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#Krise in der Türkei: Inflation frisst Mindestlohn

Krise in der Türkei: Inflation frisst Mindestlohn

Die Lebenshaltungskosten in der Türkei sind im November um 21,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. Das gab das nationale Statistikamt am Freitag in Ankara bekannt. Damit wurden die Schätzungen am Markt, wo man mit 20,7 Prozent gerechnet hatte, abermals übertroffen. Im Monatsvergleich zogen die Preise um 3,1 Prozent an.

Andreas Mihm

Wirtschaftskorrespondent für Österreich, Ostmittel-, Südosteuropa und die Türkei mit Sitz in Wien.

Überdurchschnittlich stark nahmen die Preise für Verkehr, Mieten, in Gaststätten und für Lebensmittel zu. Letztere verteuerten sich demnach im Jahresvergleich um 27,1 Prozent. Verbraucher berichten indes von schärferen Preiserhöhungen für Lebensmittel in Läden und auf Märkten.

Die Erzeugerpreise stiegen nach den amtlichen Daten im Laufe des November um 10 Prozent, im Jahresvergleich um 54,6 Prozent und damit auf den laut der Wirtschaftsagentur Bloomberg höchsten Wert seit April 2002. Der Anstieg der Verbraucherpreise in der Türkei hat sich damit mit einer kurzen Unterbrechung im Mai seit Oktober vergangenen Jahres jeden Monat in Folge beschleunigt und den höchsten Stand seit drei Jahren erreicht.

Die Lira wertet seit Monaten sehr stark ab

Als Grund dafür nennen Ökonomen vor allem den scharfen und anhaltenden Wertverfall der Landeswährung Lira, der die Preise für wichtige Importgüter wie Energie, Rohstoffe aber auch Arzneimittel erhöht. Für die Bevölkerung hat das vielfältige Konsequenzen. So beklagen Gewerkschaften einen rapiden Einkommensverlust der Arbeitnehmer.

Der staatliche Mindestlohn von 3577 Lira (230 Euro) im Monat werde immer mehr zum Durchschnittslohn im Land, rechnete das Forschungszentrum der Konföderation progressiver Gewerkschaften der Türkei (DISK-AR) vor. Angesichts von Inflation und Lira-Krise würden „die Löhne der Arbeiterklasse von Tag zu Tag niedriger“.

Rund 3,4 Millionen Beschäftigte oder 18 Prozent aller Lohnempfänger in der Türkei verdienten sogar weniger als den Mindestlohn von netto 2825 Türkischen Lira (181 Euro). Nur in Albanien sei der Mindestlohn noch niedriger als in der Türkei. Die Lira verlor am Morgen abermals an Wert, konnte sich dann aber auf Vortagsniveau um 13,70 Lira je Dollar fangen. Am Mittwoch hatte sie mit 13,91 Lira je Dollar eine neues Allzeittief markiert. Der Euro notierte bei 15,60 Lira.

Staatspräsident Erdogan verlangt von der Notenbank Zinssenkungen

Grund für die Schwäche ist die von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan verfolgte Politik von Zinssenkungen zur Inflationsbekämpfung. Erst am Vortag hatte er diese von Ökonomen mit Unverständnis quittierte Strategie mit der Entlassung von Finanzminister Lütfi Elvan untermauert – ein Kurs, der bisher nur zu mehr Inflation und einer schwächeren Währung geführt hat.

Die Beschleunigung der Inflation senkt die realen Zinsen in der Türkei, die im März noch bei 2,75 Prozent lagen, auf minus 6,3 Prozent. Da die Notenbank auf ihrer Sitzung am 16. Dezember den Leitzins von derzeit 15 Prozent weiter reduzieren will, dürfte die Realverzinsung in Lira denominierter Anlagen weiter sinken. Schon heute ist sie eine der niedrigsten in Schwellenländern.

Analysten gehen überdies davon aus, das die tatsächliche Inflation im Land schon höher ist, weil der jüngste, durch Äußerungen Erdogans befeuerte scharfe Wertverfall erst Mitte November eingetreten war. Weil wichtige Preise möglicherweise davor erfasst wurden, sei es „unwahrscheinlich, dass sich die Abwertung des Wechselkurses bereits voll in den November-Zahlen“ widerspiegle, schrieb Commerzbank-Analyst Tatha Ghose.

Die Teuerungsrate könnte bis auf 25 oder sogar 30 Prozent steigen

Er geht von weiter steigenden Werten in den kommenden Monaten aus. „Doch ob sich die Teuerung auf 25 Prozent oder auf 30 Prozent beschleunigen wird, lässt sich kaum aus den Daten herauslesen.“ Die Ratingagentur Fitch erwartet, dass die Inflation bis Ende dieses Jahres 25 Prozent erreichen könnte und mit durchschnittlich 20 Prozent in den Jahren 2022 bis 2023 einen der höchsten Werte im internationalen Vergleich markieren werde.

Angesichts der neuen Unsicherheiten wertete Fitch die Kreditwürdigkeit des Landes von stabil auf negativ (BB-) herab. Die geldpolitische Lockerung und weitere Zinssenkungen oder wirtschaftliche Anreize vor den Präsidentschaftswahlen 2023 ließen die Lira mit einer „beispiellosen Volatilität“ stark abwerten. Das sei riskant für die makroökonomische und finanzielle Stabilität.

Das Festhalten an einem stark negativen realen Leitzins könne die Risiken für die finanzielle Stabilität erhöhen, etwa wenn das Vertrauen der Anleger erschüttert werde „und möglicherweise den bisher stabilen Zugang von Banken und Unternehmen zu externer Finanzierung gefährdet“, warnt Fitch. In den kommenden 12 Monaten würden Auslandsschulden in Höhe von 168 Milliarden Dollar fällig.

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