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#„Russen, die gegen den Krieg sind, brauchen einen Ort“

„„Russen, die gegen den Krieg sind, brauchen einen Ort““

Jeden Nachmittag um drei Uhr strömen sie herbei. Sie stellen sich auf die Stufen des Parkhausdecks und schwenken ihre ukrainischen Flaggen in Richtung des gut abgeschirmten russischen Generalkonsulats, das einen Häuserblock entfernt liegt. Die Demons­tranten halten Plakate hoch, auf denen sie ein Ende des Kriegs und Hilfe für die Ukraine fordern. Andere Plakate zeigen den russischen Präsidenten Wladimir Putin als „Putler“ mit Hitler-Bart. Die Demons­tranten werfen dem Herrscher im Kreml Kriegsverbrechen vor.

Es sind überwiegend junge Menschen aus der Ukraine, aber auch aus Russland, die sich Tag für Tag an dieser Stelle in Istanbul versammeln. Wie der 23 Jahre alte Kirill Romanow aus Sankt Petersburg. Jeden Tag kommt er mit einer großen weißen Leinwand, einer Kamera und einer wollenen Sturmhaube in den Farben Blau und Gelb. Im Winter schützt die Kopfbedeckung, die im russischen Balaclava heißt, vor Kälte und Eis. Bei Kirill Romanow wird sie jedoch Teil eines politischen Protests, den er seit seiner Ankunft am 6. März in der Türkei betreibt.

„Ich habe mein Vaterland verloren“

Viele der Demonstranten auf dem Parkdeck und auch Passanten lassen sich vor der leeren Leinwand fotografieren. Die erste Aufnahme ist ein gewöhnliches Porträtfoto, für die zweite ziehen sie die Sturmhaube in den ukrainischen Farben über. Von den Gesichtern sind dann nur noch die Augen zu sehen, für die ein Schlitz ausgespart ist. Nach den Aufnahmen bittet der Aktionskünstler Romanow jede Person, einen kurzen Text zu sich selbst zu verfassen. In einem dieser Texte heißt es etwa: „Ich habe mein Vaterland verloren, meine Heimat ist tot. Alles, was ich sagen will, ist, dass ich gegen den Krieg bin.“

Aktivist gegen den Krieg: Kirill Romanow in Istanbul


Aktivist gegen den Krieg: Kirill Romanow in Istanbul
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Bild: Rainer Hermann

An diesem Nachmittag beteiligen sich an Romanows Aktion 27 Personen, die meisten sind Ukrainer. „Dieser Form des Protests kann sich jeder anschließen“, sagt Romanow. Seine Sammlung, die er über seinen Instagram-Account @uabalaclava veröffentlicht, wird mit jedem Tag umfangreicher. Aus Russland hat sich der politische Aktivist, der auch für LGBT-Rechte kämpft, abgesetzt, als die Polizei den Druck auf ihn erhöhte. Sein kleiner Laden, in dem er Protestartikel verkaufte, wurde verriegelt. Die Modezeitschrift, für die er gearbeitet hat, wurde wegen eines kritischen Leitartikels geschlossen. Zudem wollte er nicht in die russische Armee eingezogen und in den Krieg geschickt werden, den er ablehnt.

Er würde die Türkei gerne verlassen, um seine Aktion in anderen Ländern fortzusetzen, sagt er. Im Augenblick ist er aber froh, in Sicherheit zu leben und ein Dach über dem Kopf zu haben. Nach seiner Ankunft in Istanbul hat er, der vorher noch nie in der Türkei gewesen war, die russische Hilfsorganisation Arche kontaktiert und um Hilfe gebeten. Sie setzte ihn über eine Telegram-Gruppe mit einer Wohngemeinschaft anderer russischer Exilanten in Verbindung. Für sie hatte die Arche bereits eine Bleibe gefunden.

Mehr als hundert russischen Staatsbürgern, die sich meist überhastet absetzen mussten, habe sie in den vergangenen Wochen eine Unterkunft vermittelt, sagt die 38 Jahre alte Kulturanthropologin Eva Rapoport. Einige seien nur wenige Nächte geblieben und dann weitergezogen, andere suchten weiter nach Gelegenheiten, die Stadt zu verlassen. Es sei ihr ein Trost, in ihrem Exil etwas Nützliches zu tun, sagt Rapoport, die Russland 2013 verlassen hat und seit September 2020 in Istanbul lebt. Illusionen über Russland habe sie sich nie gemacht, sagt sie. Das Land habe – anders als die Ukraine – keine Zukunft. Nun zerstöre Putin beide Länder.

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