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#„Russland stiehlt Kinder, um sie adoptieren zu lassen“

„„Russland stiehlt Kinder, um sie adoptieren zu lassen““

Wer ukrainisches Fernsehen schaut, der bekam im April und Mai mehrfach den Namen Kira Obedynska zu hören. Am Anfang ohne das Gesicht dazu. Die zwölf Jahre alte Kira war Halbwaise, bald nach Beginn des Krieges in der Ukraine auch Vollwaise. Ihr Vater wurde im von den russischen Truppen belagerten Mariupol, der Heimatstadt der Familie, erschossen – als er in seiner Wohnung auf dem Balkon stand. Daraufhin versuchte eine Gruppe von Einwohnern, darunter Kira, zu Fuß aus der Stadt zu fliehen. Ein Kind berührte eine Mine; auch Kira wurde durch die Explosion verletzt. Sie wurde be­handelt. Am Ende brachten russische oder prorussische Kämpfer das Mädchen nach Donezk, in die 2014 unter Moskauer Anleitung gebildete sogenannte Donezker Volksrepublik (DNR). Dort lag sie wochenlang im Krankenhaus.

Gerhard Gnauck

Politischer Korrespondent für Polen, die Ukraine, Estland, Lettland und Litauen mit Sitz in Warschau.

Doch ihr Großvater Olexander Obedynskyj, der wie der erschossene Vater im Leistungssport zu Hause ist, „setzte fast die ganze Welt in Bewegung“, berichtete später eine Fernsehsprecherin. Er war zuvor in den nicht besetzten Teil der Ukraine geflohen. Es gelang ihm, das Mädchen aus der DNR herauszuholen und über Umwege zu sich zu holen. Auf Zwischenstation war Kira in Kiew in einem Krankenhaus. Eines Tages öffnete sich die Tür zum Krankensaal, es kam Besuch. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kam herein, ebenso die Ministerin für die Reintegration der besetzten Gebiete, Iryna Wereschtschuk. Beide trugen die olivgrüne Arbeitskluft des Krieges. Nun war das Mädchen auch selbst im Fernsehen zu sehen. Wenig später waren Kira und ihr Großvater in Czernowitz in der Westukraine in Sicherheit. Dort heulen die Sirenen des Luftalarms nur selten.

Vereinfachte Einbürgerung für Waisenkinder

Wie es anderen Kindern ergangen ist, darüber hat vergangene Woche der britische Sender BBC berichtet. Er zeigte Bilder, auf denen Maria Lwowa-Belowa, die Kinderbeauftragte des russischen Präsidenten Wladimir Putin, zu sehen ist. Sie war da gerade mit 25 ukrainischen Kindern im russischen Gebiet Kaluga unterwegs. Bis Ende Juli sollten nach ihren Worten „108 Waisenkinder aus der ukrainischen Donbass-Region, welche die russische Staatsangehörigkeit erhalten ha­ben, Eltern bekommen“.




Anfang August ist Putins Beauftragte auch in der Ostukraine gewesen. Auf ih­rer Internetseite heißt es dazu, sie habe mit der Führung der DNR auch über ukrainische Waisenkinder gesprochen. „Bis September werden die Papiere für weitere 100 Waisenkinder und Kinder oh­ne sorgeberechtigte Eltern fertig sein. In Russland wird aktiv an der Auswahl aufnahmebereiter Eltern gearbeitet.“ In Ka­luga hatte Lwowa-Belowa gesagt, die bürokratischen Vorarbeiten für die Un­terbringung der Kinder hätten im Juni begonnen. Es ging also sehr schnell. Erst am 30. Mai hatte Putin mit einem Dekret entschieden, die vereinfachte Einbürgerung von Ukrainern, die er schon früher verfügt hatte, auf Waisenkinder aus der ganzen Ukraine auszudehnen.

Regierungsvertreter in der Ukraine laufen Sturm gegen die Aktion, die sie als Zwangsadoption brandmarken. Die Mi­nisterin Wereschtschuk sagte der F.A.Z. am Donnerstag, es seien bisher mehr als 2100 Kinder der betroffenen Kategorien aus der Ukraine nach Russland gebracht worden. „Wir haben sofort nach Putins Ukas (Dekret) bei Russland klargestellt: Alle betroffenen Kinder ohne Ausnahme haben offiziell Betreuer mit Vormundschaft, zum Beispiel Großvater oder Groß­mutter. Alles, was in Russland ge­macht wird, wird daher widerrechtlich sein.“ Man habe schnell die UN-Organisation UNICEF und auch Russlands Menschenrechtsbeauftragte Tatjana Moskalkowa informiert. Mit Moskalkowa scheint es immerhin eine Art Arbeitsbeziehung zu geben.

Das sah auf anderen Ebenen ganz anders aus. Wereschtschuk berichtet, sie sei persönlich mit der Evakuierung von Kinderheimen zum Beispiel aus der da­mals umkämpften Stadt Mariupol befasst gewesen. „Als wir der russischen Seite mitteilten, wir würden am nächsten Tag die Kinder aus diesem oder jenem Heim abholen, fuhr am Morgen die russische Armee vor und verbrachte die Kinder nach Osten.“

„Sie haben sich gewehrt, geschrien und geweint“

Die Ministerin kennt einige Fälle persönlich: Zum Beispiel den der 19 Jahre alten Walja, die sich um ihre sechs und zwölf Jahre alten Schwestern kümmern musste, nachdem ihre Mutter und ihr Bruder durch Beschuss vor den Au­gen der Kinder ums Leben gekommen waren. „Die zwei kleinen Mädchen wurden nach Donezk gebracht und zur Adoption vorbereitet. Sie haben sich gewehrt, geschrien und geweint. Erst als Walja über vier Länder nach Donezk reiste, wurden die Kinder freigegeben.“ Das Rote Kreuz transportiere in solchen Fällen die Kinder. Bisher habe man nur 50 Kinder in die Ukraine zurückholen können.

Wereschtschuk, die sich seit Monaten mit schwierigen Themen befasst, wie auch mit dem Austausch von Gefangenen mit Russland, ist zornig und sagt: „Russland stiehlt Kinder, um sie adoptieren zu lassen.“ Diesem Räderwerk in die Speichen zu greifen sei schwer. Das beginne schon mit der Ortung der Betroffenen. Die Juristin Kateryna Raschewska von der ukrainischen Aktivistengruppe „Re­gionales Zentrum für Menschenrechte (RCHR) kritisiert die russische Argumentation, wonach die Verbringung der Kinder nach Russland eine „Evakuierung“ sei.

Evakuierungen seien etwas Vorübergehendes, das dann zu enden habe, wenn der Herkunftsstaat die Sicherheit des Kindes selbst gewährleisten könne. Die UNICEF und das Rote Kreuz sollten von Russland eine Liste aller Kinder verlangen, die nach Russland gebracht worden seien. „Sonst wiederholt sich Moskaus Politik auf der Krim nach 2014: Nach der Annexion haben die Behörden Kinder nach Russland zur Adoption geschickt und weder der Ukraine noch irgendeiner internationalen Organisation irgendeine Auskunft gegeben.“

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