiv für den US-amerikanischen Markt. Das werfen wir in die Waagschale. Aktuell laufen konstruktive Gespräche mit der US-Regierung.

Sie hoffen, dass der „Dealmaker“ Trump darauf eingeht: mehr Investitionen in Amerika für ein Entgegenkommen bei den Zöllen. Was genau bieten Sie denn an – und wo finden Sie in Washington Gehör?

Blume: Ob Volkswagen , Audi oder Porsche – wir sind fester Teil der US-amerikanischen Gesellschaft. Unsere Fahrzeuge wie der Käfer, der Bulli oder der 911 haben in den USA Kulturgeschichte geschrieben. Wir produzieren heute in Tennessee und bauen aktuell eine neue Fa­brik in South Carolina. Dort werden wir die Traditionsmarke Scout wiederbeleben und ein Stück amerikanische Seele zurück auf die Straßen bringen. Der Volkswagen-Konzern führt auch die US-Marke „International“ mit über 10.000 Beschäftigten für Schulbusse und Trucks. Außerdem haben wir im vergangenen Jahr ein Joint Venture mit Rivian geschlossen. Maßgeblich für unsere weltweite Software-Strategie. Wir investieren zweistellige Milliarden-Dollar-Beträge in den USA, beschäftigen Zehntausende Menschen in eigenen Betrieben, im Handel und im Liefernetz.

Das sind Schritte, die schon bekannt sind. Trump will aber mehr sehen.

Blume: Wir wollen weiter expandieren. Die Marke Volkswagen hat Chancen im Produktportfolio. Für Audi würde eine US-Produktion im Rahmen unserer Strategie ein Entwicklungsschritt sein. Für Porsche sind die Vereinigten Staaten der erfolgreichste Einzelmarkt mit rund 70.000 verkauften Autos – made in Germany spielt für US-Kunden eine wichtige Rolle. Und bevor Sie fragen: Für eine wirtschaftliche Produktion vor Ort brauchte Porsche ein ganz anderes Volumen. Der Volkswagen-Konzern ist in den Vereinigten Staaten seit über 75 Jahren erfolgreich verankert: auch mit weitreichenden Partnerschaften für Technologie, Software, Handel und Services. Wir haben Amerika einiges anzubieten.

Erst mal wird es jetzt für alle Autohersteller teuer. Wie hart trifft Trumps Protektionismus den Volkswagen Konzern?

Blume: Wir haben mögliche Auswirkungen sorgfältig geprüft. Unser Konzern hat im vergangenen Jahr mehr als 720.000 Autos in den USA ausgeliefert. Das ist eine nicht unerhebliche Größenordnung. Darunter auch Fahrzeuge aus Europa und Mexiko, die von den Zöllen betroffen sind. Wir haben Szenarien vorbereitet und entscheiden auf Basis einer verlässlichen Faktenlage. Diese haben wir heute noch nicht. Wir werden keineswegs voreilig agieren. Jetzt geht es darum, belastbare Argumente in die Verhandlungen zu bringen. Und darüber als Industrievertreter einen Beitrag zur übergeordneten Lösungsfindung zu leisten.

Ralf Brandstätter ist China-Chef von VW.
Ralf Brandstätter ist China-Chef von VW.dpa

VW-China-Chef Ralf Brandstätter: In China ist der Handelskonflikt mit den USA schon länger ein Thema. Wir haben uns deshalb frühzeitig auf eine weitere Zuspitzung eingestellt. Zum einen, indem wir neue lokale Entwicklungsressourcen geschaffen haben, um den Technologietransfer aus anderen Weltregionen zu reduzieren. Zum anderen durch den Aufbau autonom kontrollierbarer Wertschöpfungsketten. Rund 95 Prozent unserer Komponenten für unser Chinageschäft werden vor Ort gefertigt. Das stärkt unsere Wettbewerbsfähigkeit und macht uns gleichzeitig resilienter für geopolitische Risiken. Deswegen haben die sich derzeit aufschaukelnden Zölle keinen unmittelbaren Einfluss auf unser Geschäft in der Region.

Während Trump die Welt sprichwörtlich in Brand setzt, wollen Sie kommende Woche auf der Automesse in Shanghai Optimismus verbreiten, zumindest für den chinesischen Markt. Doch auch da sind die Probleme beträchtlich. Der Absatz sinkt immer weiter.

Brandstätter: Der Wettbewerb im Markt für Elektroautos ist in China mit mehr als 130 Marken intensiv. Das Ergebnis ist ein extremer Preiskampf. Wir haben entschieden, dass wir in diesem Umfeld profitabel bleiben wollen. Das ist uns bisher sehr gut gelungen, geht aber zulasten von Absatz und Marktanteilen. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit unseren neuen in China entwickelten Modellen wieder zulegen werden. Die Fahrzeuge sind voll auf die lokalen Kundenbedürfnisse zugeschnitten und auf das neue Preisniveau im Markt ausgelegt. Bis 2027 werden wir 20 vollelektrische Modelle und Hybride in den Markt einführen. Gleichzeitig setzen wir weiter auf unser hochprofitables Verbrennergeschäft. Hier sind wir mit 22 Prozent Marktanteil weiterhin mit deutlichem Abstand Marktführer. Damit finanzieren wir zu einem guten Teil unsere Transformation.

Im Markt für Elektroautos sind Sie aber abgehängt. Besonders düster sieht es für die Marke Porsche aus, die Sie, Herr Blume, parallel zum Volkswagen-Konzern führen. Porsches gerade ausgeschiedener Finanzchef, Lutz Meschke, hat den chinesischen E-Auto-Markt schon für verloren erklärt.

Blume: Aufgeben ist keine Lösung, und es gibt durchaus Chancen. Für die neuen lokal entwickelten Fahrzeuge von VW und Audi haben wir neue Ansätze gewählt. Geringere Kosten mit einer starken Produktsubstanz. Wir werden in jeder Hinsicht auf Augenhöhe mit den chinesischen Herstellern und Start-ups sein. Was Porsche betrifft: Wir haben eine sehr starke Marke. Die Herausforderung: Es gibt in China noch keinen Markt im Segment für elektrische Luxus-Sportwagen. Wir sehen es als Ansporn, dieses Segment über unsere elektrischen Produkte, einzigartige Fahreigenschaften und Kundenerlebnisse aufzubauen. Außerdem stellen wir Porsche in China anders auf: geringeres, exklusives Volumen mit hoher Profitabilität durch noch stärker individualisierte Produkte. In Shanghai werden wir zeigen, in welche Richtung sich die Porsche-Strategie bewegt.

Sie müssen schon jetzt wegen der unterschiedlichen Regulierung parallel eigene Technik für China und den Rest der Welt entwickeln. Und die Weltregionen driften technisch und politisch weiter auseinander. Wie wollen Sie das beherrschen?

Blume: Das Automobilgeschäft hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Die deutsche Industrie war lange Zeit erfolgreich, Produkte in Deutschland standardisiert zu entwickeln, schwerpunktmäßig in Europa zu produzieren und in alle Welt auszuliefern. Allein durch Regulatorik, Marktbeschränkungen und spezifische Kundenanforderungen funktioniert dieses Modell heute nicht mehr. Wir müssen uns regionaler aufstellen und deutlich agiler werden. Unsere neue Chinastrategie zeigt den Weg.

Brandstätter: In den vergangenen fünf Jahren sind zwei sehr unterschiedliche Technologie-Sphären entstanden. Jeweils im Westen und Osten. Für Hardware ist das weniger relevant. Die kann noch weitestgehend für den Weltmarkt entwickelt und dann in Nordamerika, in Europa und in China lokalisiert werden, etwa durch Produktion vor Ort. Bei Software und digitalen Technologien ist das anders. Die Regionen unterscheiden sich hier grundlegend in Innovationsgeschwindigkeit, Regulatorik und bei den Kundenbedürfnissen. Einfaches Beispiel: Während in Europa und den USA die Kunden gern noch ihre Tasten nutzen, wird in China das Auto vom Fensterheber bis zur Klimaanlage komplett über Spracherkennung bedient. Das hat grundlegende Auswirkungen darauf, wie Sie die Elektro-Architektur und die Software für das Auto auslegen müssen. Wir haben darauf eine klare Antwort: Für den Westen lösen wir das mit unserem Joint Venture mit Rivian, für den Osten und China mit XPeng.

Beim autonomen Fahren ist China enteilt. Selbst innerhalb eines Unternehmens wie VW gibt es nun zwei Geschwindigkeiten. Wie kann Europa besser werden?

Brandstätter: Die Entwicklung des automatisierten Fahrens ist in China ex­trem dynamisch. Das liegt vor allem an den Kunden, die im Durchschnitt mehr als 20 Jahre jünger sind als die in Europa. Diese Generation ist mit Smartphones aufgewachsen und probiert gern neue Technologien aus. Das beschleunigt die Entwicklung von Innovationen, wie zum Beispiel beim autonomen Fahren. Wir werden noch in diesem Jahr mit unserem ersten selbstentwickelten System mit Level 2+ auf den Markt kommen. Entwickelt mithilfe von Künstlicher Intelligenz, um sich so weit wie möglich an das menschliche Fahrverhalten anzunähern. Schon im nächsten Jahr bringen wir dann Level 2++ in Serie. Das System übernimmt dann einen großen Teil der Fahraufgaben, auch wenn die Verantwortung rechtlich beim Fahrer bleibt. Unser Ziel ist es, bei Fahrverhalten, Sicherheit und Kosten zu den Besten im Markt zu gehören.

Blume: In der westlichen Welt ist die Marktentwicklung auf diesem Feld noch nicht so dynamisch. Trotzdem machen wir auch hier Tempo und erreichen erhebliche Technologiesprünge. Die Nutzung Künstlicher Intelligenz spielt ebenfalls eine wesentliche Rolle. Wir wollen mit unserem Partner Mobileye im Jahr 2026 das Level 2++ in Fahrzeuge von Audi und Porsche bringen. Zudem entwickeln wir ein Level-4-System, also voll automatisiertes Fahren, um Mobilitätsdienste im städtischen Umfeld mit dem Modell ID.Buzz anzubieten. Mit Bosch arbeiten wir an einem eigenen europäischen System für alle Fahrzeugklassen. Wir wollen damit Spitzentechnologie im Volumensegment erschwinglich machen. Unsere weltweite Strategie haben wir unterstützt durch regionale Partnerschaften spezifisch auf die jeweiligen Märkte und Regulierungen zugeschnitten.

Derzeit versucht Peking, die globale Unsicherheit zu nutzen. Xi Jinping will sich als verlässliche Alternative zur erratischen Politik der Vereinigten Staaten unter Trump positionieren. Entstehen da auch Chancen für die deutsche Wirtschaft?

Brandstätter: Die Chinesen sind pragmatisch. Das eigene Wirtschaftswachstum hat sich deutlich verlangsamt. Deshalb setzt die Regierung nun wieder verstärkt auf Auslandsinvestitionen. Das konnte man zuletzt beobachten auf dem China Development Forum, der jährlichen Wirtschaftskonferenz der Regierung. Die Botschaft an die ausländischen Unternehmen war eindeutig: China ist offen für mehr Zusammenarbeit und wird neue Investitionen unterstützen. Und natürlich: Aus Krisen ergeben sich Chancen.

Brandstätter: Viele Länder in Asien, aber auch in Südamerika und dem mittleren Osten haben gute Wirtschaftsbeziehungen zu China aufgebaut. Es wurden Handelsabkommen geschlossen. Davon können wir profitieren, etwa indem wir unsere Produktionskapazitäten in China nutzen und von dort in solche Länder exportieren. Seit vergangenem Jahr liefern wir beispielsweise aus der Volksrepublik nach Vietnam. Auch Länder wie Indonesien, Malaysia und die Philippinen zeigen große Offenheit für Elektroautos aus chinesischer Produktion. Wenn dann auch noch ein deutsches Unternehmen dahintersteht, ergeben sich Möglichkeiten, in Märkten Fuß zu fassen, die wir bisher nicht erschließen konnten.

In China ist die Elektromobilität auch wegen der starken Förderung so schnell gewachsen. In Deutschland will die neue Bundesregierung aus CDU und SPD jetzt den Umstieg auf klimafreundliche Mobilität wieder stärker beschleunigen. Was erwarten Sie vom Kanzler Friedrich Merz, Herr Blume?

Blume: Ich wünsche mir von der neuen Regierung den Mut und den Pragmatismus, entschlossen zu handeln. Wir müssen die Elektromobilität als Ganzes betrachten. Als Industrie haben wir die Aufgabe, attraktive Autos zu den richtigen Preisen anzubieten. Der Volkswagen- Konzern leistet dazu einen Beitrag. Ende des Jahres werden wir Modelle von VW, Škoda und Cupra zu Preisen um 25.000 Euro vorstellen. Im nächsten Schritt folgt der VW ID.Every1 für rund 20.000 Euro. Neben den Produkten sind vor allem die Rahmenbedingungen entscheidend: eine gute Ladeinfrastruktur und angemessene Energiepreise. Zudem helfen verbindliche Anreizsysteme. Im Koalitionsvertrag ist verankert, dass E-Fahrzeuge bis auf Weiteres von der Kfz-Steuer ausgeschlossen sind. Das ist ein kluger Ansatz. Wenn alles zusammenpasst, wird sich die Elek­tromobilität auch in Deutschland zügig entwickeln.

Zwei Niedersachsen im Sturm der Weltpolitik

Der Volkswagen-Konzern ist der nach Absatz zweitgrößte Autohersteller der Welt nach Toyota und beschäftigt global 680.000 Mitarbeiter. An der Spitze  des Wolfsburger Autoriesen steht Oliver Blume, der neben seiner Aufgabe als Konzernchef auch die Sportwagenmarke Porsche führt. Der studierte Maschinenbauer will den ganzen Konzern effizienter machen, vor allem in Europa fallen viele Stellen weg. In China kämpft VW derweil mit wegbrechenden Marktanteilen.   Für das dortige Geschäft hat der Konzern einen eigenen Vorstand berufen, Ralf Brandstätter. Er ist gelernter Betriebsschlosser und studierter Wirtschaftsingenieur und sitzt für die Steuerung des Chinageschäfts in Peking. Beide, Blume wie auch Brandstätter, stammen gebürtig aus Braunschweig und sind jeweils 56 Jahre alt.

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