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#„Sofagate“: EU-Ratspräsident Michel verteidigt sich

„Sofagate“: EU-Ratspräsident Michel verteidigt sich

Am Donnerstagabend meldete sich Charles Michel erstmals selbst zu Wort. Im belgischen Fernsehen sagte der EU-Ratspräsident, er würde gerne die Szene im türkischen Präsidentenpalast in Ankara ungeschehen machen, bei der Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Dienstag auf ein weiter entferntes Sofa verbannt wurde, während Michel selbst im prächtigen Sessel neben Präsident Recep Tayyip Erdogan Platz nahm. Das dadurch entstandene Bild sei „desaströs“, räumte Michel ein.

Werner Mussler

Zugleich blieb der Belgier dabei, dass er für dieses Bild und die schnell „Sofagate“ getaufte Affäre keine Verantwortung trage, dass er sich vielmehr komplett richtig verhalten habe. Hätte er gegen von der Leyens Behandlung protestiert, hätten die Beziehungen der EU mit der Türkei weit schlimmeren Schaden genommen als durch die jetzt entstandene protokollarische Unstimmigkeit. Der Besuch der EU-Spitzen in Ankara sei so wichtigen Themen wie der Terrorbekämpfung und der Zusammenarbeit in der Migrationspolitik gewidmet gewesen. „,Sofagate‘ hat diesen entscheidenden Zweck unseres Besuchs völlig verdeckt.“

Die vom italienischen Europaabgeordneten Massimiliano Smeriglio angestoßene Unterschriftenaktion sozialdemokratischer und linker EU-Parlamentarier, die in einem Brief an Michel dessen Rücktritt fordern, konnte der Ratspräsident dadurch nicht mehr aufhalten. Noch beklagenswerter als Erdogans Machismo sei „Ihr Schweigen angesichts einer unverkennbaren Provokation der EU und der ersten Präsidentin der EU-Kommission“, heißt es in dem Brief, den bisher 31 Abgeordnete unterschrieben haben.

Michel will kein Frauenfeind sein

Seit seinem Auftritt in Ankara hat sich Michel nicht sehr geschickt verhalten. Am Mittwoch schwieg er zunächst, erst am Abend beklagte er sich auf Facebook über die „rüde“ Kritik an seinem Verhalten. Der Eindruck sei falsch, dass ihm von der Leyens Behandlung egal gewesen sei. Ein Frauenfeind sei er schon gar nicht. Die Verantwortung für den Vorfall trage, so Michel, die türkische Seite, die auf einer „strikten Interpretation“ des Protokolls bestanden habe. Diese Behauptung trug ihm den sofortigen Widerspruch des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu ein. Dieser sagte, die Sitzordnung sei auf Wunsch der EU erfolgt.

Klar ist mittlerweile, dass sich Michels Team im Vorhinein deutlich stärker ums Protokoll gekümmert hat als von der Leyens Mitarbeiter. Und eine „strikte Interpretation“ wäre eine zugunsten des Ratspräsidenten und zu Lasten der Kommissionschefin. Protokollarisch hatte es wohl schon seine Richtigkeit, dass Michel allein neben Erdogan saß. Die in Brüssel vorherrschende Interpretation lautet, dass er als Vertreter der EU-Staats- und -Regierungschefs der Kommissionspräsidentin, quasi einer Behördenleiterin, im Protokoll übergeordnet ist. Doch ist das der Kern der Affäre? Schnell kursierte in den sozialen Medien ein Foto, auf dem von der Leyens Amtsvorgänger Jean-Claude Juncker gleichberechtigt neben Erdogan sitzen durfte.

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Michel ließ jedenfalls am Donnerstag eine Note des EU-Rats-Protokollchefs Dominique Marro verbreiten. Darin heißt es, die Vorschriften des EU-Protokolls seien in Ankara minutiös eingehalten worden. Die Ratsseite habe sich vielmehr für von der Leyen in die Bresche geschlagen. Im Speisezimmer sei „zugunsten der Präsidentin der Kommission“ dafür gesorgt worden, dass drei und nicht nur zwei große VIP-Sessel aufgestellt wurden. Zudem habe erst Michels Team sichergestellt, dass von der Leyen bei den offiziellen Fotoaufnahmen aufs Bild gekommen sei.

Vorwurf an von der Leyens Protokollbeamte

Im Übrigen übt sich Marro im Schwarzer-Peter-Spiel. An einem Vorbereitungstreffen am Montag hätten Vertreter des türkischen Protokolls sowie der Protokolldienst des Rates teilgenommen. EU-seitig seien, abgesehen von Sicherheitsbeamten, weder die Kommission noch die EU-Delegation in Ankara vertreten gewesen. Letztere hatte den Besuch federführend vorbereitet. Die von Michel verbreitete Note lässt sich nur so lesen: Wenn von der Leyens Protokollbeamten die Vorbereitungstreffen vernachlässigen, muss sich die Kommissionschefin nicht wundern, wenn sie am Katzentisch landet.

Die Kommission hatte vorab tatsächlich kein eigenes Protokollteam nach Ankara geschickt – und darauf vertraut, dass die EU-Delegation in Ankara sich um die Vorbereitungen kümmern würde. Diese wurde freilich durch Michels Team erheblich behindert, wie ein an das Nachrichtenportal „Politico Europe“ durchgesickerter Drahtbericht des EU-Botschafters in Ankara, Nikolaus Meyer-Landrut, dokumentiert. Die vorab von Michel geschickte Delegation habe die „wirkungsvolle Kommunikation und Koordination mit der türkischen Seite behindert“, berichtete Meyer-Landrut am Dienstag nach Brüssel.

Der Vorgang klingt nach politischem Kindergarten. Ist er mehr als das? Jedenfalls wirft er ein Schlaglicht auf die Tatsache, dass das Binnenverhältnis der EU-Institutionen nur funktioniert, wenn es von persönlichen Eitelkeiten freigehalten wird – und dass davon auch die glaubwürdige EU-Außenvertretung abhängt.

Die Rücktrittsforderungen dürften Michel jedenfalls daran erinnern, dass er nichts davon hat, wenn er sich als „der“ EU-Präsident zu profilieren versucht. Der Chef des Europäischen Rats soll als eine Art Geschäftsführer der Staats- und Regierungschefs fungieren, zwischen diesen vermitteln und Kompromisse ausloten. Strebt er mehr an, dürfte er damit eher auf die Nase fallen.

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