#Schaltbare Antikörper für die Krebstherapie
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„Schaltbare Antikörper für die Krebstherapie
“
Im Kampf gegen Krebs gewinnen Antikörper eine immer größere Bedeutung. Bisher können diese Therapien aber erhebliche Nebenwirkungen verursachen. Eine mögliche Lösung dafür haben nun deutsche Forscher entwickelt: maskierte Antikörper. Bei diesen deckt eine Proteinkappe die Enden ab, auf die das Immunsystem normalerweise reagiert und die zu Nebenwirkungen führen. Erst am Tumor lösen tumoreigene Enzyme diese Schutzkappen ab und die Antikörper können ihre volle Wirkung entfalten. In Tests mit Zellkulturen und zwei bereits gegen Brustkrebs und Leukämie zugelassenen therapeutischen Antikörpern hat dieses Konzept bereits funktioniert. Jetzt müssen Tierversuche zeigen, ob dies auch im lebenden Organismus der Fall ist.
Antikörper kommen nicht nur bei der Abwehr von Infektionen wie mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 zum Einsatz, sie gewinnen auch in der Krebstherapie mehr und mehr an Bedeutung. Die kleinen Immunglobuline helfen dabei, die meist gut gegen das Immunsystem getarnten Krebszellen zu entlarven und sie den zytotoxischen Abwehrzellen sozusagen zum Fraß vorzuwerfen. Dafür werden die Antikörper an einer Seite mit Bindungsstellen ausgestattet, die spezifisch nur auf bestimmte Anlagerungsstellen der Tumorzellen passen – das stellt sicher, dass nicht aus Versehen gesunde Zellen angegriffen werden. Das andere Ende der Antikörper, der sogenannte Fc-Abschnitt, wird von den Killer- und Fresszellen des Immunsystems erkannt. Sie tragen dafür an ihrer Oberfläche spezielle Andockstellen, Fc-Gamma-Rezeptoren, mit denen sie sich an die Antikörper binden, um diese dann mitsamt der mit ihnen verbundenen Tumorzelle zu zerstören.
Proteinkappe hemmt unerwünschte Reaktionen
„Allerdings kann diese Rezeptor-vermittelte Interaktion auch zu ungewollten Nebenwirkungen des Antikörperwirkstoffs führen und auch im gesunden Gewebe eine Immunreaktion auslösen“, erklärt Seniorautor Harald Kolmar von der Technischen Universität Darmstadt. Denn die Erkennung der Fc-Enden durch Abwehrzellen findet nicht nur am Tumor statt, sondern auch schon, wenn die Antikörper erst auf dem Weg zu ihrem Wirkungsort sind. Dadurch verursachen die bisherigen Antikörpertherapien oft erhebliche Nebenwirkungen, darunter Thrombosen, einen Schwund von Blutplättchen und auch Schädigungen des Knochenmarks und der Blutbildung. „Das Ziel unserer Arbeit war es daher, einen Weg zu finden, die Immunstimulation des Antikörpers vorübergehend zu blockieren und diese erst unmittelbar am Tumor zu aktivieren“, so Kolmar.
Dafür haben Kolmar, Erstautor Adrian Elter und ihr Team eine Methode entwickelt, bei der die therapeutischen Antikörper zunächst eine Art Schutzkappe über ihren Fc-Enden tragen. „Diese neuartige Technologie basiert auf der gezielten Blockade des Antikörpers mit einem Protein, das wie ein Deckel auf dem Antikörper sitzt und dadurch dessen Wechselwirkung mit Immunzellen verhindert“, erklärt Kolmar. Erst am Tumor wird der Antikörper quasi „scharf geschaltet“: Von den Krebszellen produzierte Enzyme spalten den Proteindeckel ab und legen so die Fc-Enden wieder frei. Die Immunabwehr kann nun diese Enden ansteuern und ihr Zerstörungswerk am Tumor verrichten. „Unseres Wissens nach repräsentiert dieser Ansatz den ersten nichtpermanent Fc-blockierten Antikörper, der durch eine tumor-assoziierte Protease wieder aktiviert werden kann“, schreiben die Forscher.
Erste Zellkulturtests erfolgreich
Um herauszufinden, wie gut dieses Prinzip funktioniert, hat Elter es im Rahmen seiner Doktorarbeit bei zwei therapeutischen Antikörpern getestet. Dafür rüstete er diese für die Therapie von Brustkrebs und von Leukämie zugelassenen Antikörper mit den passenden Proteinkappen aus. Dann testete er in Zellkulturen, ob und wie stark menschliche Abwehrzellen auf diese stumm geschalteten Immunglobuline reagierten und wie sich dies bei Kontakt der Antikörper mit Krebszellen änderte. Wie erhofft, reagierten die Immunzellen nicht auf die maskierten Antikörper. Die Proteinkappe reduzierte die Interaktion um den Faktor 2700 bis 7100, wie das Team berichtet. Trotz ihrer Schutzkappe banden die modifizierten Antikörper aber ähnlich gut an Tumorzellen wie ihre unveränderten Versionen. Dabei wurde ihre Proteinkappe abgespalten und die solcherart markierten Krebszellen wurden durch die Immunabwehr abgetötet. Die Rate der abgetöteten Tumorzellen lag dabei nach Angaben von Elter und seinen Kollegen genauso hoch wie bei unveränderten therapeutischen Antikörpern.
„In beiden Fällen wird der Antikörper erst nach Spaltung durch die Tumor-assoziierten Enzyme aktiviert und somit wird eine kontrollierbare Medikation mit potenziell reduzierten Nebenwirkungen möglich“, resümiert Elter. Als Nächstes müssen nun Tierversuche zeigen, ob dieser Ansatz auch im lebenden Organismus funktioniert. Sollte das der Fall sein, könnte diese Methode der reversiblen Abschaltung von Antikörpern neue Möglichkeiten für Immuntherapien gegen Krebs eröffnen.
Quelle: Adrian Elter (Technische Universität Darmstadt) et al., Frontiers in Immunology, doi: 10.3389/fimmu.2021.715719
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