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#Rücktritt von Jeff Bezos: Amazons Zäsur

Rücktritt von Jeff Bezos: Amazons Zäsur

Ein Gähnen ist das größte Kompliment, das ein Erfinder bekommen kann. Diesen Satz schrieb Jeff Bezos jetzt aus Anlass seines überraschenden Rücktritts als Vorstandschef von Amazon.com. Innovationen sind nach seiner Philosophie dann erfolgreich, wenn sie sich anfangs verrückt anhören, aber nach einiger Zeit so normal werden, dass die Leute gähnen. Und davon hat er in seinen mehr als zwanzig Jahren an der Spitze des Online-Händlers reichlich geliefert.

Roland Lindner

Er hat es zur Normalität gemacht, dass Online-Einkäufe vor der Haustür landen, kaum dass sie bestellt worden sind. Und unter ihm hat sich Amazon über all die Jahre hinweg diese Innovationskraft auch bewahrt. Der Konzern ist bis heute gut für Bahnbrechendes, das sich zunächst abenteuerlich anhören mag, seine noch junge Technologie für kassenlose Supermärkte ist ein Beleg dafür. Zu dieser Kultur gehört es auch, Misserfolg zu akzeptieren. Bezos hat oft gesagt, Amazon sei der beste Ort zum Scheitern. Gibt es Rückschläge, werden sie leidenschaftslos weggesteckt, und der Blick richtet sich nach vorne.

Langjähriger Weggefährte übernimmt

Es gibt gute Gründe, daran zu glauben, dass Bezos diese Prinzipien fest in Amazons Kultur verankert hat und sie seinen Rückzug überdauern. Umso mehr als sein designierter Nachfolger Andy Jassy, der weithin respektierte Chef von Amazons hochlukrativer Sparte mit Cloud Computing, ein langjähriger Weggefährte ist und den Konzern fast seit seinen Anfangstagen kennt. Bezos geht Amazon auch nicht ganz verloren, sondern behält den Vorsitz des Aufsichtsgremiums und sagt, er werde weiter in bedeutende Projekte eingebunden bleiben.

Er hat aber auch deutlich gemacht, dass sich seine Prioritäten verschoben haben und er anderen Dingen mehr Aufmerksamkeit schenken will, etwa seinem Raumfahrtunternehmen Blue Origin, das in jüngster Zeit immer mehr von sich reden macht. Sein Rollenwechsel ist also ohne Zweifel eine Zäsur für Amazon. Und er ist ein Paukenschlag für die ganze Technologiebranche, denn Bezos ist als Unternehmerfigur auf eine Stufe mit Steve Jobs und Bill Gates zu stellen, den Mitgründern von Apple und von Microsoft.

Rabiate Methoden und „Kundenbesessenheit“

Das Vermächtnis von Bezos ist freilich gespalten. Er gilt nicht nur als Visionär, sondern auch als rabiater Geschäftsmann. Dabei kommt es auf die Perspektive an. Kunden können sich kaum beklagen, Amazon trägt sie auf Händen und verwöhnt sie mit niedrigen Preisen und aufmerksamem Service. Bezos spricht oft über „Kundenbesessenheit“ und meint das nicht als leere Floskel. Das hat aber eine Kehrseite und wird nach Ansicht von Kritikern auf dem Rücken Anderer ausgetragen. Zum Beispiel den Wettbewerbern, denen Amazon das Leben schwer macht, oder der eigenen Belegschaft, aus deren Reihen oft Klagen über schlechte Arbeitsbedingungen und zu niedrige Bezahlung kommen.

Und so ist Bezos, der zu den reichsten Menschen der Welt gehört, im Laufe der Jahre auch zu einem Feindbild und einer Symbolfigur für hässlichen Kapitalismus geworden. Diese Wahrnehmung dürfte sich in der Corona-Krise eher noch gefestigt haben. Amazons Geschäft hat inmitten der Pandemie einen gewaltigen Wachstumsschub erlebt. Dem Konzern ist aber auch vorgeworfen worden, nicht genug für die Sicherheit der Mitarbeiter in seinen Distributionszentren zu tun.

Es ist ohne Zweifel ein Verlust für Amazon, wenn der Gründer und Vordenker nicht mehr an der Spitze steht. Aber dass sich eine so kontroverse Figur wie Bezos ein Stück weit aus der Schusslinie nimmt, könnte dem Konzern auch nützen. Das gilt umso mehr in einer Zeit, in der er immer mehr Gegenwind spürt. Zum Beispiel von Beschäftigten, die auf mehr Mitbestimmung pochen und auch in Amerika versuchen, sich in Gewerkschaften zu organisieren.

Wortgewaltiger Kritiker Trumps

Vor allem aber von Politikern und Regulierern. Der frühere amerikanische Präsident Donald Trump hat Bezos zwar regelmäßig wortgewaltig attackiert, aber die größere Bedrohung für Amazons Geschäft könnte die neue Regierung unter Trumps Nachfolger Joe Biden sein. Von ihr ist zu erwarten, dass sie gegenüber Amazon und anderen Technologiegiganten mehr Strenge zeigt, nicht zuletzt mit Blick auf deren Marktmacht. Schon jetzt gibt es wettbewerbsrechtliche Ermittlungen gegen Amazon, und es ist denkbar, dass daraus eine Kartellklage wird, wie sie zuletzt schon Facebook und Google ereilt hat.

Es wird fortan die Aufgabe von Andy Jassy sein, die Wogen zu glätten so gut es geht. Als jemand, der in der bislang in der Öffentlichkeit ein vergleichsweise unbeschriebenes Blatt ist und keine allzu großen Emotionen geweckt hat, ist er dafür womöglich besser geeignet als Jeff Bezos. Er steht nun nicht nur vor der Herausforderung, die von Bezos geprägte Innovationskultur fortzuführen. Er muss sich auch als Diplomat bewähren.

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