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#Ich hab ganz doll geweint, aber Mama hat immer weitergemacht

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Ich hab ganz doll geweint, aber Mama hat immer weitergemacht

Ranya Funke, Lehrerin an der Regenbogenschule in Sarstedt, lernte Luca kurz nach seiner Einschulung im Sommer 2019 kennen: einen kleinen, zarten Jungen, der immer fröhlich war. Doch bald schon kamen Funke die ersten Zweifel: Lucas Mutter brachte ihn morgens immer bis in die Klasse und holte ihn sofort nach der vierten Stunde ab. Er durfte nicht, wie die anderen Kinder, in der zweiten großen Pause noch auf dem Schulhof spielen. Funke fiel auch auf, dass Luca sehr viel fehlte. „Zwischen der Einschulung und den Herbstferien war er nur ungefähr die Hälfte der Zeit in der Schule“, erzählt sie als Zeugin vor dem Landgericht in Hildesheim, „und wenn er da war, ging es immer nur ums Essen. Er bettelte Klassenkameraden und Ältere auf dem Schulhof an und hat das Essen regelrecht in sich reingestopft.“

Katrin Hummel

Redakteurin im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Die Schulsozialarbeiterin und Funke selbst sprachen mit Lucas Mutter. „Wir sagten ihr, er solle mehr Essen mit in die Schule bringen und weniger fehlen“, berichtet sie. Luca, der eigentlich anders heißt, habe dann auch tatsächlich mehr Essen mitgebracht, habe aber immer weiter gebettelt. Auf ihre Frage, warum er weiterhin bettele, habe er gesagt, er müsse das Essen in seiner Brotdose wieder mit nach Hause bringen – seine Mutter wolle das so.

„Wir haben dann eine Box mit Müsliriegeln und Zwieback extra für Luca angeschafft“, erzählt Funke. Aber seine Mutter habe ihr erklärt, dass sie das nicht wolle: „Weil Süßes ihn hibbelig mache und sie vermute, er sei krank, weil er so dünn sei. Und sie werde mit ihm zum Arzt gehen.“

Sein Gesichtchen war eingefallen

Nach den Herbstferien sah Luca dann noch dünner aus als zuvor schon, „er wirkte regelrecht eingefallen“, sagt Funke. Die Schule schaltete das Jugendamt ein, ein Familienhelfer ging ab Februar vergangenen Jahres bei Luca zu Hause ein und aus. Die Beratungslehrerin der Schule machte einen Gesprächstermin mit Lucas Mutter aus, aber wegen des ersten Lockdowns im März 2020 fand dieser nicht mehr statt.

„Durch die Schließung von Schulen und Kitas sind viele Personen weggefallen, die Hinweise auf Kindesmisshandlung hätten geben können“, sagt Martina Huxoll-von Ahn, stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes. Sie und ihre Kollegen haben sehr früh im vergangenen Jahr darauf hingewiesen, „dass es nicht geht, Kitas und Schulen geschlossen zu halten und Möbelhäuser zu öffnen“. Und die damalige Familienministerin Franziska Giffey warnte zu Beginn des ersten Lockdowns davor, dass es „zu stärkerer häuslicher Gewalt“ kommen werde.

Doch ihre Rufe verhallten, obwohl es sogar Studien gab, die das Elend der Kinder in Worte fassten: In der Gewaltschutzambulanz der Berliner Charité wurden im ersten Halbjahr 2020 fast ein Viertel mehr Kinder mit Knochenbrüchen und Würgemalen vorgestellt als im Jahr zuvor. Bei den Jugendämtern gingen im gleichen Zeitraum indes weniger Meldungen als sonst ein – wegen des Lockdowns. Erst die polizeiliche Kriminalstatistik brachte kürzlich ans Licht, dass die Gewalt gegen Kinder im vergangenen Jahr wirklich deutlich zugenommen hat: Die Zahl der getöteten Kinder stieg um ein Viertel auf 152, so hoch war der Wert zuletzt 2013 gewesen. Auch die Zahl der Anzeigen wegen Kindesmisshandlung stieg – um zehn Prozent auf knapp 5000.

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