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#Schlägt der Puls der Natur noch?

Schlägt der Puls der Natur noch?

Erkenntnis unter Tage zu suchen, hat in der Kunst Tradition: Schon die Romantiker hofften, in der Erde zu ergründen, was die Welt im Innersten zusammenhält, obgleich sie oberhalb der Grasnarbe blaue Blumen pflückten. Clemens Brentano studierte Bergwissenschaften, Novalis war als Geologe tätig, Bergwerke wurden zum beliebten literarischen Motiv in den Jahrzehnten um 1800. Das war mehr als eine damals modische Marotte: Es zeugte vom festen Glauben an eine Verbindung zwischen rationaler und mystischer Naturvorstellung. Novalis beschwor programmatisch, was auch Bildkünstler als Projekt betrieben: „Die Welt romantisieren heißt, sie als Kontinuum wahrzunehmen, in dem alles mit allem zusammenhängt. Erst durch diesen poetischen Akt der Romantisierung wird die ursprüngliche Totalität der Welt als ihr eigentlicher Sinn im Kunstwerk ahnbar und mitteilbar.“

Ursula Scheer

Wie eine Neuauflage dessen erscheinen zunächst die riesenhaft aufragenden hölzernen Messstationen, die in einem Lichthof des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe stehen. Die Stelzenbeine der Auffangbecken für Regenwasser gehören eigentlich in den Waldboden der Vogesen versenkt. In der Ausstellungshalle deutet eine Metallkonstruktion das Bodenprofil an, unterhalb dessen wir uns symbolisch bewegen. Die Mixed-Media-Installation mit Videos, Modellen und Objekten von Alexandra Arènes und Soheil Hajmirbaba entspringt einer Kooperation des ZKM mit der französischen Société d’Objets Cartographiques und bringt Teile der Arbeit, die Geowissenschaftler an der Forschungsstation Strengbach im Elsass leisten, ins Museum. Dort wird nun nachvollziehbar, auf welche Weise Forscher im Freiluftlabor den Grund abklopfen, in ihn hineinhorchen und Fluss, Fichten oder Buchen gleichsam den Puls messen – wie Patienten.

Es war einmal: Natur als Seelenspiegel in Caspar David Friedrichs Gemälde „Felsenriff am Meeresstrand“ von 1824


Es war einmal: Natur als Seelenspiegel in Caspar David Friedrichs Gemälde „Felsenriff am Meeresstrand“ von 1824
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Bild: bpk, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Wolfgang Pankoke

Die Ökokunst unserer Tage stülpt das Konzept der Romantik gleichsam um: Belebte und unbelebte Natur sind keine sublim erhabenen, schaurig-schönen weil übermächtigen Gegenüber mehr, die heilige Schauer auslösen oder nach Beherrschung (und Ausbeutung) verlangen, sondern erscheinen als „Critical Zone“ – so der Ausstellungstitel –, als menschlich bedenklich manipulierte Phänomene in einer wenige Kilometer messende kritischen Zone. Sie ist vom Leben geprägt, wir können sie mit unseren Sinnen wahrnehmen und sind völlig von ihr abhängig. Es ist eine Zone in der Krise, die von uns transformiert auf uns zurückwirkt, weil – noch einmal Novalis – eben „alles mit allem zusammenhängt“. Feedbackschleife nennt man das heute.

Auf der Spur der bedrohter Arten: Jumana Mannas Film „Wild Relatives“ (2018)


Auf der Spur der bedrohter Arten: Jumana Mannas Film „Wild Relatives“ (2018)
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Bild: Jumana Manna, Marte Vold

Spätestens seit der Biennale di Venezia 2019 ist der Klimawandel als eines der Überthemen der Kunst erkannt. „Critical Zones“ zeichnet diese Linie fort, federführend kuratiert von dem Soziologen Bruno Latour (der Verfasser des „Terrestrischen Manifests“ leistet auch einen Beitrag zur aktuellen Berliner Schau „Down To Earth“) sowie dem ZKM-Chef Peter Weibel. In sechs Ausstellungskapiteln mit knapp fünfzig Positionen sollen „Horizonte einer neuen Erdpolitik“ aufscheinen. Tatsächlich geht es um die Einübung eines Perspektivenwechsels: weg von der Vorstellung des abgegrenzt von der „Natur“ existierenden Menschen, hin zur beobachtenden und fürsorglichen Observation eines Netzwerks des Lebens, in das die Zivilisation eingewebt ist.

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