#Richard III. am Düsseldorfer Schauspielhaus
Inhaltsverzeichnis
Richard III. ist in Evgeny Titovs Inszenierung von Shakespeares Königsdrama am Düsseldorfer Schauspielhaus ein Mann, der nur für den Auftritt lebt. Ohne Publikum wäre er ein Häuflein Elend.
In Titovs Fassung beginnt das Stück nicht mit dem ersten Monolog Richards, der meteorologischen Sonntagsrede, die den Wechsel des politischen Geschicks im Bürgerkrieg von York und Lancaster mit dem Naturbild der Ablösung des Winters durch den Sommer verklärt, sondern mit einer Ankleidezeremonie. Eine weibliche Hofbedienstete, dem Augenschein nach eine Spitzenbürokraft in grauem Kostüm und schwarzen Schuhen mit spitzen Absätzen, erscheint zur Arbeit unter allerlei Anstalten der Vorsicht, der höfischen Kardinaltugend, die sie pantomimisch zur Leisetreterei steigert: Sie macht ganz lange Schritte und geht dabei tief in die Knie.
Ihr Chef, der offenbar so launisch ist, dass er bedient, aber nicht gestört werden will, thront aber nicht auf einem Schreibtischstuhl oder Klubsessel. Unter Textilmüll begraben liegt er in der Ecke wie ein Obdachloser, der in einem Hinterhof der Königsallee eine Schlafstelle gefunden hat. Ist er noch am Leben? Das Dasein, das er fristet, würde man ein Dahinvegetieren nennen. Doch dann kommen die Schuhe ins Spiel. Die Dienerin bringt dem Herrn seine Stiefel. Es handelt sich um eine Spezialanfertigung mit turmhohen Plateausohlen, aber ohne Absätze. Man geht in ihnen, wenn man diese Fortbewegungsart noch Gehen nennen kann, auf den Fußballen; die Fersen hängen in der Luft.
Ein Leben in ständiger Sturzgefahr
Künstlich macht sich der Mann, der in diese Ungetüme schlüpft, den Auftritt, ohne den er nichts und niemand wäre, so schwer wie möglich. Man kann in diesen Schuhen fast nicht auftreten, geht zwangsläufig vornübergebeugt, lebt in ständiger Sturzgefahr. Und gleichzeitig kann man mit diesen Schuhen nur auftreten, sich von Moment zu Moment hangeln, denn das sanfte Abrollen der Füße wird durch die Konstruktion vereitelt. Für einen in dieser Art ausgestatteten Menschen wäre der aufrechte Gang ein unmögliches Ideal; ihm muss der prekäre Stand genügen.
Die Figur des Krüppels, durch die Richard III. definiert ist, erfährt in Düsseldorf eine Umkehrung. Dieser Richard ist nicht mit einem verwachsenen Körper geschlagen, dessen Missbildungseffekte durch orthopädisches Schuhwerk korrigiert werden. Die Stiefel sind zuerst da, das mobile Podest des Ehrgeizes, und sie zwingen ihren Träger, sich permanent zu krümmen. Der Habitus der Deformation wird zur zweiten Natur. Abstreifen lässt sich das Handicap nicht mehr, wie sich schon daran ablesen lässt, dass Richard vor dem Anlegen der Stiefel wie eine nutzlose Gliederpuppe herumlag. Kostümbildner und Maske haben André Kaczmarczyk, der hier schon 2019 in Titovs „Macbeth“ die Hauptrolle spielte, mit weiteren Merkmalen einer unnatürlich prominenten Leiblichkeit ausstaffiert, die man nicht mechanisch als Nebenfolgen der Entscheidung für eine maximal unbequeme Schuhmode erklären kann. Über das Gesicht hat Kaczmarczyk ein Netz gezogen, das am Hinterkopf zusammengebunden ist, sodass der Eindruck eines Auswuchses entsteht.
Der Regisseur arbeitet mit starken, genauer gesagt emblematischen, zur Lesbarkeit verdichteten Bildern. Kaczmarczyk lässt sich so zurichten, dass in seiner Erscheinung die Idee der Hässlichkeit des Bösen Gestalt gewinnt, eine Anziehungskraft des Abstoßenden, die von Vokabeln aus dem Wortfeld der Faszination eher verharmlost wird, weil sie etwas Faszinierendes postulieren, wo nur ein Auswurf von Mängeln zu sehen ist.
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